Mike Miller gibt bei den Denver Nuggets den Elder Statesman. SPOX sprach mit dem 36-Jährigen in London über seine Rolle bei den Nuggets, die Pläne nach der Karriere - und seine Zeit mit den Miami Heat um LeBron James. Heute Abend trifft er mit seinem Team bei den Global Games in London auf die Indiana Pacers (ab 21 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE).
SPOX: Mike, Sie sind einer der ganz wenigen Veteranen in einem blutjungen Team - können Sie Ihre Rolle ein wenig für uns beschreiben?
Mike Miller: Nun, gewissermaßen helfe ich beim Navigieren. Viele meiner Mitspieler kennen das Geschäft noch nicht so und lassen sich etwas mehr von den Aufs und Abs beeinflussen, die ein junges Team aber zwangsläufig durchlaufen muss. Ich versuche, Ihnen mit meiner Erfahrung etwas Perspektive zu geben und für eine positive Stimmung zu sorgen, auch wenn es gerade mal nicht so gut läuft, wie bei uns im Moment. Man darf sich davon nicht zu sehr fertig machen lassen.
SPOX: Wäre es fair, Sie als spielenden Assistant Coach zu bezeichnen, oder käme das zu früh?
Miller: Doch, das könnte man schon so sagen. (lacht) Ich meine, ich würde natürlich gerne etwas mehr spielen und eine etwas aktivere Rolle einnehmen, aber in meinem Alter weiß ich eben, wie ich auch abseits des Courts einen gewissen Einfluss ausüben kann. Das will ich auch und das erwartet auch der Coaching Staff von mir.
SPOX: Die Nuggets sind ein Team, um das es nun schon seit Jahren immer wieder Trade-Gerüchte gibt, aktuell ist das auch wieder der Fall. Sie haben diese Situationen schon oft erlebt - suchen die jüngeren Spieler auch hier Ihren Rat?
Miller: Ja, einige von ihnen. Bei uns könnte man zu dem Thema ja schon fast eine Selbsthilfegruppe aufmachen. (lacht) Es ist für junge Spieler natürlich nicht einfach, aber gleichzeitig muss man sich daran gewöhnen, dass diese Gerüchte Teil des Geschäfts sind, gerade dann, wenn ein Team nicht so gut dasteht. Ich versuche Ihnen aber auch klarzumachen, dass es gewissermaßen auch für sie spricht, wenn Sie in Gerüchten auftauchen. Wenn sie schlechte Spieler wären, würde sich ja niemand für sie interessieren.
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SPOX: Braucht dieses Team denn Ihrer Meinung nach Trades? Gerade auf den großen Positionen scheint es so, als würden sich die größten Talente gegenseitig die Minuten stehlen. Sorgt das nicht für Frustrationen?
Miller: Es ist schon richtig, dass unser Coach Mike Malone nicht immer nur glückliche Gesichter sieht, wenn ein Spiel rum ist. Andererseits ist es aber auch normal: Es muss doch Konkurrenzkampf geben, sonst kommt keiner von uns weiter! Es liegt am Spieler, sich für Minuten zu empfehlen. Wer damit nicht umgehen kann, wird sich in der NBA ohnehin nicht durchsetzen. Ich glaube aber nicht, dass bei uns zwingend ein Trade hermuss. Vielmehr geht es um Professionalität.
SPOX: Der junge Spieler, der momentan für das größte Aufsehen sorgt, ist Nikola Jokic. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Miller: Nikola ist jemand, über den noch viel mehr berichtet werden sollte. Er hat ein unheimliches Potenzial, gerade offensiv. Wenn er weiter hart an sich arbeitet, kann er einer der besten Spieler der Liga werden.
SPOX: Gerade sein Passspiel ist für einen Big Man überragend - erinnert er Sie an jemanden?
Miller: Da fallen mir als erstes die Gasol-Brüder ein. Ich habe in Memphis ja früher lange mit Pau zusammengespielt und 2013/14 dann auch noch mit Marc - das sind beides Jungs, mit denen man einfach unglaublich gerne zusammenspielt. Sie erwischen dich teilweise mit Pässen, die man von großen Jungs nie im Leben erwarten würde. Mit Pau hatte ich mit der Zeit so ein gutes Verständnis, dass ich einfach wusste, wann der Ball aus seinem Rücken auf einmal zu mir fliegen würde. (lacht) Ich habe natürlich nicht mit ihm gespielt, aber Arvydas Sabonis war auch noch ein Big Man, der so eine Court Vision hatte. Ist Nikola schon so weit? Natürlich nicht. Aber er könnte dieses Level erreichen. Ich glaube, dass er ein mehrfacher All-Star werden wird.
SPOX: Wie sieht es mit Emmanuel Mudiay aus? Point Guards ohne Wurf haben es heutzutage ziemlich schwer...
Miller: Das stimmt, aber er ist mit seiner Entwicklung ja noch nicht am Ende. Ich sehe, wie er täglich an seinem Wurf arbeitet, deswegen will ich auch nicht abschreiben, dass er eines Tages ein guter Schütze sein wird. Er hat ja schon einige Fortschritte gemacht. Aber Sie haben schon Recht: Wenn der Wurf auf dem aktuellen Niveau bliebe, würde ihn das für den Rest seiner Karriere hemmen. In der heutigen Liga ist es einfach sehr problematisch, wenn der Aufbau nicht permanent selbst Gefahr ausstrahlt.
SPOX: Sie stehen mittlerweile in Ihrem 17. NBA-Jahr. Wenn Sie zurückblicken - welche Erinnerung kommt als erstes?
Miller: Die Miami-Jahre, keine Frage. Ich habe einige tolle Teams erlebt und hatte bei jeder meiner Stationen Spaß, auch jetzt, wo ich nur noch sehr wenig auf dem Court stehe. Aber nichts schlägt dieses Gefühl, wenn du dich Champion nennen kannst. In Miami habe ich das sowohl 2012 als auch 2013 erlebt - und mehr geht einfach nicht. Ich kann mich da an ziemlich viele Siege erinnern. (lacht) Es ist in der NBA unheimlich leicht, zu verlieren. Gewinnen ist viel schwerer. Es dann über die Ziellinie zu schaffen, sogar zweimal in Folge, ist nicht zu toppen.
SPOX: Und vermutlich erinnern Sie sich auch an sieben Dreier in Spiel 5 der Finals, oder?
Miller (lacht): Ja, natürlich. Es war ja keine leichte Saison für mich, ich habe viele Spiele verpasst und hatte dann auch bei den Heat nicht wahnsinnig viel Einsatzzeit. Und dann erlebe ich da im allerletzten Spiel der Saison so einen Tag, an dem ich einfach nicht daneben werfen kann. Ich habe mich nie nur als Shooter definiert, aber natürlich war das ein wichtiger Teil meines Spiels - und es gibt für einen Schützen kein schöneres Gefühl, als "automatic" zu sein. Es lief einfach. (lacht) Das sind die Momente, von denen man als Kind träumt. So etwas dann ausgerechnet auf dieser Bühne zu erleben, war einfach nur unheimlich schön.
SPOX: Sie waren auch 2011 schon dabei, als die Heat gegen Dallas in den Finals verloren. Haben sie nach dem Titel 2012 eine Veränderung an LeBron James bemerkt? War es wirklich so, als wäre eine riesige Last abgefallen?
Miller: Das kann man schon so sagen, ja. Er hatte ja vorher noch keinen Titel und für einen Spieler von seinem Stellenwert war das eben einfach ein Makel, auf dem wieder und wieder rumgeritten wurde - von allen Seiten. Ich habe mich daher besonders für ihn gefreut, als er diesen ersten Titel "abhaken" konnte. Seitdem kann er sich umso besser darauf konzentrieren, das zu tun, was er am besten kann. Er hat es mittlerweile auch den letzten Zweiflern bewiesen, dass er einer der Größten aller Zeiten ist.
SPOX: Wie ändert sich das Spiel für einen Distanzschützen wie Sie, wenn ein Passer wie LeBron mit auf dem Court steht?
Miller: Es bedeutet offene Würfe - die offensten Würfe, die man haben kann, wenn man nicht alleine in der Halle trainiert. (lacht) LeBron macht es seinen Mitspielern unglaublich einfach. Wenn man sich in die richtige Ecke bewegt, wird er dich finden, und zwar genau auf der Höhe, die für deine Wurfbewegung am besten ist. Das ist ein Luxus, den man nur mit den allerbesten Passern der Welt wirklich genießen kann.
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SPOX: James ist mittlerweile 32 Jahre alt - überrascht es Sie, dass er noch immer keine Anzeichen von Verfall zeigt?
Miller: Nein, überhaupt nicht.
SPOX: Wieso?
Miller: Er ist LeBron James! Der Typ ist ein Wahnsinniger, ich glaube, dass das vielen Leuten gar nicht klar ist. Was er an Arbeit in seinen Körper und sein Spiel steckt, ist wirklich unfassbar - nicht viele Spieler bringen so eine Professionalität und Arbeitseinstellung mit. Natürlich hat er auch ziemlich gute Gene, aber das allein würde niemals reichen. Die Art und Weise, wie er seinen Beruf ausübt, sollte jedem ein Vorbild sein. Ich glaube daher, dass er noch eine ganze Weile so dominant auftreten wird, solange er sich keine größere Verletzung zuzieht.
SPOX: Sie haben einige schwere Verletzungen hinter sich, dennoch sind Sie nun mit fast 37 Jahren immer noch dabei - wie hat sich Ihre Workout-Routine über die Jahre verändert?
Miller: Ich musste es erst lernen, richtig auf meinen Körper zu hören. Ich habe auch früher schon viel Zeit in Workouts investiert, stand oft stundenlang in der Halle und habe Gewichte gestemmt, Konditionstraining gemacht und so weiter. Aber erst später habe ich gelernt, dass es weniger auf die Dauer, sondern auf die Art des Workouts ankommt. Ich mache mittlerweile deutlich mehr abseits des Courts als auf dem Court, aber alle Übungen sind gezielt und sollen bestimmte Körperbereiche stärken. Ich arbeite jetzt wesentlich smarter, anders ginge es in meinem Alter auch mit Sicherheit nicht mehr.
SPOX: Wissen Sie denn schon, wie lange Sie sich das Ganze noch antun werden?
Miller: Ich habe da nicht wirklich Pläne gemacht, um ehrlich zu sein. Ich fühle mich momentan sehr gut, mein Körper ist gesund und ich denke, dass ich einem Team immer noch einiges geben kann, auch auf dem Feld, das ich in dieser Saison bisher erst fünfmal betreten habe. (lacht) Ich habe Lust, noch weiter Basketball zu spielen. Aber ich mache es jetzt schon seit einigen Jahren so, dass ich einfach im Sommer entscheide, ob es noch weitergeht oder ob ich doch mal aufhören möchte.
SPOX: Wissen Sie schon, wie es danach für Sie weitergehen soll? Sie waren ja immer als sehr intelligenter Spieler bekannt - können Sie sich eine Karriere als Coach vorstellen?
Miller: Ich weiß es noch nicht sicher, aber klar, Coaching wäre schon eine Möglichkeit. Das Spiel hat mir unheimlich viel gegeben und ich habe von sehr guten Coaches lernen können, daher ist das auf jeden Fall etwas, womit ich mich befassen werde. Man will ja gerne etwas zurückgeben und gewissermaßen tue ich das ja auch jetzt schon. (lacht) Aber die Entscheidung steht noch aus und wird letztendlich auch in Absprache mit meinen Kindern getroffen, die sogar noch wichtiger sind als Basketball.