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Neue Gefahr für den König?

Im letzten Jahr konnten die Raptors LeBron nur phasenweise ärgern
© getty

Die Toronto Raptors gehören zu den großen Gewinnern der Trade-Periode. Mit messerscharfer Präzision haben sie ihre Baustellen geschlossen - und praktisch nichts dafür bezahlt. Damit haben sie das nachgeholt, was sie im Sommer versäumt hatten. Nun könnten sie eine Gefahr für die Cavaliers sein.

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Achtung, Schnelldurchlauf: Beste Saison der Franchise-Geschichte, Conference Finals erreicht, als einziges Ost-Team in den Playoffs die Cavaliers geschlagen - die Lücke zum Team aus Ohio schien letztes Jahr nicht allzu groß. Dann jedoch kamen der Sommer und die Offseason, in der es nicht gelang, diese zu verkleinern.

Im Gegenteil: Mit DeMar DeRozan hielten die Kanadier zwar einen begehrten Free Agent, doch ansonsten passierte nicht viel. Jared Sullinger kam als Ersatz für den zu den Magic abgewanderten Bismack Biyombo, dessen defensive Lücke "Sully" aber keineswegs schließen konnte.

In der ersten Saisonhälfte bestätigte sich das Bild vom Rückschritt. Die Defense hatte ihren Punch verloren. Obwohl die Kanadier bis in den Dezember hinein das beste Offensiv-Rating aller Zeiten (114,9) aufs Parkett zauberten, war der Top Seed dadurch nicht wirklich ein Thema. Nach einem Leistungseinbruch mit 16 Niederlagen aus 27 Spielen bestätigte sich der Eindruck, zumal alle drei direkten Duelle mit den Cavs verloren gingen.

Ibaka schon der neue Held?

Doch mit Masai Ujiri, dem ehemaligen GM und derzeitigen President of Basketball Operations, haben die Raptors einen der aktivsten und auch besten Strippenzieher der Liga im Front Office sitzen. In diesem Fall brauchte es aber keine Analysten-Horde, um die größten Baustellen zu erkennen: Ein nicht vorhandener (überdurchschnittlicher) Starter auf der Vier und die schwache Bank.

Auf der Power-Forward-Position kehrte im Saisonverlauf keinerlei Stabilität ein. Beim vielversprechenden Rookie Pascal Siakam kristallisierte sich immer mehr die offensive Eingeschränktheit heraus, Patrick Patterson kämpft traditionell mit Verletzungen und Sullinger kam nach einer Fußblessur überhaupt nicht in Tritt. Und von Small Ball mit DeMarre Carroll auf der Vier ist Head Coach Dwane Casey kein Fan.

Mit dem Trade für Serge Ibaka hat sich das schlagartig geändert. Die Zeiten, in denen er als "Iblocka" Angst und Schrecken verbreitete, sind zwar trotz seiner erst 27 Jahre etwas verblasst, doch an der Seite vom Hünen Jonas Valanciunas bildet er trotzdem einen hochkarätigen Frontcourt, der den Ring beschützt. Darüber hinaus kann er Pick-and-Rolls switchen, was essenziell ist in heutigen Zeiten.

Beim Debüt des Spaniers gegen die Celtics unterstrich er umgehend seinen Wert. 36 Minuten stand er auf dem Parkett und war nach dem überragenden DeRozan (43 Punkte) mit 15 Zählern (7/12 FG) und 7 Rebounds einer der besten Akteure. Vom euphorischen Publikum erhielt er bereits Standing Ovations: "Dafür danke ich den großartigen Fans. Es hat sich richtig gut angefühlt", erklärte er. Es scheint, als hätte er die Lust, die ihm in Orlando phasenweise abzugehen schien, wieder gefunden.

Tucker als Kommunikator

Nach dem Ibaka-Trade - nach dem Cousins-Move der größte Deal der Trade-Periode - waren die Raptors noch nicht fertig. Am Deadline Day holten sie Energizer P.J. Tucker von den Suns, den sie in der Draft 2006 in der zweiten Runde selbst in die Liga geholt hatten.

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Tucker füllt die Rotation auf und darf als eine Art "Versicherung" für Kettenhund Carroll angesehen werden, ohne den die Defense auf dem Flügel oft einbrach. Jared Dudley, der mit dem Raptors-Neuen zusammen in Phoenix spielte, brachte Tucker bei Twitter sogar ins Rennen um den DPoY-Award. Und DeRozan weiß auch, warum.

Bei der 103:115-Heimniederlage der Raptors gegen Phoenix wurde er von Tucker an Ketten gelegt und bei 6/17 Treffern aus dem Feld gehalten. Nun sind sie Kollegen, die sich gegenseitig helfen wollen: "Defense ist zu einem großen Teil Kommunikation. Serge redet, DeMarre redet, ich rede sehr viel. DeMar tut dies noch nicht, aber ich möchte ihm helfen, das zu ändern und ihn defensiv stärker zu machen", erläuterte Tucker nach dem Spiel gegen die Celtics. Dieses Duell war laut Rookie Jakob Pöltl ein enorm wichtiges: "Wenn wir sie noch vom zweiten Platz in der Eastern Conference verdrängen wollen, ist das praktisch ein Muss-Sieg."

Es ist sicherlich noch zu früh, Schlüsse aus den beiden Deals zu ziehen: Doch dass die Raptors gegen die siebtbeste Offense der Liga nur 97 Punkte zuließen (11 unter dem Celtics-Schnitt!) könnte ein erstes Indiz dafür sein, wie sehr die Aktivitäten von Ujiri und GM Jeff Weltman die Organisation nach vorne gebracht haben. Und das Beste daran: Es hat sie kaum etwas gekostet.

Der Preis? Gering!

Der im Tausch für Ibaka abgewanderte Terrence Ross ist verzichtbar geworden. Das liegt vor allem an Norman Powell: Der Sophomore spielt eine solide Saison und dürfte von den frei gewordenen Minuten profitieren. Der eigene Erstrundenpick 2017, der ebenfalls den Weg nach Disneyland fand, fällt im Win-Now-Modus kaum ins Gewicht, was auch für die beiden Zweitrundenpicks gilt, die für Tucker nach Phoenix gewandert sind. Hier hat sich mal wieder Ujiris Verhandlungsgeschick unter Beweis gestellt: Ursprünglich hatte die Franchise aus Arizona einen Firstounder für Tuckers auslaufenden Vertrag gefordert.

Stichwort Verträge: Das Arbeitspapier von Ibaka gilt ebenfalls nur bis zum kommenden Sommer. Dann wird er Unrestricted Free Agent und will entsprechend bezahlt werden. Aber: Der Big Man hatte immer wieder betont, dass es ihm besonders wichtig sei, für einen Contender zu spielen. Läuft alles wie geplant, können ihm die Raptors das bieten und müssten eventuell nicht ganz so tief in die Tasche greifen, wenn der Spieler keine Lust auf einen dritten Wechsel innerhalb eines Jahres hat und sich wohlfühlt.

Ein weiterer kommender Free Agent ist Kyle Lowry. Franchise und Spieler hatten immer wieder unterstrichen, dass die Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll. Doch wenn der Weg für das Team nach unten zeigen sollte (wie es vor den beiden Moves der Fall war), hätte sich Lowry das bei einem entsprechenden Angebot anders überlegen können.

Für Nervosität im Front Office dürften zudem seine Aussagen nach der Pleite gegen die Pistons am 13. Februar gesorgt haben, als sein Team eine scheinbar sichere Führung verspielte. "Es muss sich etwas ändern", wetterte er gegenüber den Reporten. "Ich habe auch eine Idee, was es sein könnte - aber ich bleibe professionell und halte meinen Mund."

Was geht gegen die Cavs?

Nach nun drei Siegen in Folge dürfte er sich wieder beruhigt haben. Das Management hat ihm bewiesen, das ultimative Ziel angreifen zu wollen und zu können. Darüber hinaus wäre ein Teamwechsel für den Point Guard sowieso riskant, da er mit seinen bald 31 Jahren am Ende seiner Prime ist und ergo nicht mehr viele Jahre hat, um bei einem Contender ein wichtiger Faktor zu sein.

Während den Celtics trotz angeblich unwiderstehlicher Angebote kein Move gelungen ist, waren die Raptors proaktiv und haben ihre Baustellen bestmöglich geschlossen. Der Abstand auf Top Seed Cleveland ist zwar zu groß geworden, um diesen anzugreifen, trotzdem hat man das nachgeholt, was im Sommer noch nicht gelungen war.

Die beiden Neuen sorgen dafür, dass die alte Beißer-Mentalität wieder eintreten könnte. Das Team wurde gestärkt, ohne dass kurz- oder langfristig Einbußen in Kauf genommen werden müssen. Bleibt das Lineup von Verletzungen verschont, gehen die Kanadier im Gegensatz zum Vorjahr auf einem höheren Level in die Playoffs - und schon damals hat es für zwei Siege gegen Cleveland gereicht.

Die Raptors in der Übersicht

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