Als LeBron James zum Killer wurde

Ole FrerksMartin KlotzThorben RybarczikRobert Arndt
10. April 201721:03
LeBron James erlegte in den Conference Finals 2012 die Boston Celticsgetty
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Jeder Basketball-Fan auf der Welt hat seinen ganz besonderen Playoff-Moment, der sich für immer ins Gehirn eingebrannt hat. Vier SPOX-Redakteure beschreiben ihre schönsten - oder schlimmsten - Erinnerungen. So wurde LeBron James zum Killer, die Spurs zur Definition von Basketball und die L.A. Lakers zur Inspiration für einen Zehnjährigen. Außerdem: Die Mavs feiern ihr letztes Hurra. Ausgewählte Spiele der Playoffs gibt es live und auf Abruf auf DAZN.

Eastern Conference Finals 2012, Game 6: Boston Celtics vs. Miami Heat

Von Ole Frerks

Seit 1998 verfolge ich die NBA. Etliche große Momente fallen in diese Zeit - Iversons Crossover gegen Lue '01, die Finals '08 und '11, die von den "Guten" gewonnen wurden, oder auch '14, als San Antonio das Nirvana des Basketballs erreichte. Wie jeder Sportfan weiß, sind es aber oft nicht die schönen Erinnerungen, die sich am tiefsten ins Gedächtnis einbrennen. Darum hört man in München noch immer ständig vom "Finale dahoam" und darum erinnere ich mich noch bestens daran, als LeBron James die Big-Three-Ära "meiner" Celtics beendete.

'12 waren die Celtics um Allen, Pierce und Garnett längst über ihren Zenit hinaus. Alle drei waren 34 und älter, weshalb Rondo seine Fastbreaks meist alleine laufen durfte. Und trotzdem reichte es in dieser schrägen Lockout-Saison noch einmal fast zu einem letzten Hurra. Als 4-Seed eliminierten die alten Herren Atlanta und Philly, um im Anschluss den Heatles in den Conference Finals zu begegnen.

Erwartungen hatte ich nicht - ich war einfach froh, dass dieses Team, das mir über die Jahre so viel Freude gemacht hatte, noch einmal so weit gekommen war. Deswegen nahm ich auch den 0-2-Auftakt zur Kenntnis, ohne mich zu wundern. Doch dann passierte etwas Merkwürdiges - die Celtics gewannen drei Spiele und standen auf einmal mit einem Bein in den Finals. Pierce und KG platzten vor Swagger, bei LeBron hingegen zweifelten mal wieder alle am Cojones-Faktor. Es wurde schon das Ende der Big Three in Miami heraufbeschworen. Auch ich fing erstmals an, von tatsächlich von den Finals zu träumen.

Bis ich die ersten paar Minuten von Spiel 6 sah. LeBron hatte bereits beim Warmup eine Miene aufgesetzt, als wäre er der klischeehafte Serienmörder in einem schlechten Film. Man sah ihm an, dass er keinen Bock hatte, weiter in Frage gestellt zu werden, und dass er die nervigen alten Herren im Alleingang erledigen wollte. Das tat er dann auch.

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Nach wenigen Minuten führte Miami mit 10 und das zuvor so laute Publikum in Boston war mucksmäuschenstill. Und es ging so weiter. Pierce, der James sonst häufig sehr gut verteidigt hatte, war völlig ohne Chance. Immer mehr sank ich auf der Couch zusammen, als LeBron mit stoischer Präzision weiter jeden verdammten Wurf traf. Es war unfair. Am Ende waren es 45 Punkte bei 19/26 aus dem Feld, bis heute die wohl beste Playoff-Leistung, die ich jemals von ihm gesehen habe (ja, ich habe die Finals '16 gesehen).

"Der Knoten ist geplatzt", dachte ich mir, und deshalb blieb mir auch keinerlei Hoffnung für Spiel 7. Der einzige Part, der LeBron in den Jahren zuvor noch behindert hatte - der Killer-Instinkt -, auf einmal hatte er ihn. In diesem Moment war ich überzeugt, dass die Big-Three-Ära in Boston vorbei war - und dass die Liga endgültig James gehören würde. Den Status als bester Spieler der Welt hatte er endgültig zementiert. Ich gebe allerdings zu: Es hat eine Weile gedauert, bis ich das subjektiv anerkennen konnte.

Finals 2014, San Antonio Spurs vs. Miami Heat

Von Thorben Rybarczik

Es hat etwas gedauert, bis ich angefangen habe, die San Antonio Spurs zu schätzen. Wie bei so vielen Jungspunden galt das Team bei mir als genauso langweilig wie die dazugehörigen Trikots. Da war zum Beispiel dieser Typ, der immer das Gleiche tat - irgendwo in der Halbdistanz bekam er den Ball, drehte sich Richtung Korb und schmiss das Leder mit Brett durch die Reuse. Gähn.

Dass Tim Duncan dabei so viel Emotionen zeigte wie jemand, dem gerade das Klopapier ausgegangen ist, half da nicht wirklich weiter. Auch der grimmig dreinschauende, schon damals graue Head Coach und "dieser Franzose" änderten nichts daran, dass die Spurs bei mir und meinen Basketball-Dudes nicht wirklich beliebt waren.

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Doch je besser ich den Basketball verstand - und vor allem: je öfter ich ganze Spiele anstatt Zusammenfassungen und Highlights schaute - umso klarer wurde mir: Dieses Team, dass immer noch denselben Herren an der Seitenlinie hat, ist ganz und gar nicht langweilig. Dieses Team ist Basketball in seiner reinsten Form.

Leider habe ich das erst begriffen, als es scheinbar schon fast zu spät war. Nach dem Titel 2007 ging bezüglich Finals nicht mehr viel, während sich die Haarfarbe Duncans der von Popovich immer mehr annäherte.

Doch wie gefühlt 99,7 Prozent der Menschheit hatte auch ich die Spurs unterschätzt. Schon die Tatsache, dass sie 2013 die Finals erreichten, kam für mich überraschend daher. Dass sie dieses Kunststück im Folgejahr wiederholen würden, erst recht.

In den Finals 2014 durfte ich sie dann also doch noch einmal erleben: Die Spurs in ihrer besten Form. Jeder einzelne Angriff, jeder Wurf, jeder Pass folgte einem Plan. Isolations? Also bitte. Erzwungene Würfe? Niemals.

In jeder einzelnen Sequenz war den Texanern anzusehen, dass sie aus dem Vorjahr etwas gut zu machen hatten. Die Stimmung im AT&T Center war phänomenal und entsprach so überhaupt nicht dem Klischee der Langweiler-Franchise. Ich stelle die These auf: Die Spurs 2014 waren die besten Spurs, die es je gab. Und die schönsten. Zum Glück durfte ich das miterleben.

Zudem waren diese Finals der ultimative Beweis dafür, dass kein Highlight-Video, kein Alley-Oop-Mixtape, keine Dreiershow und keine Triple-Double-Orgien auch nur annähernd so viel Spaß machen wie simpler Team-Basketball aus der Feder von Gregg Popovich.

Western Conference Finals 2000, Game 7: Los Angeles Lakers vs. Portland Trail Blazers

Von Robert Arndt

Um meinen schönsten Playoff-Moment zu rekonstruieren, muss ich ein wenig weiter ausholen. Ich verfolge die NBA mehr oder weniger seit der Jahrtausendwende. Zu dieser Zeit war es noch deutlich schwieriger, an Informationen zu kommen: Da war der gute alte Videotext, der neben der Bravo Sport zur Pflichtlektüre wurde.

Bei Bildmaterial war es dagegen nicht ganz so einfach. YouTube war noch nicht erfunden und die Nutzung von Internet kostete auch eine Menge. So blieb meist nur Inside NBA beim DSF, irgendwo versteckt im Nachmittagsprogramm zwischen Bundesliga Classics und dem Teleshopping.

Doch nun zum Spiel: Mit meinen knapp zehn Jahren war ich von der Power und Leichtigkeit der Lakers fasziniert. Gerade dieser Shaquille O'Neal war für mich ein absolutes Phänomen. Wie konnte ein solch großer Typ (der wiegt echt über 130 Kilo?) solche geschmeidigen Bewegungen machen?

Es war für mich unvorstellbar, dass irgendjemand diesen Koloss stoppen konnte. Doch die Portland Trail Blazers belehrten mich scheinbar eines Besseren. In Spiel 7 der 2000er Western Conference Finals spielten sie seelenruhig ihren Stiefel runter. Der Swagger von Scottie Pippen war einfach nur famos. Hängen geblieben ist mir dabei vor allem dieser unfassbare Stepback-Dreier zum Ende des dritten Viertels. Was heute vielleicht ein wenig unspektakulär ausschaut: Früher gab es einfach nicht so viele Typen, die einen solchen Wurf mit dieser Selbstverständlichkeit versenken konnten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ausnahmsweise nicht den Teletext gecheckt, ich wollte mich überraschen lassen und mitfiebern können. Ich wurde nicht enttäuscht. Bei Shaq lief nichts zusammen und Portland führte auf einmal mit mehr als zehn Punkten.

Doch dann veränderte sich die Dynamik. Im alten Forum trafen die Gäste auf einen Schlag nichts mehr. Ihr Center Arvydas Sabonis musste mit Foulproblemen auf die Bank, die Lakers holten jeden Rebound und kamen immer näher heran. Eine solche Stimmung hatte ich zuvor in einer NBA-Arena noch nicht gesehen. Die Leute in der ersten Reihe sprangen auf und ich spürte selbst an meinen Fernseher, dass hier etwas Großes passieren könnte.

Und es geschah: Nachdem L.A. tatsächlich die Führung übernommen hatte, ereignete sich das Play, welches sich für immer in meinen Kopf einbrennen würde. Kobe zog zum Korb, doch anstatt abzuschließen, spielte er den Lob zu Shaq, der sich in die Höhe schraubte und den Spalding mit der rechten Hand durch die Reuse stopfte. Der absolute Wahnsinn! Die Lakers hatten das Ding tatsächlich noch gedreht.

Wie ein kleines Kind sprang der Diesel im Anschluss über den Court, während ich mich auf der Couch kaum mehr einkriegte. Diese Freude, diese Emotionen, die ich hier bestaunen konnte, prägten mich und sind der Grund, warum ich in der Folge nicht mehr von der NBA wich und mir die Nächte um die Ohren schlug.

Erste Runde der Western Conference Finals 2014: San Antonio Spurs vs. Dallas Mavericks

Von Martin Klotz

Die vergangenen 20 Jahre waren schon eine harte Zeit für Mavs-Fans wie mich. Da war dieser Dirk Nowitzki, der sich in Dallas sensationell entwickelt hatte - und doch scheiterten die Mavericks in den frühen Jahren des neuen Jahrtausends trotz starker Saisons stets an den Spurs oder Kings. Die Finals-Pleite 2006 tat weh, richtig weh. Doch nicht so sehr wie das Erstrunden-Aus mit MVP-Dirk gegen die Warriors. So muss sich ganz Brasilien nach dem 1:7 gefühlt haben.

Nach drei weiteren Jahren ohne echten Contender-Status hatte sich das Titel-Fenster eigentlich schon geschlossen, als ich an plötzlich inmitten einer jubelnden Menge in Würzburg doch noch Nowitzkis Heldentaten und die für unmöglich gehaltene Championship gegen die übermächtigen Heat besingen durfte. Basketball-Orgasmus. Doch dann: Lockout, Umbruch, 36 Siege - und die Talfahrt begann. Das sollte es etwa gewesen sein mit der Ära Dirk? Ich wollte es nicht wahrhaben. Aber es sollte drei Jahre dauern, bis ich wieder Hoffnung hatte. Sie kam in Form von Vincent Lamar Carter.

In der ersten Playoff-Runde 2014 traf Dallas einmal mehr auf San Antonio, das mit 62 Siegen, einem Season-Sweep gegen die Mavs und dem Top-Seed unaufgeregt wie immer durch die Liga gewalzt war. Ich hatte gerade sechs Wochen zuvor bei SPOX angefangen und musste nun den Spagat meistern, nachts mit Dirk, Monta, Shawn, Jose und Sam zu fiebern und dabei morgens dennoch fit bei der Arbeit zu sein. Harter Tobak - und das ohne Kaffee, den ich zu der Zeit noch verschmähte.

Dallas überraschte in Spiel 1 mit einer zweistelligen Führung im vierten Viertel, doch dank Tim Duncan nahm die Partie den erwarteten Ausgang. In Spiel 2 machten es die Mavs besser und ließen sich den Vorsprung nicht mehr klauen. Die vom taktischen Schachspiel zwischen Pop und Rick Carlisle geprägte Serie hatte ihren ikonischen Moment in Spiel 3: Mit 2,7 Sekunden auf der Uhr und zwei Zählern Rückstand kopierte Vince Carter seinen letzten Wurf aus den Playoffs 2001 gegen Philly - mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass er den Dreier nach dem Pump-Fake dieses Mal mit dem Buzzer versenkte. Bang! 2-1 Führung gegen den Top-Seed!

Ich schrie. Ich brüllte. Ich rannte wie ein Bekloppter durch die Wohnung. Das ganze Haus - 8 Stockwerke, 80 Parteien - waren anschließend wach. Es war mir sowas von egal. Ich glaubte endlich wieder an dieses Team.

Dass anschließend die Vorlage für die 2016er Finals gemalt und der texanische Draymond Green namens DeJuan Blair (ja, der war damals ein wichtiger Energizer) für Spiel 5 suspendiert wurde, kostete Dallas das Momentum und schließlich doch den Upset. Auch, wenn Dirk und Have-it-all-Monta in Spiel 6 noch einmal zauberten und den späteren Champion immerhin als einziges Team in ein siebtes Spiel zwangen.

Diese Serie ist trotz der Niederlage für mich unvergesslich. Und es war vermutlich der körperlich anstrengendste Buzzer-Beater-Gamewinner, den ich jemals erlebt habe. Und der mit Abstand geilste.

Das Playoff-Bracket im Überblick