"Kelly! Kelly! Kelly!" - die Fans im TD Garden wollten gar nicht mehr aufhören, ihren Helden zu feiern. Als dieser 90 Sekunden vor dem Ende der Partie ausgewechselt wurde, erhoben sich alle Anwesenden von ihren Sitzen.
Noch Minuten nach dem Schlusspfiff stand die Menge in der Arena in Boston Kopf, die in all den glorreichen Jahren so viele historische Performances erlebt hatte. Nun ist die Geschichte der Celtics um eine reicher: das Märchen von Kelly Olynyk.
An einem Abend, an dem sowohl Isaiah Thomas als auch Bradley Beal groß aufspielten, war es ein Bankspieler, der ihnen die Show stahl. Der 13. Pick des Jahres 2013, gezogen von den Dallas Mavericks und nach Boston getradet, entschied Spiel 7 mit einer Crunchtime-Leistung, die eigentlich nur den Stars der Liga vorbehalten ist.
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Magische 200 Sekunden
Innerhalb von dreieinhalb Minuten des vierten Viertels erzielte Olynyk 12 seiner insgesamt 26 Punkte und begrub Washingtons Hoffnungen auf den Einzug in die Conference Finals. Dabei war er gar nicht in schwarzen Klamotten in die Halle gekommen.
Und es wäre nicht so, als hätte der Kanadier mit ukrainischen Wurzeln lediglich offene Leger verwandelt. In Hälfte eins profitierte Olynyk noch davon, dass sich die Defense auf den quirligen Thomas konzentrierte. So kam er zu mehreren einfachen Abschlüssen, die ihm Selbstvertrauen brachten.
Doch in der Schlussphse blühte Olynyk auf. Er kreierte. Er zog per Dribbling zum Korb. Er traf schwierige Würfe. Alle seine sechs "contested shots" schickte er im Schlussviertel durch die Reuse (insgesamt 10/14 FG). Und die Wizards konnten nichts anderes tun, als zuzusehen und zu staunen.
Ungläubig schauten sie dem Mann mit dem Zopf bei der Arbeit zu, auch Scott Brooks, der es versäumte rechtzeitig einzuschreiten. Wie in einem schlechten Traum, aus dem man nicht aufwachen kann, ließ sich Washington von Olynyk einen nach dem anderen einschenken.
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Ab in die Geschichtsbücher
"Es war unglaublich", sagte Olynyk anschließend auf der Pressekonferenz: "Vor allem, diese Leistung vor den Augen all unserer Fans und der Stadt Boston zu zeigen. In dieser Arena zu sein, all die Energie, den Enthusiasmus und die Leidenschaft von 20.000 Menschen zu spüren und sich davon tragen zu lassen - das war etwas ganz Besonderes."
Darüber hinaus übte sich der Matchwinner in Bescheidenheit: "Jeder von uns hat sein Bestes gegeben und es hat zum Sieg gereicht. Es war eine Teamleistung und harte Arbeit. Es war eine intensive Serie und wir haben sie überstanden."
Doch ganz so einfach wollten Al Horford und Thomas Olynyk dann aber doch nicht aus dem Rampenlicht entkommen lassen. "Ich habe ihm vorher gesagt, dass er eine großartige Serie spielen wird", erzählte Horford: "Er ist ein so harter Arbeiter, vielleicht der härteste im gesamten Team. Kelly hatte nicht ein Spiel diese Saison, nicht eins in seiner ganzen Karriere, in dem es so lief wie heute. Es war unglaublich."
Hut ab, Herr Thomas
Die Vorarbeit für das große Finale hatte zum größten Teil Isaiah Thomas geleistet. Der Point Guard erzielte 29 Punkte und verteilte 12 Assists. Er war es auch, der Ende des dritten Viertels einen 9:0-Run der Hausherren befeuerte und damit die Tür zum Sieg aufstieß.
Die Wizards kamen dank des überragenden Beal noch einmal bis auf sechs Punkte heran, doch dann war Olynyk-Time. Thomas hatte das richtige Gespür für die Situation und ließ seinen Big Man einfach machen. Hut ab für diese mannschaftsdienliche Entscheidung - es war die beste, die er an diesem Abend als Leader treffen konnte.
Olynyk zahlte das Vertrauen zurück. Eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse: Midrange-Jumper, Dreier, Driving Layup, ein weiterer Layup und ein zweiter Longball. Dann war der Drops gelutscht.
"Sie haben uns abgeschrieben"
"Die Leute haben uns den Sieg gegen die Wizards nicht zugetraut und sie haben uns nach dem 0:2-Rückstand gegen die Chicago Bulls abgeschrieben", so Thomas auf der Pressekonferenz: "Wir haben die beste Bilanz der Regular Season und doch haben sie uns keine Chance gegeben. Sie werden nie an uns glauben, aber wir machen einfach weiter."
Bereits in der Nacht auf Donnerstag beginnen in Boston die Conference Finals gegen die bisher ungeschlagenen Cleveland Cavaliers. Die Celtics haben im März gezeigt, dass sie den amtierenden Champion zu Hause schlagen können. An Selbstbewusstsein mangelt es den Männern in Grün nach diesem Sieg ohnehin nicht.
"Nun kann alles passieren. Wir glauben wirklich daran", sagte Thomas in Bezug auf einen möglichen Titel-Run. Und selbst Kevin Garnett twitterte nach dem Buzzer seinen berühmten Championship-Ausspruch "Anything is possible". In Großbuchstaben, versteht sich.
Kein Wunder. Nach einem Spiel, in dem Kelly Olynyk die Celtics mit einer historischen Crunchtime-Performance zum Sieg geführt hat, ist alles, aber auch wirklich alles möglich.