Selten hat man die Oracle Arena so ruhig erlebt. Die in gelben T-Shirts eingehüllten Dubs-Fans mussten mit ansehen, wie ihre Lieblinge an die Wand gespielt wurden von einem Spurs-Team, das extrem fokussiert und von Coach Gregg Popovich perfekt eingestellt in die Western Conference Finals startete.
Der Ball geht runter zu LaMarcus Aldridge - drin. Kawhi Leonard zieht gemütlich zum Korb - keine Chance, ihn aufzuhalten. Danny Green nimmt einen schnellen Dreier - nichts als Nylon. So ging es nahezu die ganze erste Halbzeit lang, in der die Dubs nicht wussten, wie ihnen geschah. Zum einen hatten sie keine Antwort auf die große Aufstellung der Spurs (mit Pau Gasol plus Aldridge), zum anderen wollte der eigenen Dreier partout nicht fallen.
So kam es, dass San Antonio Mitte des zweiten Viertels bereits mit 25 Punkten führte. Es deutete sich ein Blowout an, wie es ihn bereits in Spiel 6 gegen die Houston Rockets gegeben hatte, ebenfalls auswärts und ohne Leonard. Der war wieder dabei - noch. Aber dazu später mehr.
"Zu relaxt gestartet"
Bei den Warriors wehrte sich zunächst nur Stephen Curry. Die Fans wurden erstmals aus ihrem lethargischen Staunen gerissen, als der Chefkoch einen seiner unnachahmlichen Dreier traf und damit einen 11:0-Run initiierte. Die Hoffnung auf ein Comeback noch vor der Pause zerstreute sich jedoch schnell, da die Gegenseite mit einem 16:10-Run kontern konnte.
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"Wir sind viel zu relaxt ins Spiel gestartet", erklärte Kevin Durant nach dem Duell auf der Pressekonferenz. So ist es eben, wenn man die ersten beiden Runden kaum gefordert wird und dann ein Kaliber wie die Spurs auf der Matte steht - eine enorm große Umstellung.
"Wir haben sehr lange gebraucht, um ins Spiel zu finden und um zu erkennen, was heute das richtige Tempo ist", fasste Curry die Lage zusammen. Am Tempo hat es in der ersten Halbzeit allerdings nicht gelegen. Denn es ging äußerst schnell zur Sache, was den Warriors normalerweise in die Karten spielt. Die Spurs hatten aber ebenfalls Spaß daran und konterten jeden Warriors-Run mit einem eigenen.
Pachulia auf Bowens Spuren?
Bis zum dritten Viertel. Da traf Leonard einen Dreier aus der Ecke, genau vor der Ersatzbank seines Teams. Er ging in paar Schritte rückwärts und trat unglücklich auf den Fuß eines Mitspielers - Schmerzen im ohnehin lädierten, linken Fuß. The Klaw biss auf die Zähne und entschied sich, auf dem Court zu bleiben. Eine Entscheidung mit Folgen: Nur eine Sequenz später nahm er einen Jumper über Zaza Pachulia hinweg. Der Warriors-Center machte einen Schritt auf Leonard zu und platzierte seinen Fuß dort, wo der Schütze landete - Bruce Bowen wäre stolz gewesen.
Es kam, wie es kommen musste. Leonard knickte erneut um, ging zu Boden und humpelte - nachdem er die beiden fälligen Freiwürfe versenkt hatte - in die Kabine. Er kam nicht mehr zurück. Zu diesem Zeitpunkt stand es noch 78:55 für sein Team, doch der Gegner hatte nun Blut gewittert.
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Und so kam es, wie es kommen musste. Ohne Leonard (und bekanntlich ohne Tony Parker) verloren die Spurs den Faden. Angeführt von einem emotionalen Draymond Green schafften es die Warriors, die verbleibenden Spurs-Ballhandler so sehr unter Druck zu setzen, dass diese plötzlich die Bälle herschenkten. Allen voran Patty Mills schaffte es nicht, das Spiel zu strukturieren. Zu allem Überfluss wurde Pop auch die Waffe genommen, die in der ersten Halbzeit so erfolgreich war: Das Lowpost-Spiel. Gasol und Aldridge hatten beide große Foulprobleme, sodass gemeinsame Zeit auf dem Court kaum noch möglich war.
Allerdings sah es so aus, als wären die Spurs ohnehin nicht mehr in der Lage gewesen, die Big Men regelmäßig und nach Plan einzusetzen. Ein geordnetes Setplay war gegen plötzlich furios verteidigende Warriors nicht mehr möglich, klassisches Aufposten am Zonenrand gegen das Fronten und Doppeln ebenfalls nicht.
Größtes Comeback seit 15 Jahren
Auf der anderen Seite spielten sich die Dubs in einen Rausch. Plötzlich war nicht nur Curry, sondern auch Durant da. Da Leonard als Gegenspieler ausgeschaltet war, hatte er Mismatch um Mismatch: Aldridge tanzte er regelmäßig aus, über alle anderen warf er einfach drüber. In dieser Form ist er nur schwer zu verteidigen.
So kam es zu einem 18:0-Run der Warriors, die dadurch mit dem Momentum auf ihrer Seite ins letzte Viertel gingen. Dort machten sie dank Clutch-Plays von Curry das Comeback perfekt - einen solch hohen Rückstand hatten in einem Conference-Final-Spiel zuletzt die Boston Celtics 2002 aufgeholt, damals gegen die New Jersey Nets.
Doch es blieb ein fader Beigeschmack. Es ist unvorstellbar, dass die Spurs auch ohne den Ausfall von Leonard derart eingebrochen wären. The Klaw hatte zum Zeitpunkt seiner Verletzung bereits 26 Punkte auf dem Konto und schickte sich an, der große Star des Abends zu werden.
Am Ende blieb nur die Rolle als tragischer Held - und der Buhmann hieß Pachulia. Ob es tatsächlich Absicht war, dass er seinen Fuß in Leonards Landeradius platzierte, weiß nur er selbst. Fakt ist: Der Georgier schaute dem Ball hinterher und nicht der "Flugbahn" von Leonard.
"Zaza kein dreckiger Spieler"
Durant nahm seinen Kollegen auf der PK in Schutz: "Zaza ist kein dreckiger Spieler. Man muss es schon perfekt timen, wenn man das tatsächlich forcieren will. So ein Team sind wir nicht. Wir wünschen Kawhi, dass er wieder fit wird und nächstes Spiel spielt." Auch Green hatte keine Lust, gegen ein Team ohne den Star zu gewinnen: "Man will eine Mannschaft besiegen, die in Bestform antritt", stellte er seine ehrgeizigen Pläne dar.
Leonard selber konnte und wollte nach dem Spiel noch keine Updates geben. Auch vermied er es, seinem Gegenüber Absicht zu unterstellen - er habe "sich das Play nicht noch einmal angeschaut."
Als neutraler Fan wünscht man sich selbstverständlich, dass der amtierende Verteidiger des Jahres schnell zurückkommt. Denn mit ihm auf dem Feld haben die Spurs gezeigt, dass sie mit dem Über-Team aus der Bay Area mithalten und es schlagen können. Eine bereits feststehende Finals-Paarung? Von wegen.
Eines kann die Verletzung aber ohnehin nicht kaputt machen: Dass der Auftakt in die Conference Finals episch war und alles hatte, was Playoff-Basketball ausmacht: Intensität, euphorische Stimmung, viele Runs, spektakuläre Dunks und ständig wechselndes Momentum. Eine tragische Figur gehört zu solch einem Spektakel eben auch dazu - hoffentlich bleibt sie die nur die Geschichte von Spiel 1 und nicht die der ganzen Serie. Denn dann könnte das Spektakel schnell vorbei sein.