Die Houston Rockets sind in sechs Spielen gegen die San Antonio Spurs aus den Playoffs ausgeschieden. Woran hat es gelegen? Was bedeutet das für die Zukunft der Franchise und für das System von Mike D'Antoni? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was war in Spiel 6 mit James Harden los?
10 Punkte, 2/11 FG, 7 Assists, 3 Rebounds, 6 Turnover, 6 Fouls. Spiel 6 war ein Desaster für James Harden. Es kamen bereits Fragen auf, ob der Bart unter Drogeneinfluss spielte, doch wie es aussah, war er einfach erschöpft.
"Ich hatte von Beginn an keinen Rhythmus", sagte Harden: "Ich hatte das Gefühl, ich habe einige Pässe gespielt, aber wir haben die Würfe einfach nicht getroffen." Coach Mike D'Antoni sprach von einer Erkältung, die Harden beeinträchtigt hatte, doch er selbst sagte, es ginge ihm gut.
Harden spielte in der Regular Season 81 von 82 möglichen Spielen und riss dabei im Schnitt 36,4 Minuten pro Partie ab. Nur zwei Spieler kamen insgesamt auf mehr Minuten als Harden mit 2.947. Seine Einstellung zu Regenerations-Pausen erwies sich dabei als ebenso unumstößlich wie kurzsichtig.
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"Ich bin ein Basketballer", sagte Harden im März, als die Diskussion um das berühmte "DNP-Rest" seinen Höhepunkt erreichte: "Ich will nur Basketball spielen und ich mache Pause, wenn ich fertig bin. Ich habe das Gefühl, dass mich meine Organisation und meine Teamkollegen brauchen."
Doch anscheinend hatte er sich zu viel vorgenommen. Harden war in Spiel 6 der mit Abstand langsamste Spieler auf dem Parkett (durchschnittlich 5,4 km/h), noch deutlicher wurde es, wenn man auf die zurückgelegten Meter schaut. Jonathan Simmons lief mehr als Harden - und das, obwohl er sechs Minuten weniger spielte.
"Er muss seine Grenzen verstehen", sagte auch D'Antoni nach dem Aus über Harden: "Alle großartigen Spieler denken, dass sie alles machen können. Vielleicht sollte er aber hier und da mal ein Spiel aussetzen. Es ist etwas, worüber wir reden müssen. Es ist schwierig, denn das ist auch ein Teil seiner Stärke."
Warum hat Houston die Serie verloren?
Gregg Popovich wurde in der Serie einmal mehr seinem Ruf als Taktikfuchs gerecht. Er nutzte die Abneigung der Rockets gegen den Zweipunkt-Wurf und konzentrierte die Verteidigung auf Harden und die Schützen. In Spiel 6 versteifte sich der ausgepumpte Harden allerdings auf Dreier aus dem Dribbling, die fast alle am Ziel vorbeirauschten.
"Wir haben defensiv einen guten Job gegen ihn gemacht", fasste Danny Green zusammen: "Er ist mit 10 Punkten ausgefoult. Er ist schwierig zu verteidigen, aber wir haben es im Kollektiv geschafft. Wir haben kommuniziert, die Schützen im Griff gehabt und in unserer Geschwindigkeit gespielt."
Laut D'Antoni gab es aber immerhin eine gute Sache daran, dass die Rockets das sechste Spiel verloren haben: "Ich muss das Spiel nicht noch einmal auf Video ansehen." Sollte er das wirklich ernst meinen, wird er einen Coach wie Pop niemals schlagen, zumal auf diesem Niveau neben einer starken Offense auch eine funktionierende Defense nicht unbedingt unwichtig ist.
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Genau da liegt der Haken: Zwar waren die Rockets in der Lage, bei den beiden Siegen der Serie einen Plan zu entwickeln, der Aldridge aus dem Spiel und Leonard somit die nötige Unterstützung nahm.
Doch spätestens in Spiel 6 offenbarte sich, dass das Team weder im Eins-gegen-Eins, noch als kollektiv die Fähigkeit besitzt, den selbstlosen Offensiv-Stil der Spurs aufzuhalten. Beim 114:75-Blowout durfte San Antonio 62 Punkte in der Zone generieren (davon nur 6 Fastbreak-Punkte). Und das ohne Leonard und Parker - offener geht es nicht.
Was dieses Dilemma noch verschlimmert hat, war der vorzeitige Ausfall von Center Nene, der sich in Spiel 4 einen Adduktorenriss zugezogen hatte. Nun ist der Brasilianer sicherlich nicht der Ringbeschützer vor dem Herrn, sorgt aber allein durch seine 2,11 Meter für Präsenz in Brettnähe.Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Rockets im siegreichen Spiel 1 nur 32 Punkte in der Zone zuließen, als der 34-Jährige noch dabei war.
Darüber hinaus beeinflusste die Verletzung natürlich auch die Rotation D'Antonis, der in kritischen Momenten offenbar nur wenigen Spielern vertraut. In Spiel 5, das in die Verlängerung ging (!), kamen insgesamt nur sieben Spieler zum Einsatz. Den Vorwurf, dass dies ein Grund dafür gewesen sein könnte, dass das Team in Spiel 6 enorm müde wirkte, muss der Head Coach sich gefallen lassen.
All das hätte kompensiert werden können, wenn die Offense konstant auf dem Niveau abgeliefert hätte, wie es in der Regular Season der Fall war (Rating: 115,3). Dem war aber nicht so - die Ausbeute aus 100 Ballbesitzen sank um 4,5 Punkte, was für ein Team, das offenbar ausschließlich von der Offense lebt, einfach nicht aufzufangen ist.
Wie ist die Rockets-Saison zu bewerten?
D'Antoni beeilte sich, auf der Pressekonferenz thematisch von der katastrophalen Niederlage wegzukommen. Stattdessen wollte er lieber über die Saison im Allgemeinen reden. Verständlich, denn die war außerordentlich.
"Wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht", sagte auch GM Daryl Morey: "Wir lieben diese Mannschaft und haben das Gefühl, dass sie mit einem weiteren Jahr Erfahrung nur noch besser wird."
Mit Harden als Vollzeit-Spielmacher steigerte sich Houston im Vergleich zum Vorjahr um 14 Siege auf eine Bilanz von 55-27, die Offensive lief auf Hochtouren. Mit 115,3 Punkten stellten die Rockets hinter Golden State die zweitbeste Offensivabteilung.
Auch individuell legte der Bart Karriere-Bestwerte in gleich mehreren Kategorien auf. Seine 29,1 Punkte, 11,2 Assists und 8,1 Rebounds waren der Grund dafür, dass er Russell Westbrook im Zweikampf um die MVP-Trophäe Konkurrenz machen konnte. Harden ist zudem der erste Spieler der Liga-Historie, der insgesamt mindestens 2.000 Punkte, 900 Assists und 600 Rebounds in einer Saison gesammelt hat.
"Es ist frustrierend, dass wir verloren haben, besonders, wenn man bedenkt, was für ein großartiges Jahr wir hatten." Neben Harden waren dafür vor allem die Schützen verantwortlich, die Harden mit seinen verbesserten Playmaking-Skills immer wieder einzusetzen vermochte.
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Die Shooter-Fraktion um Ryan Anderson, Eric Gordon, Lou Williams und Trevor Ariza hatte kein Problem damit, die Morey-Philosophie umzusetzen. Dreier und Layups waren die bevorzugten Würfe.
Der vor der Saison verpflichtete Nene erlebte endlich mal wieder eine weitestgehend verletzungsfreie Saison, Clint Capelas Entwicklung sollte die Konkurrenz beunruhigen.
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Gerade von ihm schwärmte Morey in den höchsten Tönen: "Ich werde nicht sagen, dass er mit Sicherheit ein All-Star wird, aber er hat eine Chance. Wenn man sich anschaut, wie er sich verbessert hat, dann kann er das schaffen, vielleicht sogar mehr als das."
Eine ähnlich optimistische Einstellung hatte der General Manager auch zur Jagd auf den Titel: "Unser Ziel ist eine Championship. Normalerweise braucht man dafür mehrere Superstars, heißt es. Aber die Leute sagen immer, dass etwas nicht geht, bevor ein Team etwas Spezielles erreicht."
Ist D'Antonis System zum Scheitern verurteilt?
Der Head Coach des Jahres aus dem Jahre 2005 hat in seiner Ära mit den Phoenix Suns den damaligen NBA-Basketball revolutioniert. Die Erfolgs-Teams von damals setzten auf eine langsame und von Isolations oder der Triangle geprägte Offense, während die Championships sowieso über die Verteidigung entschieden wurden.
Dann kamen die Suns daher und brachten frischen Wind in die Spitzengruppe des Westens. Mit D'Antonis Pace-and-Space-Basketball, in dem jeder schnelle und offene Abschluss ein guter Abschluss ist, entwickelte sich das Team aus Arizona zum Contender.
Der Kader passte nahezu perfekt auf die offensive Ausrichtung: Steve Nash initiierte die Schnellangriffe und sah überall dort Passwege, wo andere nur gegnerische Hände sahen. Überathlet Amar'e Stoudemire rannte unaufhaltsam den Court auf und ab, nahm die Zuckeranspiele von Nash entgegen und dunkte über alles, was sich bewegte. Und dann gab es da ja auch noch Shawn Marion, der mühelos die Positionen eins bis vier verteidigte und mit seiner merkwürdigen Wurftechnik obendrein für Spacing sorgte.
Erfolg gab es jede Menge: In den Spielzeiten 2003/04 und 2006/07 knackten die Suns die 60-Siege-Marke und begeisterten mit ihrer spektakulären Art viele Fans. Nur: In den Playoffs ging es nur einmal bis in die Conference Finals. D'Antonis Siegbilanz in Phoenix betrug in der Regular Season 65 Prozent, in den Playoffs nur 51. Seitdem muss er sich mit dem Ruf herumschlagen, nicht für die Postseason gemacht zu sein.
Diese Diskussionen werden nun erneut angeheizt, da er mit den Rockets erstmals wieder ein Team übernommen hatte, das seinen Vorstellungen entsprach. Spiel 6 gegen die Spurs war also ein gefundenes Fressen für alle Kritiker des "Morey-Balls" (nur Dreier, Layups und Freiwürfe sind effiziente Abschlüsse): Über die vollen 48 Minuten erzielten die Rockets nur 9 Treffer aus dem Zweipunkte-Bereich. Das ist absoluter Negativ-Wert aller Teams, seit es die Shotclock gibt (1954).
Man könnte also sagen: Die Rockets haben genau das umgesetzt, was ihnen vorgegeben wird - und sind kläglich gescheitert gegen ein Team, das nicht so viel von Datenanalysen hält und in LaMarcus Aldridge einen Mitteldistanzwurfspezialisten hat. Dieser war mit 34 Punkten der überragende Mann im Elimination Game und übrigens auch derjenige, der bereits vor zwei Jahren mit den Trail Blazers die Morey-Rockets in der ersten Runde rausgekegelt hatte.
Es ist schwer vorstellbar, dass sich D'Antoni in Houston sein Team dahingehend verbessern kann, dass es noch besser ins System passt. Die Frage, ob seine Ideen (Attraktivität hin oder her) für die Playoffs geschaffen sind, ist also mehr als berechtigt - ohne einen Plan B in der Offense und eine stabile Defense funktioniert es nicht. Auch der Vergleich mit den Warriors, die offensiv fraglos von D'Antoni inspiriert auftreten, verbietet sich: In Golden State wird bekanntlich auch mehr als stark verteidigt.
Was geschieht im Sommer?
Dieses Rockets-Team wurde für die nächsten Jahre zusammengestellt. "Wir werden für eine lange Zeit ein Team mit Contender-Status sein. Das ist, was ich hier erwarte: Langfristig gut zu sein", sagte beispielsweise Eric Gordon, der in der Offseason 2016 verpflichtet wurde. Daran wird auch das Aus gegen die Spurs nichts ändern.
Gleiches gilt für die Philosophie. Mit Morey und D'Antoni hat sich ein Duo gefunden, das nicht nur wunderbar zueinander passt, sondern obendrein fest im Sattel sitzt - wir werden also auch in der nächsten Saison viele, viele Dreier sehen. Mit Harden als "Points Guard".
Großartig viel Spielraum für Umbauarbeiten am Kader gibt es ohnehin nicht. Die komplette Starting Five besitzt noch einen Vertrag bis mindestens Sommer 2018, Sixth Man Gordon steht - genau wie Anderson - bis 2020 in den Büchern.
Von den Spielern, die in der Rotation eine Rolle gespielt haben, wird lediglich Nene zum Unrestricted Free Agent. Der 34-Jährige hat besonders gegen die Thunder seinen Wert bewiesen und wird somit mehr kosten als die 2,8 Millionen Dollar, die es in diesem Jahr waren. Der Brasilianer selbst würde gerne bleiben: "Das Jahr hier hat mir sehr gut getan. Ich habe meine jüngere Version wieder zum Vorschein gebracht und bin sehr glücklich."
Ob mit Nene oder ohne: Dem Front Office werden im Sommer voraussichtlich etwas mehr als 10 Millionen Dollar Cap Space zur Verfügung stehen, um das Team zu verbessern. Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, Defensivspezialisten wie P.J. Tucker hinterherzujagen, der Free Agent wird. Auch der zurzeit verletzte Andrew Bogut könnte einen Gedanken wert sein, sollten sich die Wege mit Nene trennen.
Als Trade Assets stehen einige Zweitrundenpicks zur Verfügung. Entscheiden sich die Verantwortlichen doch, größere Moves einzuleiten, wären Williams oder Ariza Spieler, die das Anforderungsprofil mehrerer Teams erfüllen und in einen Trade involviert werden könnten. Angenommen, beide Verträge verschwinden aus der Payroll (zusammengerechnet rund 15 Millionen Dollar), sollte man Meetings mit hochkarätigen Free Agents (Gordon Hayward, Paul Millsap, Serge Ibaka, Jrue Holiday...) nicht ausschließen.