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"Ich tue jetzt alles für meine Schwester"

Von Jan Dafeld
Isaiah Thomas führte die Boston Celtics mit 31 Punkten zum Sieg
© getty

Trotz eines katastrophalen Starts haben die Boston Celtics gegen die Washington Wizards in Spiel eins der Conference Semifinals die Oberhand behalten. Angeführt wurden die Hausherren dabei von Isaiah Thomas, der trotz seines persönlichen Schicksalsschlags weiter groß aufspielt. Bislang konnte das Team alle Rückschläge verarbeiten. Seine große Flexibilität könnte zu einem Trumpf werden.

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"Wie ist es möglich, dass die Celtics scheinbar überhaupt nicht von Rückschlagen getroffen werden? Es ist mir selbst ein wenig unangenehm, diese Frage zu stellen." Ganz wohl fühlte sich der Reporter des Boston Herald auf der Pressekonferenz nach dem Sieg der Celtics über die Wizards offensichtlich nicht. Doch Isaiah Thomas, an den sich diese Frage eindeutig richtete, lächelte nur, ehe er die Frage beantwortete.

Der Point Guard musste einen Rückschlag ganz anderer Natur als alle seine Mitspieler hinnehmen. Rückstände, Niederlagen, Verletzungen sind eine Sache. Doch Thomas' Situation geht weit über den Basketball hinaus. Unmittelbar vor der Playoff-Serie gegen die Chicago Bulls musste er die Nachricht verarbeiten, dass seine Schwester umgekommen war. Niemand hätte es ihm übel genommen, wenn er in der kommenden Nacht nicht gespielt hätte. Doch Thomas spielte - und führte sein Team letztendlich in die zweite Playoff-Runde.

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"Wenn ich auf dem Feld bin, dann hilft mir das, es treibt mich an", erklärte Thomas also nach Spiel 1. "Ich tue jetzt alles für meine Schwester. Das ist alles, was ich tun kann."

"Wollten sicher nicht mit 0:16 zurückliegen"

Rund drei Stunden zuvor sah es noch überhaupt nicht danach aus, als würden die Celtics am Ende des Spiels einen Grund zum Feiern haben. Die Wizards um Star-Point-Guard John Wall dominierten die Anfangsphase des Matches nach Belieben. Washington kam in die Zone, wie und wann es wollte, erspielte sich mühelos freie Dreier - und wenn ein Wurf dann ausnahmsweise mal nicht saß, dann war da immer noch Marcin Gortat, der seinen Gegenspielern die Rebounds aus den Händen schnappte, als hieße er Moses Malone.

Mit 16:0 setzten sich die Gäste ab, ehe die Fans im im TD Garden erstmals Punkte ihres Teams bejubeln konnten - natürlich durch Thomas. "Wir wollten heute ganz sicher nicht mit 0:16 zurückliegen, doch das ist eben passiert", gab sich der 28-Jährige später pragmatisch. "Wir werden immer weitermachen. Wir wissen, dass es nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen sein kann. Wir spielen immer mit dem Rücken zur Wand."

Ohne Schneidezahn zum Comeback

Im Fall von Thomas konnte ganz besonders nicht von "Friede, Freude, Eierkuchen" die Rede sein. Der sah sich nicht nur einem Horror-Matchup gegen den wohl besten Point Guard der Eastern Conference gegenüber, nach einem Ellbogentreffer von Otto Porter war er auch noch besonders gezeichnet: Thomas verlor einen Schneidezahn. Doch ironischerweise schien genau das die Initialzündung gewesen zu sein, die er und die Celtics gebraucht hatten.

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Thomas hob den Zahn auf, brachte ihn zur Bank und blieb mit blutendem Zahnfleisch im Spiel. Die nächsten zwei Angriffe schloss er jeweils per Dreier ab. Sechs Punkte. Die Wizards-Dominanz war gebrochen.

"Es war eine Mannschaftsleistung"

"Es war eine Mannschaftsleistung. Wir haben nicht aufgegeben, wir haben die Köpfe nicht hängen lassen", äußerte sich Thomas nach dem Spiel bescheiden. "Jeder, vom ersten bis zum letzten Spieler, hat heute seinen Teil zum Sieg beigetragen."

Tatsächlich hatten es die Celtics - wie schon so oft in dieser Saison - geschafft, ihre Stärken als Team auszuspielen. Auch Jae Crowder, Al Horford, Kelly Olynyk oder Marcus Smart nahmen extrem wichtige Rollen auf dem Weg zum Comeback-Sieg der Celtics ein. Doch es war Thomas, der diesen anfangs erst möglich machte.

Wie schon in der Serie gegen die Bulls inspirierte Thomas, der erst um 4 Uhr morgens aus seiner Heimat Tacoma, Washington zurückgekehrt war und in der Nacht kaum eine Minute geschlafen hatte, seine Mitspieler und auch seinen Coach. Am Samstag hielt er eine Grabrede auf seine kleine Schwester, am Sonntag legte er 33 Punkte und 9 Assists auf. "Ich kann mir nicht vorstellen, so mit dieser Situation umzugehen. Es ist unglaublich. Er ist unglaublich", staunte Brad Stevens abermals über die mentale Stärke seines All-Stars.

Flexibilität als große Stärke

"Die Playoffs sind die Zeit der Superstars." Es ist ein Klischee, das doch irgendwie Jahr für Jahr wieder bestätigt wird. Auch die Celtics sind davon nicht ausgenommen. Mit Thomas und Horford zauberten die einzigen beiden Stars des Teams echte Monster-Statlines aufs Parkett.

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Und dennoch: Auch gegen die Wizards zeigte sich erneut, dass die große Stärke der Celtics in den Playoffs nicht weniger wertlos sein muss. Nachdem die Starter der Celtics anfangs fast aus der Halle geschossen wurden, war es Kelly Olynyk, ein Rollenspieler, der Boston - zusammen mit Thomas - zurück ins Spiel brachte. Stevens' Entscheidung, in Halbzeit zwei auf Marcus Smart statt auf Gerald Green im Starting Lineup zu setzen und damit noch mehr auf Small-Ball zu setzen, erwies sich als Geniestreich.

Zweifelsohne spielte den Celtics die frappierend schwache Bank der Wizards, die durch den Ausfall von Markieff Morris zusätzlich geschwächt wurde, in die Karten. Doch während andere Teams auf die Genialität ihrer Stars vertrauen, konnte Boston auf seine hohe Flexibilität setzen - und auf die Kreativität seines Coaches.

Weitere Rückschläge werden folgen

Allzu vorschnell sollte man trotz allem noch keine Lobeshymnen auf die Celtics anstimmen. Auch während des Siegs über die Wizards entblößte das Team noch Schwachstellen. Mit der Rückkehr von Morris, der sich trotz seines schmerzenden Knöchels bereits für Spiel 2 angekündigt hat, sollten die Karten in der Serie wieder neu gemischt werden.

Boston muss sich in den kommenden Spielen also auf weitere Rückschläge einstellen. Angst und bange sollte dem Team dadurch aber auf keinen Fall werden. "Es kann nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen sein", sagte Thomas. Aus seinem Mund hörte es sich beinahe zynisch an. Doch er muss es besser wissen als jeder andere.

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