Langweilig? "Dem ist nicht mehr zu helfen"

Thorben Rybarczik
09. Mai 201711:45
Die Golden State Warriors feierten zwei Sweeps gegen Utah und Portlandgetty
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Ist die Liga langweilig geworden? Angesichts der Dominanz der Cleveland Cavaliers und Golden State Warriors werden Stimmen laut, die das behaupten. Doch ist dem wirklich so? Zwei SPOX-Redakteure diskutieren.

Von Robert Arndt

Zwei Teams mit einer Bilanz von 8-0 in den Playoffs? Das gab es noch nie. Speziell wie die Warriors im stets so hoch gelobten Westen durch die Postseason pflügen, sollte viele Verantwortliche in der Liga nachdenklich stimmen. Zwar kann damit argumentiert werden, dass sowohl Portland als auch Utah in den Serien Schlüsselspieler abgingen (Nurkic, Hill), doch seien wir ehrlich: Golden State wäre auch so turmhoher Favorit gewesen und hat noch nicht einmal sein volles Potenzial ausgeschöpft. Ein kleines Stat-Nugget: Paul Zipser hat in den Playoffs mehr Minuten als Steph Curry gespielt (37 zu 32 Minuten).

Kevin Durant ist sicher noch nicht bei 100 Prozent und dennoch erlegt er mit 38 Punkten in Spiel 3 spielerisch eine hoch gelobte Utah-Defense, da um ihn herum so viele Klassespieler stehen, dass ein Doppeln noch schlimmer enden würde. Vermeide die Pest, wähle Cholera, denn irgendwo am Perimeter lungern schließlich noch recht solide Schützen wie Curry oder Klay Thompson.

Wir erleben ein Star-Ensemble mit vier der besten 20 Spieler der Liga. Bei insgesamt 450 Akteuren ist dies unglaublich viel und spiegelt eher die freie Marktwirtschaft als das eigentlich doch so auf Chancengleichheit basierende System der NBA wider. Die Warriors müssen auch gelobt werden. Sie haben einen guten Kern gedraftet und packten die Möglichkeit des steigenden CBA beim Schopfe, um sich KD zu sichern.

Dennoch deutet sich das an, was viele Fans im Westen befürchtet hatten und Gift für aufregende Playoffs ist. Dieses Team, so wie es zusammengestellt ist, kann von 97 Prozent der Liga nicht viermal verteidigt und geschlagen werden.

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Die restlichen drei Prozent Hoffnung sind in Ohio, genauer gesagt Cleveland, beheimatet. Der Champion dominiert zwar nicht im gleichen Ausmaß den Osten, kann aber dank LeBron James scheinbar mühelos im entscheidenden Moment einen Gang hochschalten und auch mal eben die Toronto Raptors auseinandernehmen, die ihr Roster voll auf eine Serie mit den Cavs ausgerichtet hatten.

Bezeichnend die Aussagen von Kyle Lowry, der schon die weiße Fahne hisste, während (!) die Serie noch am Laufen war. So spielt es nun auch keine Rolle, ob die Cavs nun als Topseed oder als Fünfter in die Conference Finals gehen. Die Regular Season verkommt so zu einer verlängerten Testspiel-Phase. Dass darüber hinaus auch noch Spieler wie Deron Williams zum Minimum anheuern, um eine Chance auf einen Ring zu haben, lässt das Gleichgewicht komplett aus den Fugen geraten.

Glaubt denn ernsthaft jemand, dass die Wizards oder Celtics mehr als zwei Spiele gegen diesen Jauggernaut gewinnen können, auch mit dem Hintergrund, dass diese sich womöglich über sieben Spiele alles abverlangen, während man in der Bay Area und in Ohio grinsend auf der Couch sitzt?

Auch auf der anderen Seite des Brackets darf diese Frage gestellt werden, wodurch die dritte Finals-Auflage zwischen den Warriors und Cavs vorprogrammiert scheint. Sicher, das wird ein echtes Spektakel und tolle Werbung für die Liga, doch hätte es dafür wirklich acht Monate, 82 Spiele der regulären Saison und drei Playoff-Serien gebraucht?

Von Thorben Rybarczik

Wie du es schon richtig sagst, Robert: Die dritte Finals-Auflage zwischen den Warriors und Cavs wird ein echtes Spektakel. Und ich bin mir sicher: Auch diejenigen, die sich lauthals über die vermeintliche Langeweile aufregen, wissen innerlich: Eine andere Finals-Paarung wäre das, was wirklich für kollektives Gähnen sorgen würde.

Mal angenommen, die Wizards und Celtics würden es tatsächlich schaffen, die Cavs zu besiegen (*hust*) - was wären das denn für Finals? Es wäre wie David gegen Goliath mit dem erwarteten Ausgang und eine Championship, die stets mit dem Nebensatz "aber hätten sie gegen Cleveland im Finale gespielt..." versehen wird. Umgekehrt wäre es übrigens genau das gleiche.

Und es stimmt auch nicht, dass es zum ersten Mal in der Liga-Geschichte so wäre, dass man schon vor Beginn der Playoffs eine Ahnung davon hat, wer in die Finals kommt. Man muss gar nicht besonders weit in die Vergangenheit zurückblicken: Die Lakers um Shaqobe besaßen am Anfang des Jahrtausends ein Finals-Abo, die Bulls waren es in den 90ern (sofern MJ nicht gerade die Keule geschwungen hat).

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Lediglich, dass es in beiden Conferences ein Team gibt, das unantastbar erscheint, ist ein neues Phänomen, denn dreimal hintereinander dieselbe Finals-Paarung gab es noch nie. Aber was soll's? Von solchen Geschichten, Rekorden und Rivalitäten lebt doch der Sport.

Darüber hinaus ist es doch keineswegs langweilig, beobachten zu dürfen, wie ein Super-Team, das vorher schon super war, ein weiteres Alpha-Tier wie Durant problemlos integriert. Und am Ende der Regular Season dessen Verletzung problemlos auffängt, nur um den Prozess in der Postseason wieder in Gang zu setzen - und das alles ohne den erkrankten Head Coach Steve Kerr.

In der anderen Himmelsrichtung gab es bei den Cavs auch genügend Stoff. Vor der ersten Runde wurde wieder fleißig diskutiert, ob es diesmal nicht sein könne, dass LeBron und seine Leute nicht in der Lage sein werden, den Schalter einfach so umzulegen. Dass das Finals-Abo von James eventuell doch ausläuft, der Mann wird schließlich auch nicht jünger.

Alles Pustekuchen - denn auch mit 32 Jahren ist es spannend zu beobachten, wie er offenbar von Jahr zu Jahr besser wird und Playoff-Zahlen aus dem Fabelbuch auflegt (wird er doch noch zum Scharfschützen?). Wer sich dabei langweilt, zu beobachten, wie einer der besten Spieler aller Zeiten sein Erbe aufbaut und dabei ein Team nach dem anderen vernascht, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

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Klar, vielleicht hätte man sich etwas mehr Gegenwehr gewünscht, gerade von den Raptors. Aber wer offene und spannende Serien sehen will, wird auch dieses Jahr fündig: Die Jazz und Clippers bestritten ein Spiel 7, James Harden und Russell Westbrook lieferten sich ein individuelles Superstar-Duell, die Celtics und Wizards sind gerade dabei, eine neue Rivalität zu etablieren und bei den Spurs und Rockets treffen zwei völlig unterschiedliche Spielphilosophien aufeinander.

Wer sich da noch langweilt, der hat - beste Grüße an Rudi Völler - die NBA nie geliebt.

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