Der trockene Humor von Gregg Popovich ist weit über die Grenzen von Texas hinaus bekannt, doch seine Worte nach dem Spiel waren vermutlich die Untertreibung des Jahrhunderts. "Wir haben Kawhi gegen James gestellt, weil er ein guter Verteidiger ist." Da konnten sich selbst die anwesenden Journalisten trotz der laufenden Aufnahmegeräte lautes Lachen nicht verkneifen.
Vom ersten Angriff an nahm sich Leonard in Spiel 2 der Defensivaufgaben gegen Harden an, die wichtigste Änderung im Vergleich zu Spiel 1, in dem die Rockets kurzen Prozess mit San Antonio gemacht hatten. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei war, dass es Houston gelang, Leonard komplett aus dem Geschehen in der Defensive herauszuhalten.
In der Ecke gefangen
Die Marschroute von Mike D'Antoni war klar: Die Konfrontation mit dem besten Flügel-Verteidiger der Liga um jeden Preis vermeiden. Lediglich drei Mal gingen die Rockets ins Dribbling, wenn Kawhi der On-Ball-Defender war.
In allen anderen Halfcourt-Angriffen zog Ryan Anderson Kawhi möglichst weit von der Action weg, sodass Leonard nicht einmal als Help-Defender eingreifen oder die Passwege mit seinen flinken Fingern stören konnte. Stattdessen musste er den gefährlichen Distanzwurf des Rockets-Forwards respektieren und zumindest in Reichweite zur äußersten Ecke des Feldes bleiben.
Scherzhaft, aber dennoch treffend formulierte Anderson nach der ersten Partie: "Wenn Kawhi mich das gesamte Spiel über verteidigen will, dann werde ich fast im Aus stehen, um James ein bisschen mehr Freiraum zu geben." Dass Anderson dank Kawhis Bewachung nur 4 seiner 12 Würfe traf, wird weder ihn noch D'Antoni gestört haben. Denn das Konzept der defensiven "Kawhisolation" ging voll und ganz auf.
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Die Reaktion funktioniert
Popovich reagierte in Spiel 2 und stellte sein Defensiv-Schema um, obwohl er sich die Trumpfkarte Kawhi gern ein wenig länger aufgespart hätte. Dazu kommt das Dilemma, dass er es sich eigentlich nicht leisten kann, wenn sich Leonard gegen Harden mehrere frühe Fouls einfängt. Doch sein bester Schützling enttäuschte ihn nicht.
Leonard hatte sich im Bart von Harden festgebissen und kämpfte sich an unzähligen Screens vorbei, um an ihm dran zu bleiben. Auch im Eins-gegen-Eins konnte Harden Leonard dank exzellenter Defensivarbeit nicht abschütteln. Die aus der Sicht von Popovich beste Statistik des Spiels: In 38 Minuten handelte sich Kawhi nicht ein einziges Foul ein.
Ok, vielleicht mögen dem Spurs-Urgestein auch noch die folgenden Zahlen gefallen haben: Nach der ersten Hälfte stand Harden lediglich bei 3 Punkten und 4 Assists, am Ende waren es 13 Zähler bei 3 von 17 aus dem Feld nebst 10 Vorlagen.
In den wenigen Angriffen, in denen die Spurs Abstimmungsprobleme in der Rückwärtsbewegung offenbarten oder Switches von LaMarcus Aldridge oder Tony Parker erzwangen, nutzte Harden die Mismatches gnadenlos aus. Doch es blieb die Ausnahme. In der Regel wurde er von Leonard verteidigt. Und dominiert.
Darf's noch ein bisschen Offense sein?
Doch es wäre ja nicht nur so, dass Leonard dem Spiel defensiv seinen Stempel aufgedrückt hätte - der Schriftzug Kawhi prangte auch quer über der Hälfte der Rockets. Denn während er den wohl besten Offensivspieler der Liga komplett aus der Partie nahm, regelte er parallel auch die Abteilung Attacke.
Wie in der Defensive lag San Antonios Schwerpunkt auch in der Offense auf Harden. Die Spurs brachten ihn oft in die Position, in der Verteidigung rotieren oder helfen zu müssen. Und wie es Pop geplant hatte, war der Bart meist zu spät. Das verschaffte Gegenspieler Danny Green den nötigen Freiraum, um entweder direkt abzuschließen (12 Punkte, 5/7 FG) oder zum Korb zu ziehen. Die daraus entstehende Vorteilsituation in Punkte umzumünzen, fiel weder Aldridge noch Parker geschweige denn Leonard schwer.
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Die abartige Effizienz (13/16 FG), mit der "The Klaw" seine 34 Punkte auflegte, trieb Houston zur Verzweiflung. Müdigkeit? Fehlanzeige. Sein Beitrag zum entscheidenden 15:0-Run im vierten Viertel: ein driving Finger-Roll, ein Floater and one und ein Pullup-Dreier. Die 7 Rebounds, 8 Assists (Career High) und 3 Steals seien der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt.
Als das letzte Mal ein Spieler in den Playoffs eine solche Statline bei mehr als 80-prozentiger Trefferquote aufgelegt hat, schrieben wir das Jahr 1991. Der Name des Spielers: Michael Jordan.
Dennoch im Hintertreffen
Popovichs Move, Kawhi gegen Harden zu stellen, war notwendig - nach der Pleite in Spiel 1 war es quasi ein Do-or-die-Match für die Spurs. Doch der Heimvorteil ist dennoch dahin.
Das 1-1, das die Rockets mit zurück ins heimische Toyota Center nehmen, ist erst einmal ein Erfolg für Houston. Allerdings müssen D'Antoni und seine Assistenten nun eine Antwort auf Pops letzten Zug finden.
Die Knieverletzung von Tony Parker, der im dritten Viertel vom Feld getragen werden musste, scheint zum Leidwesen der Spurs schwerwiegend zu sein. Es ist unwahrscheinlich, dass der Franzose in Spiel 3 in der Nacht auf Samstag mitwirken kann.
Eine neue Herausforderung für Pop, doch im Schachspiel der Systeme, Matchups und Anpassungen ist niemand besser als er. Seine Lösung für dieses Problem liegt dabei auf der Hand.
... und das auch noch parallel
Da Einser-Backup Patty Mills zwar ein guter Shooter, aber nicht der beste Spielmacher ist, wird Kawhi vermutlich auch noch das Strippenziehen im Setplay übernehmen. Aber im Prinzip ändert auch das nichts. Leonard kann alles - und das auch noch parallel.
"Wir verlangen eine Menge von ihm", kommentierte Popovich die historische Leistung von Kawhi gewohnt emotionslos: "Großartige Spieler tun so etwas."
Oder wie Yoda sagen würde: "Die Macht mit ihm ist."