Knackpunkt Drake
Über Sinn und Unsinn dieser Veranstaltung lässt sich durchaus streiten. Dies fing schon mit dem Host an. Rapper Drake war aber für die NBA eine logische Besetzung, das Beste aus zwei Welten. Schließlich kennt jedes kleine Kind diesen Sänger, der mit dezent weinerlicher Stimme nicht verstehen kann, wieso ein Girl ihn nicht zurückruft.
Deswegen hat der gute Drake auch hin und wieder Zeit, mal ein Basketball-Spiel zu besuchen. Und eines musste man ihm lassen: Er ist durchaus charmant und konnte auf der großen Bühne in Teilen auch punkten - teilweise auf Kosten Anderer.
"Glückwunsch an die Golden State Warriors. Sie sind ein tolles Team, das mit Matt Barnes zusammenspielt", war nur eine Kostprobe. Auch die Balls bekamen ihr Fett weg: "Markelle Fultz hat erzählt, dass er kurz davor war, einen Schuhdeal bei Big Baller Brand zu unterschreiben. Als er gefragt wurde, wieso es doch anders kam, meinte er nur: ‚Ich ging ans College'."
LaVar Ball ist omnipräsent
Allerdings war einem LaVar Ball schon immer egal, was andere Leute denken. Dies bestätigt sein neuster Auftritt: An der anderen Küste in Los Angeles trat der verrückte (?) Vater zusammen mit seinen Söhnen bei WWE Raw auf (genau, beim Wrestling).
Da der gute Lonzo wegen seines anstehenden Vertrags wahrscheinlich nicht mal Fahrrad fahren darf (ein Baller fährt eh Limo), sprang LaVar heldenhaft ein. Mit tänzelnder Leichtigkeit raste er die "Gangway" runter zum Ring, enterte diesen mit einem Hechtsprung und riss sich dann auch noch das Shirt vom Leib.
Was dann allerdings für Moves folgten, dafür fehlen dem Schreiberling jegliche Adjektive. Wir begnügen uns mit dem Begriff "interessant" und lassen die Bilder für sich sprechen. Muss manchmal auch reichen.
Russ entert die Bühne
Irgendwann ging es dann auch um das, was im Mittelpunkt stehen sollte: Die Vergabe der NBA Awards. Den dicksten Fisch im Trophäen-Teich staubte Russell Westbrook ab, der sich doch recht deutlich mit 888:753 Punkten vor James Harden durchgesetzt hatte.
Als Russ also auf die Bühne ging, um sein Gerät in Empfang zu nehmen, steckte er direkt in einem Dilemma: Gleichzeitig den Zettel für die Dankesrede rausholen und die Trophy festhalten funktioniert nicht. Also kam Commissioner Silver angetänzelt und nahm Russ das gute Stück wieder weg - temporär, versteht sich.
Anschließend präsentierte sich Russ so, wie man ihn auf dem Feld eigentlich nicht kennt: ruhig und gefasst. Er bat seine Teammates nach oben, dankte jedem einzelnen und ging dann zu seiner Familie über, wobei er dann doch die ein oder andere Träne nicht verdrücken konnte. So hält man Reden.
Und eine Erkenntnis lieferte Russ obendrauf: Sein Lieblingswort ist ohne Zweifel "guys".
Dirk Nowitzki ist ein Teamplayer
Der Mann, der Mythos, die Legende! Während ein Russell Westbrook mit einem billigen MVP-Award abgespeist wurde, bekam der Dirkster die sagenumwobene Twyman-Stokes Trophäe. Endlich mal eine richtige Auszeichnung. Während Russ von ahnungslosen Journalisten (aus diesem Grund hatten wir keine Stimme) zum wertvollsten Spieler gewählt wurde, bekam Dirk den Respekt der ganzen Liga.
Richtig gehört, die Spieler wählen diesen Award, ergo ist es ein heimlicher MVP-Titel. Dass auf der Liste dann Namen wie Mike Miller, Udonis Haslem und Jason Terry auftauchen, verunsichert uns mit dieser These auch nicht.
Was für ein guter Mitspieler der Dirk ist, zeigte sich auch wenige Minuten, nachdem er die tonnenschwere Trophäe hinter die Bühne geschleppt hatte (Mensch, der arme Mann ist 39, also ein halber Phil Jackson). Kein Feierabend für Dirk, stattdessen musste der Arme mit irgendeinem Model (in seltsam glitzernden Farben) wieder antanzen und eine Laudatio auf einen Griechen halten, der die Frechheit besaß, gar nicht zu erscheinen.
Ach, und bevor wir es vergessen: Den Spruch des Abends lieferte das 7-Foot-Schnitzel standesgemäß auch noch: "Ich glaube nicht, dass ein einziger meiner Mitspieler für mich gestimmt hat." Teammate of the Year eben.
Nicki Minaj auf ihrem Bett
Wie es sich für eine echte Award-Show gehört, gab es natürlich auch ein wenig Musik. Nachdem sich DJ Diesel mehr schlecht als recht anstellte, mussten echte Profis ran. TNT versprach eine sensationelle Performance und alle NBA-Nicki-Minaj-Fans wurden nicht enttäuscht.
Knapp bekleidet wurde die Sängerin auf einer Sänfte in Form eines Betts auf die Bühne transportiert. Dafür waren zahlreiche Helfer notwendig, um das kolossale Hinterteil an die richtige Stelle zu verfrachten.
So wirklich glücklich wirkte die Diva allerdings nicht. Missmutig blickte sie drein. Hatte der Schlingel Drake etwa den Spieß umgedreht und stattdessen diesmal selbst nicht angerufen? Dieses Rätsel konnte leider nicht gelöst werden. Dafür musste sich Madame Minaj mit dem Trostpreis zufrieden geben. Ein Typ mit rotem Anzug, in Insiderkreisen Doppelkette genannt, durfte nämlich auch mithampeln.
Die fragwürdigste Hose aller Zeiten?
Wenn über das Outfit von Nicki Minaj gesprochen wird, dann müssen auch die Outfits von den anwesenden Spielern thematisiert werden. Dirks Anzug war ja noch akzeptabel, auch der sonst eher nicht so auf dezente Kleidungsmethoden stehende Russell Westbrook blieb mit schlichtem Hemd plus Krawatte brav.
Das war es dann aber auch schon mit gutem Geschmack - denn allen voran Draymond Green schoss den Vogel ab. Als wäre sein türkis-glänzendes Sakko nicht schon genug, trug er unten rum enge Shorts, die gerade so über die Knie reichten. Doch es wird noch besser: An den Füßen hatte er sich für lässige Schlappen mit Piratenkopf entschieden. Vieles spricht dafür, dass er sie Riley Curry geklaut hat.
Der King regiert woanders
Ja, wo gibt's denn sowas? Die Liga zelebriert sich selbst und der König persönlich (Eko-Fresh-Voice) ist nicht dabei? Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Noch ein paar andere Beweismittel dafür: LeBron James bekam lediglich einen First Vote für den MVP (Westbrook erhielt 69).
Umso interessanter ist, dass der König mehrere Stimmen für das All-Defense Team des Jahres bekam. Ein Journalist wählte ihn gar ins erste Team. Warum auch nicht? Aber ganz ehrlich: Wenn der Bulls-GM eine Stimme zum Executive of the Year bekommt, kann das alles nicht so richtig sein. Hätte nur noch gefehlt, dass ein Typ aus dem Front Office der Knicks eine Stimme bekommen hätte.
Wo war eigentlich Woj?
Habt ihr auch etwas vermisst an diesem Abend? Nein? Wirklich nicht? Denkt nach, kommt schon. Aaahh, jetzt macht es klick. Adrian Wojnarowski, dieser unausstehliche Typ, der jeder Draftnacht mit seinen verdammten Spoilern die Spannung aus der Veranstaltung nimmt, hielt die Finger still.
So kam doch tatsächlich so etwas wie Spannung auf. Wo der gute Woj genau steckte, ist unklar. Laut Informationen von Adrian Wojnarowski von The Vertical soll Adrian Wojnarowsi in einem dunklen Hinterzimmer Gespräche mit ESPN geführt haben. Der Wechsel soll am 1. Juli stattfinden.
So ganz glauben wir das nicht. Woj schafft es zum Draft auch, seine eigene Show auszustrahlen und uns nebenbei zu nerven. Eher ist ihm das Smartphone ins Klo gefallen (ein Zweites hat er bestimmt nicht) oder der Akku hat schlapp gemacht (einen Ersatz oder Charger hat er bestimmt nicht).
Monty Williams als Höhepunkt
Zum Schluss noch etwas abseits aller Ironie. Wenn die Liga etwas beherrscht, dann den Umgang mit ihren Legenden und Protagonisten. Allein die unstrittige Entscheidung, in Bill Russell den größten Champion der Liga sowie einen Mann, der viel für die Bürgerrechte von Afroamerikanern tat, für sein Lebenswerk auszuzeichnen, ist eine tolle Geste und Beweis für die offene Bekämpfung gesellschaftlicher Probleme. Keine amerikanische Liga engagiert sich hier wie die NBA. Selbst Commissioner Adam Silver nahm zuletzt an einer Demo für Gleichberechtigung teil.
Doch das absolute Highlight war der bewegende Auftritt von Monty Williams, der mit dem Sager Strong Award ausgezeichnet wurde. Er erhielt das kunterbunte Jackett, welches Kult-Reporter Craig Sager bei seinem letzten Auftritt bei den ESPYs getragen hatte, bevor er an Krebs verstarb. Mit Williams wurde ein würdiger erster Preisträger gefunden. Der Ex-Coach der Pelicans verlor seine Frau bei einem schweren Autounfall. Bei all dem Glamour der Show waren es Momente wie diese, die dem Abend mehr als nur eine Berechtigung verliehen.
Die letzten Worte an dieser Stelle gehören darum Monty Williams - und zwar genau so, wie er sie an uns und vor allem an seine anwesenden Kinder gerichtet hat. Alles andere würde ihm nicht gerecht werden.