Die Cleveland Cavaliers haben es nicht geschafft, ihren Titel zu verteidigen. Vorzuwerfen haben sie sich kaum etwas - und genau das macht es für LeBron James und Co. so bitter.
LeBron James war der erste, der Kevin Durant - als das Spiel offiziell noch lief - zum Titel gratulierte. Er umarmte seinen Kontrahenten intensiv am Mittelkreis und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr.
Im Moment der Niederlage zeigte James Größe. Diese Eigenschaft hat er sich inzwischen angeeignet - und zeigt, dass er seit den Finals 2011 viel, viel reifer geworden ist. Und besser. Denn das, was er auch im fünften Spiel der Finals 2017 zeigte, war vom anderen Stern.
Als das Spiel auf die Zielgerade einbog, holte James seine letzten Pfeile aus dem Köcher und tankte sich mehrfach durch zum Ring, wo er energisch abschloss. Da Kyrie Irving mittlerweile nichts mehr traf, war LeBron der Alleinunterhalter - obwohl er eigentlich hätte müde sein sollen, nachdem, was er schon in den Spielen zuvor gezeigt hatte.
Doch klammert man ein paar Defensiv-Sequenzen aus, war davon nichts zu sehen. 41 Punkte sammelte er ein, dazu kamen 13 Rebounds und 8 Assists. Für ein Triple-Double hat es also nicht gerecht - in diesem Spiel. In der Serie sieht das anders aus: Mit 33,6 Punkten, 12,0 Rebounds und 10,0 Assists hatte er das geschafft, was vor ihm noch nie ein NBA-Spieler geschafft hat. Mal wieder.
LeBron James: "Es kann nicht immer reichen"
"Ich tue alles, was in meiner Macht steht, damit unser Team gewinnt. Ich arbeite immer hart, ob im Fitnessstudio oder im Video-Raum - damit mein Körper und mein Kopf zu jedem Zeitpunkt bereit sind. Aber kann das immer reichen, um zu gewinnen? Nein. Zwei der letzten drei Finals haben wir verloren", erklärte James hinterher auf dem Podium.
Der Gegner war diesmal einfach zu gut. Um das zu erkennen, reicht ein Blick in das Statistikbuch: 120 Punkte als Team. 53 Prozent aus dem Feld. 45,8 Prozent von der Dreierlinie. Nur ein Turnover mehr als die Gegenseite. All das klingt großartig - und trotzdem sind es die Stats des Verlierers.
So etwas erlebten die Cavs nicht zum ersten Mal in den diesjährigen Finals. Schon in Spiel 3 spielten sie am Limit - und verloren dennoch. In Spiel 4 gingen sie dann über dieses Limit hinaus - und schafften das eine, perfekte Spiel, das es für einen Sieg gegen dieses Überteam gebraucht hat. Aber Perfektion lässt sich nun einmal nur äußerst selten wiederholen.
Kyrie Irving geht die Puste aus
Das gilt auch für Kyrie Irving, der nach seiner Gala in Cleveland eigentlich gut ins Spiel kam, dann aber den Faden verlor. Im letzten Viertel, in dem die Cavs noch realistische Chancen auf den Sieg hatten, gelang ihm kein einziger Punkt mehr. 0/6 Treffer aus dem Feld seine Bilanz im Schlussabschnitt. Die atemberaubende Defense von Klay Thompson zeigte Wirkung. Der Splash Brother hatte Uncle Drew schon in den Spielen zuvor stark verteidigt, musste aber einen Haufen nahezu unmöglicher Treffer einstecken. Das konnte praktisch gar nicht so weitergehen.
Trotzdem ist es natürlich nicht einfach für die ehrgeizigen Cavs, mit der Niederlage umzugehen. Das sah man vor allem Irving an, der bei der Pressekonferenz nach dem Spiel seine Cap so weit heruntergezogen hatte, dass man die Augen nicht sehen konnte. Zuvor in der Kabine war es emotional geworden: "Viele der Spieler haben geweint, da sie den Titel so sehr wollten. Aber so ist das: Wenn man all sein Herzblut einem Ziel unterordnet, heißt das nicht automatisch, dass man gewinnt. So ist Sport. Und manchmal ist er halt hart", erklärte Head Coach Tyronn Lue.
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Wer selbst schon einmal auf einem halbwegs ordentlichen Level Sport betrieben hat, weiß, dass sich solche Niederlagen am bittersten anfühlen: Man macht vieles richtig, ist phasenweise auf Augenhöhe, kämpft, rennt, kommt zurück in ein Spiel nachdem der Rückstand uneinholbar war. Und trotzdem reicht es nicht.
"Kein Grund, den Kopf hängen zu lassen"
Es fühlt sich deshalb so bitter an, weil man keinen Schuldigen findet - nicht im Coaching-Stab, nicht bei den Kollegen, nicht bei sich selbst. Der Gegner war einfach besser. "Es ist einfach so bei ihnen: Man muss nur einen halben Fehler gegen sie machen und wird sofort dafür bestraft", fasste J.R. Smith das Dilemma seines Teams zusammen.
Was bleibt den Cavs also nach der Saison? Veteran Richard Jefferson hatte vor dem Spiel gesagt, dass die Saison ohne Titel "nichts wert" sei. Gerade für einen Titelverteidiger ist dieser Anspruch typisch.
Nun wird es für die Cavs darum gehen, Lehren aus der Niederlage zu ziehen - so, wie es die Warriors nach der Niederlage 2016 getan haben. Einfach wird das nicht, da der Spielraum im Sommer begrenzt ist. Doch zumindest kann man mit der Gewissheit planen, dass der Graben zu den Dubs nicht riesig zu sein scheint - bis auf die Spiele 1 und 2 waren die jeweiligen Angelegenheiten offen.
Es bleibt also das Fazit, dass die Cavs die Finals-Bühne als stolze Verlierer verlassen dürfen. "Ich habe in der Serie alles gegeben, was ich hatte", sagt auch LeBron James. "Deshalb habe ich keinen Grund, meinen Kopf hängen zu lassen. Wir werden wieder angreifen."