Gemeinsam mit Timofey Mozgov und seinem albernen Vertrag wurde Russell am 22. Juni zu den Nets getradet, nicht einmal ganz zwei Jahre, nachdem ihn die Lakers an 2. Stelle gedraftet hatten. Dafür wanderten Brook Lopez sowie der No.27-Pick (Kyle Kuzma) in die Stadt der Engel.
Die Lakers fädelten das Geschäft ein, um den Mozgov-Deal loszuwerden - Lopez' Vertrag läuft im Sommer aus, es ist dann also Kohle da, um prominente Free Agents wie LeBron James oder Paul George damit zuzuschütten. Gleichzeitig gab die Franchise aber auch den Spieler auf, der noch vor der letzten Saison zum Aushängeschild aufgebaut werden sollte. Dies soll nun Lonzo Ball übernehmen.
"Wir brauchten einen Leader. Jemanden, mit dem andere Spieler auch zusammen spielen wollen", erklärte Lakers-Präsident Magic Johnson die Entscheidung pro Ball. Russell? Auf den treffen diese Kriterien offensichtlich nicht zu. Der immer noch erst 21-jährige Guard darf sein Glück nun in Brooklyn suchen. Bei der Lachnummer der Liga, so tief im Keller, dass sich selbst Jame Gumb unwohl fühlen würde.
Szenenwechsel war nötig
Man könnte jetzt Trübsal blasen. Während die Lakers aufgrund ihrer Strahlkraft sowieso immer eine gewisse Relevanz haben (und vielleicht bald sogar sportlich wieder relevant sind!), sind die Nets nicht einmal in Brooklyn das Team Nummer eins - und aufgrund des katastrophalen Trades mit Boston ist auch der Weg zu sportlichem Erfolg ungleich komplizierter. Die schwere Verletzung von Jeremy Lin, der die komplette Saison verpassen wird, hat dies sogar noch verstärkt. Die (wenigen) Menschen, die Brooklyn die eine oder andere Überraschung zugetraut hatten, sind durch diese Nachricht schnell wieder verstummt.
Erwartungen gibt es nicht an dieses Team, weder für dieses Jahr, noch für das darauffolgende. Und die einzige Möglichkeit, zumindest interessant zu werden, besteht in Trades wie dem für Russell - man bekommt ein junges Talent und schluckt dafür miese Verträge anderer Teams wie den von Mozgov. Im Fall von Allen Crabbe sind das Talent und der miese Vertrag sogar in einer Person vereint.
Für diese Spieler kann man diese Situation gleichzeitig aber auch als große Chance betrachten. Im System von Coach Kenny Atkinson gibt es mehr als genug Möglichkeiten, sich auszuzeichnen, und auch das Schattendasein, das die Nets fristen, muss nicht nur negativ sein. Gerade für Russell; abgesehen von vielleicht Carmelo Anthony hatte kein NBA-Spieler den Szenenwechsel dringender nötig als DLo.
Zwischen Abschiedstour und Snapchat-Skandal
Es wirkt nahezu unmöglich, dass Russell erst zwei Jahre in der NBA spielt. In dieser kurzen Zeit erlebte er Byron Scott, den vielleicht schlechtesten Coach für junge Spieler in der gesamten Liga. Er erlebte die Abschiedstournee von Kobe Bryant aus nächster Nähe und lernte dadurch, dass Zirkus manchmal wichtiger ist als das Spiel an sich.
Gerade die Situation mit Bryant war für Russell mit Sicherheit nicht leicht. Einerseits sollte er dessen "Nachfolger" werden, andererseits wurde er bei jeder Gelegenheit daran erinnert, was er durfte und was nicht. Ein absurdes Beispiel: Als Russell bei Twitter schrieb, Tracy McGrady sei vielleicht der "GOAT" gewesen, bekam er nicht nur sofort von Lakers-Fans zu hören - sondern auch von Kobe selbst.
Nie die richtige Rolle gefunden
Es war sicherlich nicht leicht für einen der jüngsten NBA-Spieler. Zumal er sich bekanntlich auch nicht unbedingt wie ein Erwachsener benahm - die Snapchat-Affäre um Nick Young dürfte letzten Endes das Ereignis aus seiner Lakers-Zeit sein, das den meisten Fans in Erinnerung bleibt. Nicht die gelegentlichen Scoring-Explosionen, die Russell im zweiten Jahr ja durchaus auch hatte, wie zum Beispiel 40 Punkte gegen die Cavs im März.
Generell war das zweite Jahr mit Sicherheit besser, aber nicht genug für die Erwartungen der Lakers. Der neue Coach Luke Walton wollte die Lakers eigentlich um ihn herum aufbauen, so richtig funktionierte das aber nie. Einerseits verteidigte Russell ohne Interesse, andererseits fand er auch offensiv nicht die passende Rolle.
Walton brachte ihn ein paarmal von der Bank, auch als Shooting Guard, doch es blieb bei schwankenden Leistungen. Einem zumeist konfus agierenden, weil blutjungen Lakers-Team konnte Russell keine Struktur verleihen. Der Frust vieler Lakers-Fans kam auch deshalb umso mehr bei ihm an, weil von ihm am meisten erwartet wurde.
D'Angelo Russell: Auf den Spuren von LeBron und Kyrie
Es ging bisweilen unter, dass Russell durchaus seine Momente hatte. Pro 100 Ballbesitze kam er letzte Saison auf 26,5 Punkte und 8,2 Assists - das hatten als 20-Jährige vor ihm nur LeBron James und Kyrie Irving geschafft. Und es sind ja nicht bloß die Zahlen: Russell liest das Spiel gut und hat gerade im Pick'n'Roll ein Gefühl, das man nicht lehren kann.
Bei allen Schwächen und Fragezeichen bezüglich der Mentalität sind dies Attribute, die den Deal für die Nets zum No-Brainer gemacht haben. Wo sollten sie so ein Talent sonst herbekommen? Zumal die Franchise sich in einer Situation befindet, in der sie geduldig sein kann und muss. "Es ist unstrittig, dass er defensiv und als Leader noch viel zu lernen hat. Aber das wird Zeit brauchen. Er ist 21", stellte GM Sean Marks unlängst klar.
Die ersten Resultate seien immerhin gut: "Man kann bisher schon sehen, dass die anderen gerne mit ihm spielen, weil er gut passen kann und sie besser macht", sagte Marks. "Aber ihr Vertrauen wird er sich verdienen, indem er die unsichtbaren Dinge tut, indem er Charges annimmt, sich durch Screens kämpft, und so weiter."
Russell: 30 Punkte beim Nets-Debüt
Die unter anderem durch Magic Johnson verbreitete Meinung, dass niemand mit Russell zusammenspielen will, weist dieser von sich: "Ich glaube, dass die anderen auch im letzten Jahr gern mit mir zusammengespielt haben. Aber ich werde es von nun an sicherstellen, dass sie das tun und nicht nur darüber nachdenken."
Russell macht den Eindruck, dass er seit dem Trade in der Realität angekommen ist - und seinen Ruf reparieren will. Vielleicht ist er auch einfach nur etwas gereift. In jedem Fall sagt und tut er derzeit zumeist das Richtige. In der Preseason führte er das Team bei den Punkten, Assists und Steals an, beim Saisonauftakt gegen Indiana legte er 30 Punkte auf - das punktreichste Nets-Debüt seit Tiny Archibald im Jahr 1976.
Dass er danach trotzdem miese Laune hatte, sprach für seinen Fortschritt. "Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns", sagte er nach der 131:140-Niederlage gegen Indiana. "Man hat ja gesehen, dass wir scoren können. Es sind die kleinen Dinge - Defense, Rebounds, Transition, an denen wir arbeiten müssen, um Erfolg zu haben."
Atkinson lobt D'Angelo Russell
Man könnte Russell jetzt vorwerfen, dass er absolut wesentliche Elemente des Spiels (und seine Schwachstellen) als "little things" bezeichnet, aber das wäre Haarspalterei - er scheint an sich arbeiten zu wollen. Das ist zunächst Mal das einzige, was die Nets von ihm sehen wollen.
"Bisher würde ich ihm eine Eins geben", sagte Atkinson. "Er macht es gut und versucht alles, um sich dem Team unterzuordnen und unsere Philosophie zu verinnerlichen."
Der Anfang ist also gemacht - mehr aber auch nicht. "Wir wollen als Kollektiv in die richtige Richtung gehen, und das in jedem Spiel", sagte Russell. "Man will am Ende der Saison nicht zurückblicken und denken, dass man Zeit verschwendet hat. In dieser Saison und in der nächsten zählt nur, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen."
Russell sagte dies über sein Team. Er hätte es genauso über sich selbst sagen können. Seine Mission hat gerade erst begonnen.