Gegen die Zweifel des Zen-Masters

Robert Arndt
06. November 201714:56
Kristaps Porzingis ist der neue Franchise-Spieler der New York Knicksgetty
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Die New York Knicks weisen eine positive Bilanz nach neun Spielen auf. Das liegt vor allem an Kristaps Porzingis, der den nächsten Schritt in seiner Entwicklung gemacht hat und der uneingeschränkte Franchisespieler ist. Ex-Knicks-Präsident Phil Jackson hatte daran noch vor wenigen Monaten Zweifel. Sorgen macht derzeit nur der Bruder und Agent des Letten.

Die Familie kann man sich nicht aussuchen. Das wird Lonzo Ball mit seinem exzentrischen Vater nur allzu gut wissen. Doch auch Kristaps Porzingis kann davon ein Lied singen. So stark der Lette in den ersten Wochen der Saison spielte, so sehr wurden seine Auftritte von Aussagen seines Bruders Janis, der gleichzeitig auch der Agent des neuen Superstars der New York Knicks ist, überschattet.

"Kristaps ist ihr Aushängeschild, also sollten sie ihn nicht verärgern", sagte Janis Porzingis in einem Interview mit einem lettischen Medium. "Wenn doch, könnte Kristaps nach der Saison sagen, dass es nicht so cool in New York ist." Den Fans der Knickerbockers dürfte dabei das Herz in die Hose gerutscht sein. Nach all dem Drama um Carmelo Anthony sollte doch nun Ruhe einkehren.

Porzingis versuchte vor dem Spiel gegen die Phoenix Suns die Wogen zu glätten. "Ich liebe New York und sehe mich noch für eine lange Zeit als Knick. Die Fans sollten sich darüber keine Sorgen machen." Gleichzeitig betonte der Lette, dass die Aussagen seines Bruders aus dem Kontext gerissen worden seien.

Kristaps Porzingis ist der neue Franchise-Spieler der New York Knicksgetty

Porzingis: Das neue Aushängeschild der New York Knicks

Seine Leistungen scheint das Gerede ohnehin nicht zu beeinflussen. Wenige Stunden, nachdem Porzingis über die Aussagen seines Bruders philosophierte, legte Porzingis gegen die Phoenix Suns zum zweiten Mal in dieser Saison 37 Punkte auf und zeigte dabei wieder die ganze Bandbreite seines Spiels.

Vor allem eine Szene blieb hängen. Mitte des vierten Viertels schulte KP Rookie Josh Jackson und blockte den Suns-Forward ohne Gnade weg, um nur wenige Sekunden später zum Monster-Dunk plus Foul auf der anderen Seite anzusetzen.

Das Publikum schrie auf, es herrschte eine Atmosphäre wie bei einem Playoff-Spiel, auch noch Minuten später. 'MVP'-Sprechchöre inklusive. "Die Energie im Garden war in diesem Moment unglaublich", schwärmte auch der Gefeierte. "Ich musste mich selbst erst einmal beruhigen, damit ich den Freiwurf noch treffen konnte." Zur Erinnerung: Gegner waren die biederen Suns, die an diesem Abend 35 Prozent aus dem Feld trafen.

Doch es herrscht Aufbruchstimmung. Porzingis legt im Schnitt 30,2 Punkte, 7,8 Rebounds und 2,2 Blocks pro Partie auf. Er ist der Grund, warum die Leute neugierig sind und weiter in das Mekka des Basketballs strömen. Genau dies bemerkte auch Porzingis' Bruder. "Wen wollen die New Yorker sehen? Zum Großteil ist es Kristaps. Das sollte die Organisation beachten."

Porzingis: Endlich Franchisespieler

Im Big Apple ist man sich dem bewusst, aber nicht alle Stars der Franchise wurden gut behandelt. Patrick Ewing wurde am Ende seiner Karriere vom Hof gejagt, die Causa Melo ist wohl bekannt. Auch im Baseball wurde zum Beispiel ein gewisser Derek Jeter von den Fans gnadenlos ausgebuht, als es nicht lief.

Mit Porzinigis soll das nicht passieren, die Fans lieben ihr Einhorn und so tut es auch die Organisation. "Er hat den Antrieb, der beste Spieler der Liga zu werden", ist sich sein Coach, Jeff Hornacek, sicher. "Er ist über 2,20 Meter groß und hat die Fähigkeit, an beiden Enden des Courts zu dominieren. Er hat diesen Sommer hart gearbeitet und ist noch jung. Er wird noch viel besser werden."

Ohne Melo besitzt das Einhorn nun alle Freiheiten, die Offense läuft über ihn. Porzingis muss sich wie im Schlaraffenland vorkommen, nachdem er in den ersten beiden Jahre seiner Karriere, Anthony dabei zuschauen konnte, wie dieser Löcher in den Boden dribbelte und aus der Midrange einen Wurf nach dem nächsten abfeuerte.

Porzingis: Wichtig wie Russell Westbrook

Nun ist es seine Show. Gegen die Indiana Pacers verbuchte Porzingis ein neues Career High, erzielte 40 Punkte, davon alleine 17 im vierten Viertel. Zwischenzeitlich machte er 15 Knicks-Punkte am Stück und bog so eine fast verloren geglaubte Partie noch in einen Sieg um. "Ich denke, das Spiel ist für ihn langsamer geworden", lobte Hornacek nach der Gala gegen Indiana. "Er spielt mit viel Selbstvertrauen und will die Würfe nehmen. Dieser Schritt ist für ihn sehr wichtig."

In den ersten Spielen hatte Porzingis eine Usagerate von satten 36,1 Prozent (vergangene Saison: 24,4). Das ist absolute Spitze in der Liga und erinnert fast schon an die Triple-Double-Saison von Russell Westbrook. Entsprechend wird der Lette auch eingesetzt. Jetzt ist er es, der den Ball im Post bekommt und sich dann an die Arbeit machen darf.

Porzingis: Phil Jackson hatte Zweifel

Zumeist bekommt er den Spalding am rechten Ellenbogen. Dort stehen ihm zahlreiche Optionen zur Verfügung. Mal nimmt er seinen Gegenspieler auf den Rücken und drängt diesen nach hinten, um dann seinen Fadeaway über die linke Schulter anzubringen oder er dreht seine Schulter nach rechts, um einen Turnaround Jumper anzubringen, den er fast schon in der Zone abfeuert. Diesen trifft er mit 54,2 Prozent bisher richtig gut. Kurios dabei: Der Lette machte im vergangenen Jahr genau das Gegenteil und präferierte den linken Block.

Damit setzt er praktisch das um, was Ex-Knicks-Präsident Phil Jackson immer predigte. Der elffache Meistertrainer hatte geraten, dass Porzingis mehr im Post agieren sollte und den Dreier nur dosiert einsetzen sollte. Seine Versuche von Downtown sind ein wenig zurückgegangen (4,6 Versuche zu 4,8 im vergangenen Jahr), obwohl er nun sieben Würfe mehr pro Spiel nimmt und 7,7 Freiwürfe im Schnitt wirft.

Auch dies ist zu Teilen dem Umstand geschuldet, dass Anthony nicht mehr da ist und Porzingis nicht mehr für das Spacing zur Dreierlinie ausweichen muss. Mit Enes Kanter haben die Knicks nicht wirklich eine Ideallösung als Center, da er in der Zone Porzingis häufiger den Platz wegnimmt.

Kurios: Jax hatte auf seiner Abschluss-PK im April Zweifel an einem Franchisespieler Porzingis. "Ich glaube nicht, dass er bereit ist. Er ist erst 21 Jahre alt. Es wäre für jeden eine riesige Last." Es scheint, als könne der Lette diese aber ganz gut schultern.

Porzingis: Entwicklung noch nicht abgeschlossen

Momentan steht das Team bei einer positiven Bilanz von 5-4. Das ist Platz sieben im bisher unvorhersehbaren Osten und Fans dürfen bereits wieder von den Playoffs träumen. Dass New York zu Beginn acht Spiele am Stück (inklusive Preseason) verloren, und einige, ergo der Boulevard, schon von Schicksalswochen für Coach Hornacek gesprochen hatten, ist in der Stadt, die niemals schläft, selbstverständlich schon wieder vergessen.

Das spricht bei einem Blick auf den Kader der Knicks für Porzinigs. Die Point-Guard-Rotation mit Jarrett Jack, Ramon Sessions und Rookie Frank Ntilikina dürfte den Fans der Knicks weiter Schweißperlen auf die Stirn treiben. Der French Prince ist der Hoffnungsträger auf der Eins und zeigte auch einige gute Ansätze, ist aber noch lange nicht bereit. So schaut ganz New York auf den Letten, der die Hoffnung der Fans so kanalisiert, wie es ihm Jackson im April noch nicht zugetraut hatte.

"Das hat mich natürlich motiviert. Die Herausforderung ist niemals zu groß für mich", gab Porzingis zu. "Ich wusste, falls Melo nicht mehr hier ist, dass ich DER Spieler sein muss. Dafür habe ich 24 Stunden am Tag in der Halle verbracht. Ich habe mich darauf vorbereitet und bin nun glücklich, dass ich auf diesem Level spielen kann."

Das Ende der Fahnenstange muss dies noch nicht gewesen sein. "Er kratzt bisher nur an der Oberfläche", stellte Mitspieler Courtney Lee fest, der den Letten mit Yao Ming verglich, nur dass Porzingis deutlich mehr Skills am Perimeter vorzuweisen hat. "Er kann sich sich noch immer überall verbessern und das sollte vielen in der Liga Angst machen."