Bei den Lakers ist immer etwas los. Vor allem der Hype um Lonzo Ball überschattete so ziemlich alles rund um die Glamour-Franchise, seitdem der Big Baller gedraftet wurde. Mit Argusaugen wird auf den No.2-Pick geblickt, seine Leistungen und vor allem sein Wurf sind tägliches Futter für die Gazetten im ganzen Land.
Nebenbei überrascht zudem ein anderer Rookie, Kyle Kuzma, den vor der Saison wenige auf dem Zettel hatten. Inzwischen wird sein Name auch in den Topf geworfen, wenn es um den Award des Rookie of the Year geht - am Wochenende erhielt er die Auszeichnung zum Rookie des Monats im November. So geht einer fast unter, der im vergangenen Jahr eine ähnliche Behandlung wie Ball bekam: Brandon Ingram.
Auch er war der zweite Pick im vergangenen Jahr und konnte die hohen Erwartungen zunächst nicht erfüllen. Zu schmächtig kam der Forward daher, die NBA wirkte für den Ex-Dukie noch eine Nummer zu groß - und vor allem zu schwer. Nicht wenige bezeichneten ihn bereits als Bust, so albern das bei einem gerade einmal 20-Jährigen wirken mag.
Ingram: Go-to-Guy in der Crunchtime für die Lakers
Doch Ingram hat sich im Schatten der neuen Rookies gemausert. In einem verbesserten Lakers-Team ist er es, auf den Coach Luke Walton in der Crunchtime setzt. Im Oktober erzwang Ingram gegen die Washington Wizards mit einem beherzten Drive und anschließendem Tip-In mit der Sirene eine Verlängerung und auch gegen die Golden State Warriors bekam Ingram vor kurzem den letzten Wurf, auch wenn er in diesem Fall gegen Draymond Green nicht vollenden konnte.
"Er schreckt vor den großen Momenten nicht zurück", erklärte Walton sein Vertrauen in Ingram in engen Situationen. "Er hat ein gutes Gefühl für das Spiel." Zudem bezeichnete der Coach seinen Schützling als "Winner" und "Lockdown-Verteidiger." Das Potenzial, einmal ein formidabler Two-Way-Player zu sein, ist durchaus vorhanden. Dazu muss der Lulatsch, der er noch immer ist, vor allem an seinem Körper arbeiten, was er aber auch tut.
"Er ist über den Sommer stärker geworden", stellte auch Walton fest. "Er ist ständig im Kraftraum. Er hat nun verstanden, wie körperbetont es in der Liga zugeht und weiß auch, wie er seine Größe zu seinem Vorteil nutzen kann."
Ingram: Überall verbessert
Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Seinen Punkteschnitt verbesserte Ingram von 9,4 auf 16,0 Punkte, inzwischen trifft er 46,3 Prozent seiner Würfe (Vorjahr: 40,2). Dazu hat er sich auch in allen anderen Kategorien signifikant verbessert. Zum Beispiel steht er fast doppelt so oft an der Freiwurflinie wie noch in der vergangenen Saison (5,2 gegenüber 2,7).
Ein guter Anfang, aber auch noch nicht das Niveau, auf welchem sich in Ingram in der Zukunft sieht. "Offensiv habe ich noch viel Luft nach oben", ist sich der Forward sicher. "Ich bin niemals zufrieden. Ich komme jeden Tag in die Halle, um besser zu werden." Spiele wie gegen die Warriors (32 Punkte) oder die Philadelphia 76ers (26) waren dabei gute Indikatoren, wohin es für Ingram gehen könnte.
Das ist auch Kevin Durant aufgefallen, mit dem Ingram vor dem Draft 2016 häufiger verglichen wurde - unter anderem vom amtierenden Finals-MVP selbst. "Er ist selbstbewusster. Coach Walton vertraut ihm und lässt ihn Plays machen", stellte KD fest. "Ich freue mich für ihn. Man kann sehen, wie er besser wird."
Ingrams Antritt wirkt deutlich explosiver, was ihm mit seinen langen, raumgreifenden Schritten einen deutlichen Vorteil gegen die meisten Small Forwards der Association verschafft. Problematisch bleibt jedoch weiterhin seine fehlende Muskelmasse, aufgrund derer er häufiger die Balance verliert, wenn er finishen will. 61,4 Prozent Wurfquote in der Restricted Area müssen also bei weitem nicht sein Limit sein.
Ingram: Jumper bleibt wackelig
Eine weitere Baustelle bleibt derzeit der Sprungwurf. Kann der Verteidiger Ingram vor sich halten, nimmt dieser zumeist den Jumper, weil es ihm noch an alternativen Moves fehlt. Schließt Ingram weiter als drei Meter vom Korb ab, rauscht seine Quote allerdings in den Keller auf magere 33,3 Prozent.
Dass da noch Luft nach oben ist, bewies Ingram unter Coach K, als er 41 Prozent aus der Distanz traf. Die Umstellung auf den NBA-Dreier ist jedoch auch im zweiten Jahr noch nicht komplett vollzogen. Interessanterweise trifft er den langen Ball von der Birne mit einer Erfolgsrate von über 40 Prozent, während er aus den Ecken nur eiskalte 15 Prozent versenkt.
Auch an der Freiwurflinie muss Ingram noch zulegen. Nur vier Forwards treffen vom Charity Stripe schlechter als der Laker, wenn sie mindestens drei Versuche pro Spiel nehmen (68,3 Prozent).
Ingram: Playmaker und Defender
Doch Ingram ist nicht nur ein Scorer. Auch als Playmaker machte er schon auf sich aufmerksam, auch wenn dies noch unregelmäßig geschieht. Sein Ballhandling ist für seine Größe mehr als respektabel, was ihm erlaubt, Pick'n'Rolls zu laufen. Außerdem lässt Walton einige Spielzüge laufen, in denen Ingram am Ellenbogen den Spalding erhält, um den Ball zu verteilen oder sich für den Drive zu entscheiden.
Noch wichtiger sind aber seine Fortschritte in der Defense. Zählte er in seiner Rookie-Saison noch zu den schlechteren Verteidigern der Liga, hat heute auch er seinen Anteil daran, dass die Lakers zu den zehn besten Defensiv-Teams der NBA gehören (Defensiv-Rating: 102,9). Ingram setzt seine enorm langen Arme besser ein, gerade abseits des Balles. Das erlaubt ihm, quasi zwei Gegenspieler auszuschalten, weil er blitzschnell in die Passwege spritzen kann.
Potenzielle Pässe auf die Weakside, in der Unterzahlsituationen für die Lakers bestehen, können so bereits verhindert werden. Auch seine Help-Defense ist wesentlich besser geworden. Mit seinen flinken Füßen machen es zudem seine Closeouts dem Gegner schwerer, die scheinbar offenen Würfe zu treffen.
Ingram: Der Vergleich mit Kevin Durant
Wer nun aufmerksam gelesen hat, dem wird auffallen, dass viele Attribute eben doch an den amtierenden Finals-MVP erinnern, vor allem in der Verteidigung. Das sah auch Durant ähnlich, der bereits im Sommer ahnte, dass Ingram verbessert in seine Sophomore-Saison gehen würde,
"Ich kann mit Vergleichen leben, wenn sie stimmen", sagte Durant im Bill Simmons Podcast. "Jemand wie Brandon Ingram sieht so aus, als könnte er wie ich spielen. Zudem haben wir ähnliche körperliche Voraussetzungen." Allerdings ruderte er bereits damals ein wenig zurück und mahnte zur Vorsicht. "Man sollte junge Spieler nicht mit Stars vergleichen. Die Erwartungen könnten die Jungs erdrücken."
Fast schon deckungsgleich äußerte sich auch Spurs-Coach Gregg Popovich zu dieser Problematik. "Es ist fast schon unfair, jemanden mit Kevin Durant zu vergleichen. Wir werden sehen, was die Zeit für Brandon Ingram mit sich bringt."
Immerhin lässt sich schon mal konstatieren: Das böse Wort Bust wurde wieder einmal viel zu früh herausgekramt. Ingram muss nicht der nächste Durant werden, um ein wertvoller NBA-Spieler zu sein.