Kurz vor dem Ende der Trade Deadline krempeln die Cleveland Cavaliers ihr halbes Team um. Leidtragender ist vor allem Isaiah Thomas, auf den eine ungewisse Zukunft bei den Lakers wartet. Doch was bedeuten die Moves für den Rest der Liga? Und sind die Cavs nun wieder Mitfavorit auf den Titel? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Langweile und Trade-Deadline - das passt offenbar nicht zusammen. Zwar rechneten nicht wenige Experten im Vorfeld der Trade-Deadline am Donnerstag mit einem eher ruhigen Tag, doch von Ruhe fehlte am Ende jede Spur. Spätestens gegen 18:15 Uhr deutscher Zeit - also etwa drei Stunden vor dem Ablauf der Frist - zerschlugen sich eben diese Befürchtungen: Der bestens informierte Adrian Wojnarowski von ESPN zündete mit der Nachricht des Trades von Isaiah Thomas zu den Lakers seine erste Woj-Bomb. Viele weitere sollten folgen.
Insgesamt fädelten die Teams in den letzten Stunden vor der Deadline zwölf Deals ein, genauso viele wie im Jahr 2015, was laut ESPN Stats & Info gleichzeitig einen Rekord für die vergangenen 30 Jahre darstellt. Neben Thomas waren 27 weitere Spieler in die Trades involviert. Wie gesagt, von Langeweile fehlte jede Spur.
Die wilden letzten Stunden vor der Deadline hatte die Association vor allem den Cleveland Cavaliers zu verdanken. Die Cavs waren die bei Weitem aktivste Franchise und krempelten ihr Team nahezu komplett um: Thomas, der erst im vergangenen Sommer im Rahmen des Trades von Kyrie Irving nach Ohio wechselte, wurde gemeinsam mit Channing Frye und einem 2018er Erstrundenpick zu den Los Angeles Lakers verschifft. Dafür werden sich künftig Larry Nance und Jordan Clarkson das Cavs-Jersey überstreifen.
Auch Rodney Hood und George Hill spielen von nun an an der Seite von LeBron James, während Dwyane Wade (zu den Heat), Iman Shumpert (zu den Kings), Derrick Rose (zu den Jazz, wird entlassen) sowie Jae Crowder (ebenfalls zu den Jazz) das Team verlassen mussten.
Derweil verstärkten sich auch die Pistons, die Jameer Nelson von den Bulls loseisten (für Willie Reed und Pick-Swap-Rechte) und James Ennis für Brice Johnson und einen Zweitrundenpick aus Memphis holten. Emmanuel Mudiay wechselte im Rahmen eines Drei-Team-Trades von den Nuggets nach New York, dafür landete Devin Harris in Denver und die Dallas Mavericks erhielten Doug McDermott sowie einen Zweitrundenpick. Die Magic verschacherten zudem Point Guard Elfrid Payton für einen Zweitrundenpick zu den Suns. Eine detaillierte Auflistung aller Deals des wilden Trade-Deadline-Days gibt es hier.
Was bedeuten die Deals für die Cavaliers?
Innerhalb von nur wenigen Stunden haben die Cavaliers fast ihr komplettes Team auf den Kopf gestellt und somit auf den Abwärtstrend reagiert. Nachdem LeBron James und Co. in 14 der vergangenen 22 Spiele als Verlierer vom Parkett gingen, war abzusehen, dass die Cavs um Besitzer Dan Gilbert und General Manager Koby Altman reagieren werden. Diesen heftigen Umbruch dürften allerdings die wenigsten erwartet haben.
Gut ein Drittel des Kaders wurde ausgetauscht, mit Thomas, Frye, Shumpert, Crowder, Rose und Wade verliert Cleveland einen Kern der Mannschaft, der laut ESPN Stats & Info 31 Prozent aller Minuten des Teams abgespult hat - wenn auch mit überschaubarem Erfolg. Gerade Thomas kam nach überstandener Hüft-Verletzung überhaupt nicht in Fahrt, auch Crowder konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht ansatzweise erfüllen.
Das Team war alt, stellte mit einem Defensiv-Rating von 109,9 die zweitschlechteste Verteidigung der NBA und machte vor allem mit internen Keilereien Schlagzeilen. Die Chemie unter den Spielern passte bekanntermaßen vorne und hinten nicht, die Cavaliers waren nur höchst selten als eine Einheit auf dem Parkett zu sehen. Das alles soll sich nun ändern.
Indem GM Altman gleich sechs Spieler verschifft, sorgt er für eine neue - und sicherlich deutlich bessere - Stimmung im Locker Room. Zudem werden die Cavs durch die Deals deutlich jünger und athletischer. Davon wird Clevelands ohnehin gute Transition-Offense weiter profitieren, gerade Larry Nance Jr. ist bekannt dafür, äußerst gerne den Fastbreak zu laufen und mit dem ein oder anderen spektakulären Alley-Oop abzuschließen.
Er bietet den Cavs zudem etwas mehr Tiefe im Frontcourt, nachdem Frye in der aktuellen Spielzeit in der Rotation eine immer kleinere Rolle gespielt hatte. Clarkson, Hill und Hood liefern außerdem Shooting, dass das Team von Head Coach Ty Lue in der Offense dringend benötigt. Defensiv können alle drei ihren Mann stehen, vor allem Hill sollte ein deutliches Upgrade gegenüber Thomas darstellen. Immerhin ist der 31-Jährige in der Lage, beide Guard-Positionen zu verteidigen - auch wenn er dies im Trikot der Kings nicht immer zeigte.
Dennoch ist aus Sicht der Cavaliers natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Der Umbruch des Kaders hatte seinen Preis: Um Thomas abzugeben und Nance sowie Clarkson nach Ohio zu locken, musste Altman den eigenen 2018er Erstrundenpick abgeben. Dies könnte in Zeiten, in denen Erstrundenpicks als extrem wertvoll angesehen und von Teams nur ungern abgegeben werden, noch Bauchschmerzen verursachen. Immerhin handelt es sich bei dem Duo um zwei sehr talentierte Spieler, auf der ganz großen Bühne konnten sie aber bisher nicht zeigen, was sie drauf haben.
Ein weiterer Kritikpunkt an den zahlreichen Moves der Cavs: Die Franchise hat für den Umbruch ihre finanzielle Flexibilität voraussichtlich auf Jahre hinaus geopfert. Allein in der kommenden Spielzeit 2018/19 haben die Cavs einen Payroll von 110 Millionen Dollar - und das ohne Rodney Hood (Restricted Free Agent) und LeBron James, der aller Wahrscheinlichkeit nach Free Agent wird.
Bis dahin müssen die Cavaliers mit dem grundsanierten Roster Überzeugungsarbeit leisten, um James einen Verbleib in Ohio schmackhaft zu machen. Das geht am einfachsten über gute Leistungen und einen Trip in die Finals. Durch die am Donnerstag eingefädelten Deals scheint dieses Szenario wahrscheinlicher geworden zu sein. Das Roster wurde mit talentierten Spielern repariert. Zwar bleibt nicht viel Zeit zur Eingewöhnung, dennoch darf man die Cavs erneut in der Contender-Verlosung erwarten. Und auch wenn es mit den Finals oder einer Vertragsverlängerung mit James nicht klappen sollte: Cleveland hat immer noch Brooklyns Erstrundenpick in der Hinterhand.
Was bedeutet der Thomas-Deal für die Lakers?
Während bei den Cavaliers erst die kommenden Monate darüber entscheiden werden, ob sich die Deals gelohnt haben, dürften bei manchen Lakers-Fans sofort nach Bekanntwerden des Trades die Sektkorken geknallt haben. Das liegt nicht unbedingt an der Vorfreude, Isaiah Thomas im lila-goldenen Trikot spielen zu sehen, sondern vielmehr an den Auswirkungen auf die Finanzstrukturen im Team der Lakers.
Schon in den vergangenen Tagen kristallisierte sich heraus, dass die Traditions-Franchise Deals sucht, mit denen man Jordan Clarkson und vor allem dessen Arbeitspapier (noch drei Jahre/37,5 Mio. Dollar) loswird. Dass L.A. auch Larry Nance Jr. in den Move involvieren musste, ist ein notwendiges Übel. Dafür bekamen die Lakers neben dem Erstrundenpick der Cavs 2018 allerdings auch die auslaufenden Verträge von Thomas und Channing Frye - und damit genau das, was sie suchten.
Nun haben die Lakers mehrere Optionen. Trifft L.A. beispielsweise die Entscheidung, im Sommer den Vertrag von Restricted Free Agent Julius Randle nicht zu verlängern und gleichzeitig Luol Deng und dessen 36 Millionen Dollar per Stretch Provision loszuwerden, könnten die Lakers schätzungsweise mit 70 Millionen Dollar Cap Space auf die Suche nach Free Agents gehen. Das bedeutet wiederum: Los Angeles hätte genug Spielraum, um sowohl LeBron James als auch Paul George in die Stadt der Engel zu lotsen.
"Wenn man sich die Cap-Situation genauer anschaut, dann sind wir finanziell am besten aufgestellt von allen Teams in der NBA", meint deshalb auch Lakers-GM Rob Pelinka. Und selbst, wenn das ambitionierte Ziel, James und George nach L.A. zu holen, nicht erreicht werden kann, sind die Lakers mit genügend finanzieller Flexibilität für den darauffolgenden Sommer 2019 ausgestattet, um erneut nach den großen Namen der NBA zu fischen.
Thomas wird aller Voraussicht nach nicht dazu gehören. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Lakers ihrem neuen Point Guard einen neuen, langfristigen Vertrag anbieten werden. Pelinka und Lakers-Präsident Magic Johnson haben bereits verlauten lassen, dass sie Lonzo Ball weiterhin als Starting Point Guard des Teams sehen. Für IT ist auf längere Sicht gesehen kein Platz, genau wie für Frye.
Was bedeutet der Trade für Thomas?
Von einem Seuchenjahr zu sprechen, wäre in Anbetracht der Situation von Isaiah Thomas fast noch untertrieben. Fakt ist: In den letzten acht Monaten musste der 29-Jährige den Verlust seiner Schwester verkraften, spielte sich trotz Verletzung in den Playoffs für die Boston Celtics die Seele aus dem Leib, nur um einige Wochen später für Kyrie Irving nach Cleveland verscherbelt zu werden.
Was folgte war eine monatelange Verletzungspause aufgrund anhaltender Hüftprobleme. Nach seinem Comeback am 2. Januar fand IT nie zu alter Stärke zurück, in 15 Spielen für die Cavs legte er 14,7 Punkte sowie 4,5 Assists bei miserablen Quoten aus dem Feld (36,1 Prozent FG, 25,3 Prozent Dreier) auf. Zudem machten Gerüchte die Runde, er sei unter seinen neuen Teamkollegen sehr unbeliebt. Und nun also der Trade zu den Lakers ...
In Los Angeles wird er nach der Rückkehr des aktuell noch mit Knieproblemen aussetzenden Balls aller Voraussicht nach auf die Bank rücken und als Backup-Point-Guard agieren müssen. Thomas zählte in der vergangenen Saison noch zum erweiterten Kreis der MVP-Favoriten, wie er mit dieser Degradierung umgeht, bleibt abzuwarten.
Es hilft außerdem nicht unbedingt, dass die Lakers ihre Zukunft ohne IT planen. Head Coach Luke Walton verspürt keinen Zwang, Thomas mit viel Spielzeit glücklich zu halten. Wenn es nicht läuft, schmort der Neuzugang auf der Bank und sucht sich im Sommer ein neues Team - für die Lakers bringt das eher keinen Nachteil, nur für Thomas selbst.
Der 1,75-Meter-Mann wird sich in den restlichen Spielen im Trikot der Lakers beweisen müssen, um sich den anderen Teams für einen neuen Vertrag anzubieten. Die Verletzung von Ball könnte ihm dabei entgegenkommen. Solange der zukünftige Franchise-Player der Lakers ausfällt wird für Thomas einiges an Spielzeit abfallen, als Ball-dominanter Scoring-Guard füllt er damit in seinem neuen Team eine Lücke.
Im Idealfall nutzt Thomas diese Gelegenheit, um sich aus der Krise zu ballern und sich einen lukrativen Vertrag zu erspielen. Im schlimmsten Fall kann er sich nicht aus seinem aktuellen Tief befreien und bekommt im Sommer nur einen Minimal-Vertrag angeboten. Dies würde irgendwie zu seinem Seuchenjahr passen.
Was bedeuten die Deals für den Rest der Liga?
Das Rennen um die Krone in der Eastern Conference ist nach den Moves der Cavaliers auf jeden Fall wieder enger geworden. Neben den Celtics und den Raptors wird auch Cleveland das ein oder andere Wörtchen mitzureden haben, das sieht GM Altman ganz genau so: "Ich freue mich wirklich über die neuen Jungs im Team. Ich denke, wir werden sehr dynamisch sein. Es wird wieder Spaß machen, uns zuzuschauen."
Allerdings bleibt LeBron James und seinen neuen Teamkollegen nicht allzu viel Zeit, um sich einzuspielen und einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Bevor die Warriors also um ihre Vorherrschaft in der NBA zittern müssen, bleibt erst einmal abzuwarten, wie das neuformierte Team überhaupt zusammenpasst. Immerhin besteht die Möglichkeit, weiterhin an kleinen Stellschrauben zu drehen, das Roster der Cavs ist noch nicht komplett. Nach den Trades mit den Lakers, Jazz, Kings und Heat hat Cleveland noch zwei offene Plätze im Kader, die möglichen Buyout-Kandidaten angeboten werden können.
Der Markt um eben diese Spieler wird jedoch hart umkämpft sein. Insider gehen davon aus, dass unter anderem Tony Allen, Marco Belinelli, Vince Carter oder Brandan Wright Buyouts anstreben und dementsprechend einen Contender verstärken könnten. ESPN- Mann Tim MacMahon hat sogar den Namen Boris Diaw in den Raum geworfen, der aktuell in Frankreich unter Vertrag steht, aber eine Klausel für den Sprung über den großen Teich besitzt. Neben den Cavs werden sich auch die Oklahoma City Thunder, die sich zur Trade Deadline nicht verstärkt haben, die Houston Rockets oder die Toronto Raptors nach Spielern umschauen.
Wer dann nicht zur Verfügung stehen wird ist Tyreke Evans. Der Guard der Grizzlies wurde von mehreren Teams heiß umworben, aufgrund der fehlenden Bereitschaft, einen Erstrundenpick abzugeben, konnte sich allerdings keine Franchise den 28-Jährigen angeln. Ein Buyout ist eher unwahrscheinlich.
Auch wenn Trades ab sofort verboten sind, haben die Teams also noch einige Möglichkeiten, sich zu verbessern. Die Cavaliers haben dies in den Stunden vor der Trade Deadline bereits auf spektakuläre Weise getan. Es bleibt abzuwarten, ob sie dafür ihm Juli die Früchte ernten können.
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