Die Folgen der Verletzung von Kristaps Porzingis für die Knicks und den Rest der NBA

Ole Frerks
07. Februar 201811:16
Kristaps Porzingis riss sich im Spiel gegen die Milwaukee Bucks das Kreuzband. getty
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Kristaps Porzingis hat sich im Spiel gegen die Milwaukee Bucks das Kreuzband gerissen und fällt für den Rest der Saison aus. Was bedeutet die Verletzung langfristig für den Letten und die New York Knicks - und für den Rest der Liga? Wer sollte Porzingis beim All-Star Game ersetzen?

1. Was ist passiert?

Im zweiten Viertel des Spiels seiner Knicks gegen die Milwaukee Bucks stieg Porzingis zum Dunk hoch, versenkte ihn und landete dann aber unglücklich auf dem Fuß von Giannis Antetokounmpo. Dabei verdrehte er sich den linken Knöchel, was sich sofort auf das Knie auswirkte. Porzingis musste von zwei Mitspielern vom Court gebracht werden, ohne dass er dabei wirklich auftreten konnte.

Porzingis wurde im Anschluss natürlich umgehend untersucht und wenig später gaben die Knicks die traurige Diagnose bekannt: Der Lette hat sich das Kreuzband gerissen. Die Saison ist damit für ihn zweifellos gelaufen.

Kristaps Porzingis riss sich im Spiel gegen die Milwaukee Bucks das Kreuzband. getty

Der New York Daily News zufolge wird Porzingis irgendwann in den nächsten zehn Tagen operiert werden. Die Reha-Prognose ist bisher noch nicht eindeutig zu treffen - in den letzten Jahren gab es alle möglichen Reha-Zeiten zwischen acht und 14 Monaten.

Im betreffenden Spiel war mit Jabari Parker ein Spieler dabei, der erst in der vergangenen Woche sein Comeback nach einem Kreuzbandriss gegeben hatte - nach elf Monaten Pause. "Er kann davon zurückkommen und derselbe Spieler sein. Es ist möglich", versuchte dieser den Knicks umgehend Hoffnung zu machen.

2. Was bedeutet die Verletzung für Kristaps Porzingis?

Porzingis befand sich mitten in seiner bisher mit Abstand besten Saison (22,9 Punkte, 2,4 Blocks im Schnitt) und auch wenn er von Monat zu Monat statistisch schwächer wurde, gab es an seiner Qualifikation für das All-Star Game wenig Zweifel. Das wird nun ohne ihn stattfinden und da man davon ausgehen muss, dass er auch von der nächsten Saison einen nicht unwesentlichen Teil verpassen wird, könnte ihm diese Ehre nun erst im Jahr 2020 zuteil werden.

Awards und Auszeichnungen sind dabei nicht gerade bedeutungslos. Porzingis befindet sich in seiner dritten Saison, nach dieser wäre es erstmals möglich, mit den Knicks eine vorzeitige Vertragsverlängerung auszuhandeln. Es besteht dabei kein großer Zweifel daran, dass er einen Maximalvertrag bekommen wird; allerdings unterscheiden sich diese bekanntlich. Wenn ein Spieler innerhalb seiner ersten vier Jahre ein All-NBA Team erreicht oder zum Beispiel Defensive Player of the Year wird, kann er 30 Prozent des Salary Caps statt der üblichen 25 Prozent erhalten.

Das ist nun kein realistisches Szenario mehr. Unabhängig davon ist die Verletzung aber natürlich auch sportlich ein enormer Rückschlag für Porzingis. Der 22-Jährige hat in dieser Saison den Sprung zur ersten Offensiv-Option gemacht und auch wenn die Resultate zunächst sehr gut waren, hat er im weiteren Verlauf zugegeben, dass ihn die Extra-Aufmerksamkeit und die größere Rolle ermüdete. Es war offensichtlich, dass er noch weiter in diese Rolle hereinwachsen musste. Diese Entwicklung ist nun erst einmal gestoppt.

Und natürlich könnte Porzingis' Karriere auch dauerhaft Schaden nehmen, auch wenn man den Teufel ja noch nicht an die Wand malen muss. Es gab in der Vergangenheit zweifellos viele abschreckende Beispiele, allen voran Derrick Rose, der vom jüngsten MVP der NBA-Geschichte binnen weniger Jahre zu einem unterdurchschnittlichen Rollenspieler wurde. Auch Ricky Rubio etwa war nach seinem Kreuzbandriss im Jahr 2012 nie wieder so richtig der Alte.

Porzingis hat offensiv allerdings gegenüber diesen beiden Guards und vielen anderen ACL-Patienten den Vorteil, dass er ein herausragender Distanzschütze ist. Selbst wenn seine Athletik und Agilität etwas Schaden nehmen sollte, wäre er mit seiner Kombination aus Wurf und Länge immer noch ein potenziell sehr wertvoller Spieler im Angriff.

Defensiv könnte es natürlich gerade in Bezug auf Porzingis' laterale Geschwindigkeit Auswirkungen haben, die für einen Rim-Protector enorm wichtig ist, da er von der Helpside Lücken stopfen muss. Allerdings sei dazu gesagt, dass die Medizin so große Fortschritte gemacht hat, dass ein Kreuzbandriss lange nicht mehr das Todesurteil für die Athletik von Spielern sein muss, wie er es früher einmal war.

Vielleicht hat das Ganze auch zumindest einen positiven Aspekt für Porzingis: Er hat nun gezwungenermaßen sehr viel Zeit, die er in seinen Körper investieren kann. Wenn er seiner schmalen Statur etwas Masse hinzufügt und zudem an der Kondition arbeitet, steckt er die Belastung als No.1-Option in Zukunft vielleicht besser weg und fühlt sich auch auf der Center-Position, die für ihn langfristig wohl am meisten Sinn ergibt, noch ein Stück wohler. Auch diese Möglichkeit ist aber freilich nicht ausreichend, um an diesem Tag kein Trübsal zu blasen.

3. Was bedeutet die Verletzung für die Knicks?

Die Playoffs waren schon vor Porzingis' Verletzung unrealistisch, da sich New York seit Wochen auf dem absteigenden Ast befand und mit einer 23-32-Bilanz weit von einem .500-Record entfernt war. Nun kann auch der letzte Zweifel weggewischt und der komplette Fokus auf eine tanktastische Restsaison gerichtet werden.

Die Knicks hatten zuletzt den Spagat versucht, einerseits junge Spieler zu entwickeln und andererseits mit Veteranen um die Playoffs mitzuspielen. Das klappte nicht wirklich - Willy Hernangomez etwa, der im Sommer noch Teil des "Kerns" sein sollte, blieb auf der Strecke und bat noch in dieser Woche um einen Trade, weil er keine Spielzeit bekam.

Das sollte sich nun unbedingt ändern - wenn die Knicks noch bis zur Deadline am Donnerstag Deals einfädeln, sollten diese lieber Veteranen involvieren. Für Courtney Lee etwa dürfte es noch einen gewissen Gegenwert geben, auch Kyle O'Quinn oder Enes Kanter könnten einige Teams interessieren.

Hernangomez ist neben Porzingis und Frank Ntilikina einer der ganz wenigen Youngster mit Potenzial; ihn abzugeben, wenn sein Wert wie jetzt am niedrigsten Punkt überhaupt ist, wäre ein äußerst kurzsichtiger Move. Ganz abgesehen davon, dass er seit fünf Jahren bestens mit Porzingis befreundet ist.

Langfristig sollten sich die Knicks-Entscheider Steve Mills und Scott Perry nun verstärkt auf den Sommer 2019 konzentrieren. Dann wird die Franchise erstmals wieder in einem solchen Maße Geld haben, dass wirklich um Free Agents gebuhlt werden kann, da bis dahin unter anderem der lukrative Kanter-Vertrag ausläuft. Auch der absurde Vertrag von Joakim Noah geht dann ins letzte Jahr und ist somit einfacher zu traden.

Um dann als Destination attraktiv zu sein, brauchen die Knicks einen Kern, mit dem potenzielle Free Agents spielen wollen. Der Weg dahin führt über einen dann wieder komplett gesunden Porzingis, einen gereiften Ntilikina und ein weiteres Lottery-Talent.

4. Was bedeutet die Verletzung für den Rest der Liga?

Ein realistischer Playoff-Kandidat waren die Knicks wie erwähnt ohnehin nicht mehr, von daher hat die Verletzung auf dieses Rennen keine Auswirkungen - es könnte höchstens etwas für das Rennen um die besten Lottery-Aussichten bedeuten, wenn die Knicks jetzt ausschließlich auf ihre jungen Spieler setzen und Siege damit unwahrscheinlich(er) machen. Für die schlechteste Bilanz haben die New Yorker allerdings wohl schon zu viele Spiele gewonnen.

Beeinflussen könnten die Knicks aber noch den Trade-Markt. Wie erwähnt haben die Knicks zumindest ein paar Spieler, die für einige Teams interessant sein könnten. Insbesondere Lee und O'Quinn sind gute Kandidaten.

Lee etwa erfüllt als Three-And-D-Spieler ziemlich genau das Profil, das die Thunder nach der Verletzung von Andre Roberson gebrauchen könnten. Zwar muss man für seinen 11,7-Millionen-Dollar-Vertrag erst passende Deals finden, ein Paket aus Alex Abrines und Kyle Singler zum Beispiel würde aber passen.

Auch die Cavaliers hätten an einem Spieler wie Lee durchaus Bedarf, auch wenn man ihm das aktuell wohl nicht wünschen möchte. Lee für Iman Shumpert und einen Pick wäre ein fiktives Beispiel für einen weiteren Trade. Shumperts Deal würde ebenfalls 2019 auslaufen und von daher zum oben dargestellten Zeitplan der Knicks passen.

O'Quinn verdient in diesem Jahr 4 Millionen und im nächsten Jahr 4,3 (Spieler-Option), auch für ihn würden sich also problemlos Deals finden lassen. Unter anderem sollen die Spurs, Celtics und Warriors schon einmal bei ihm vorgefühlt haben.

5. Wer sollte für Porzingis zum All-Star Game nachrücken?

Seitdem die All-Stars dieser Saison bekannt gegeben wurden, ist Porzingis der sage und schreibe vierte All-Star, der sich schwer verletzt hat: DeMarcus Cousins (Saisonaus), Kevin Love und John Wall (beide etwa zwei Monate Zwangspause) waren schon vor ihm dran. Die Seuche geht um. Cousins wurde im Westen schon durch Paul George ersetzt, im Osten rückten bisher Goran Dragic und Andre Drummond nach.

Nun muss der nächste Spieler ersetzt werden - übrigens als vierter Spieler von Team LeBron. Man könnte fast meinen, dass James in dieser Saison Pech an den Pfoten hat. Nun muss noch ein vierter Nachrücker bestimmt werden, der wiederum aus der Eastern Conference kommen muss. Wie schon bei den anderen Nachrückern wird nun Commissioner Adam Silver die Entscheidung treffen, vermutlich abhängig von den Stimmen der Coaches bei der ursprünglichen All-Star-Wahl.

Es ist dabei nicht ausschlaggebend, ob ein Spieler die gleiche Position spielt wie der Verletzte. Insofern sollte die Entscheidung wohl zwischen Ben Simmons (76ers) und Kemba Walker (Hornets) fallen. Beide galten schon bei der ursprünglichen Bekanntgabe als Snubs und haben jeweils durchaus valide Argumente auf ihrer Seite.

Simmons hatte zwar im Dezember einen leichten Durchhänger, seitdem hat er sich aber wieder stabilisiert und seine Zahlen sind für einen Rookie immer noch absolut historisch: 16,7 Punkte, 7,8 Rebounds und 7,2 Assists im Schnitt sind nahezu unerhört. Simmons trifft dazu auch noch effizient (52,6 Prozent aus dem Feld) und ist neben Joel Embiid der Hauptgrund dafür, dass die Sixers auf Playoffkurs sind.

Das gilt für die Hornets zwar nicht, aber das liegt beim besten Willen nicht an Walker. Der Point Guard legt über die Saison 22,6 Punkte und 5,8 Assists im Schnitt auf, zuletzt hat er dabei sogar noch eine Schippe draufgelegt. Die Hornets haben ein Net-Rating von +4,9, wenn Walker auf dem Court steht, ohne ihn fällt dieser Wert auf -12,5. Diese Differenz sagt so ziemlich alles über Walkers Wert und andererseits den Kader der Hornets aus.

Walker ist in dieser Saison der bessere Kandidat und sollte für Porzingis zum All-Star Game fahren. Simmons ist aber spätestens nächstes Jahr ohnehin an der Reihe.