76ers-Guard T.J. McConnell im Interview: "Sehe nicht wie der typische NBA-Spieler aus"

Ole Frerks
15. Februar 201811:33
T.J. McConnell legte kürzlich von der Bank kommend ein Triple-Double auf. getty
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T.J. McConnell gehört zu den unscheinbarsten Spielern der NBA, bei den Philadelphia 76ers hat der Point Guard jedoch seine Nische gefunden und spielt wichtige Minuten als Backup-Point Guard.

SPOX sprach mit McConnell über seine bisherige Karriere, den Umgang mit No.1-Pick Markelle Fultz und die Entwicklung von Ben Simmons.

SPOX: Mr. McConnell, es soll nicht despektierlich wirken, aber würden Sie mir zustimmen, dass fast niemand Sie als legitimen NBA-Spieler wahrgenommen oder erkannt hat, als Sie 2015 als ungedrafteter Spieler bei den Sixers unterschrieben?

T.J. McConnell (grinst): Keine Sorge, das fasse ich nicht so auf. Aber Sie haben natürlich Recht. Ich merke das ja bis heute. Auch hier [bei einer offenen Trainingseinheit in London, d. Red.] wissen sicherlich nicht alle, dass ich für die 76ers spiele. Mir ist klar: Ich sehe nicht wie der typische NBA-Spieler aus.

SPOX: Dabei läuft es ja sportlich eigentlich sehr gut bei Ihnen. Hätten Sie sich damals ausgemalt, dass Sie in ziemlich kurzer Zeit so eine signifikante Rolle bei einem Team mit Playoff-Ambitionen bekommen würden?

McConnell: Ich hatte damals ehrlich gesagt gar keine Erwartungen, ich bin einfach offen an die Sache herangegangen. Ich wollte einfach reinkommen, das tun, was die Coaches von mir sehen wollten, und mich damit sozusagen treiben lassen. Ich wusste selbst nicht genau, was für mich möglich war, ich weiß das auch heute nicht. Aber natürlich hat es bisher alles sehr gut für mich funktioniert.

T.J. McConnell legte kürzlich von der Bank kommend ein Triple-Double auf. getty

SPOX: Sie sind damit auch zum Teil des "Process" geworden, auch wenn Ihnen das vorher nicht jeder zugetraut hat. Welche Rolle spielt der frühere "Architekt" Sam Hinkie für Sie?

McConnell: Sam war der Erste, der mir in der NBA eine Chance gegeben hat, erst in der Summer League und dann auch im Profikader. Von daher schulde ich ihm eine ganze Menge. Es ist aber natürlich nicht so, dass es damit aufhört: Auch Coach Brett Brown ist für mich enorm wichtig und hat mir immer wieder Möglichkeiten gegeben, mich im Team zurechtzufinden. Keine Ahnung, wo ich ohne ihn stehen würde. Und auch Sams Nachfolger Bryan Colangelo habe ich viel zu verdanken, weil er weiter an mich geglaubt und mich behalten hat. Es gibt in der ganzen Organisation Leute, denen ich etwas schulde, auch wenn Sam sicherlich der erste war.

SPOX: Gab es für Sie Meilensteine in der Liga, bei denen Sie realisiert haben, dass Sie gewissermaßen angekommen sind?

McConnell: Wissen Sie, diese Mentalität will ich nie haben. Für mich verläuft alles von Jahr zu Jahr. Nach meiner Rookie-Saison habe ich mich hingesetzt und analysiert, was gut war und was besser werden musste, und versucht, daran zu arbeiten. Genauso handhabe ich das auch weiterhin. Ich will nie denken, dass ich angekommen bin, weil man dadurch vielleicht ein Stück weit den Hunger verliert, ein besserer Spieler zu werden. Es gab aber natürlich trotzdem schöne Momente, die für mich herausstechen.

SPOX: Der Gamewinner bei den Knicks zum Beispiel?

McConnell: Genau. Das war ein unglaublich schöner Moment für mich und auch meine Familie. Ich kann eines Tages meinen Kindern sagen, dass ich mal in New York einen Gamewinner getroffen habe - das kann sicher nicht jeder. Von daher war das wirklich eine besondere Sache.

Die Karriere-Statistiken von T.J. McConnell

SaisonPunkteAssistsReboundsQuoteMinuten
15/166,14,53,147%19,8
16/176,96,63,146,1%26,3
17/18 (* Stand 15.2.18)7,34,63,451,1%24,5

SPOX: Dann kommen wir mal auf die laufende Saison zu sprechen. Im Sommer sah es ja eigentlich danach aus, dass Ihre Rolle etwas geringer werden würde, da die Sixers mit Markelle Fultz einen Point Guard an Nummer 1 pickten, dieser ist aber bekanntlich verletzt. Wie erleben Sie Fultz und die Situation um ihn?

McConnell: Zuallererst muss ich sagen, dass Markelle einer der angenehmsten Typen ist, mit denen ich je zu tun hatte. Er ist total cool und wirklich gut integriert bei uns. Was seine Situation angeht: Wir fragen ihn nicht, wann er zurückkommt, wir lassen ihn nach Möglichkeit in Ruhe. Er muss selbst schauen, wann er sich wohlfühlt und wie es ihm geht, das kann ohnehin nur er selbst beurteilen. Natürlich stehen wir ihm trotzdem zur Verfügung, wenn er einen Rat braucht oder sich einfach unterhalten will. Wir werden ihn auch mit offenen Armen empfangen, wenn er wieder bereit ist - aber niemand von uns will ihm zusätzlichen Stress machen. Das ist ein Thema für ihn und unser medizinisches Team.

SPOX: Auch ohne den No.1-Pick: Wenn man die Sixers dieser Saison mit den Teams der letzten Jahre vergleicht, ist offensichtlich, wie viel rohes Talent mittlerweile im Kader steckt. Zuvor bestand der Kader in großen Teilen aus Spielern der G-League, heute sind mehrere Lottery-Picks und auch gestandene Veteranen wie J.J. Redick Teil des Teams. Wie erlebt man als Protagonist den Unterschied?

McConnell: Es ist definitiv ein ganz anderes Gefühl. In meiner ersten Saison in Philly haben wir insgesamt 10 Spiele gewonnen. Wir haben hart gespielt, aber wir waren einfach wirklich nicht so talentiert und auch alle noch ziemlich grün hinter den Ohren. Jetzt haben wir legitime All-Star-Talente im Kader und gehen in jedes Spiel mit der Mentalität, dass wir gewinnen wollen. Wir lernen zwar immer noch, aber wir sind jetzt auch ambitionierter mit dem klaren Ziel, dass wir in die Playoffs wollen.

SPOX: Sie haben angesprochen, dass Sie immer noch etwas zu lernen haben - was sind denn die wichtigsten Aspekte, in denen Sie als Team noch besser werden müssen? Häufig wechseln sich sehr gute Leistungen mit eher unkonzentrierten Auftritten ab.

McConnell: Korrekt, die Konstanz ist der Punkt, bei dem wir wohl noch am meisten Arbeit vor uns haben. Das ist aber auch ein Stück weit logisch: Wir sind immer noch ein sehr junges Team und wir begehen oft Fehler, die charakteristisch für junge Teams sind. Wir verlieren zu oft den Ball, wir haben auch Spiele, in denen wir viel zu undiszipliniert Fouls begehen und uns damit selbst schaden. Das sind aber glücklicherweise auch konkrete Probleme, gegen die man gut gegen anarbeiten kann. Es ist im Saisonverlauf auch schon besser geworden und wir müssen einfach darauf aufbauen.

SPOX: Wie reagiert Coach Brown auf diese Thematik? Gerade Ballverluste sind für die meisten Coaches ja fast schon ein rotes Tuch.

McConnell: Der Coach ist definitiv manchmal frustriert, was das angeht. Aber was ihn auszeichnet, ist die Tatsache, dass er sich mit dir hinsetzen und von Mann zu Mann über Fehler reden kann, ohne dabei aus der Haut zu fahren oder dich blosszustellen. Nicht, dass es grundsätzlich falsch wäre, wenn ein Coach mal brüllt - aber Brown ist einfach jemand, der sehr gut kommunizieren kann und dem man zuhören möchte. Ich glaube, dass man es angesichts seiner positiven Art umso ernster nimmt, wenn er etwas sachlich kritisiert. Das ist für ein junges Team sehr wichtig und auch einer der Hauptgründe, warum wir im Saisonverlauf stärker geworden sind.

SPOX: Eine treibende Kraft des Teams ist in Ben Simmons ein Rookie. Wie bewerten Sie seinen Start als NBA-Spieler?

McConnell: Was Ben macht, ist natürlich einfach richtig beeindruckend. Der Junge wird locker 15 Jahre auf einem ganz hohen Niveau in der NBA spielen, er ist jetzt schon einer der außergewöhnlicheren Spieler, die ich je erlebt habe. Das gilt auch für Joel Embiid. Was die beiden in ihrem Alter schon veranstalten, ist verrückt.

SPOX: Es wird ja bei Simmons immer viel darüber gesprochen, dass er einen Jumpshot braucht, um wirklich dominant zu werden. Wie sehen Sie das?

McConnell: Nun, es ist ja nicht so, dass Ben nicht jetzt schon phänomenale Zahlen auflegen würde, und er ist gerade einmal 21 Jahre alt. Er kommt nach Belieben zum Korb, ohne dass er jemals Jumper nimmt, einfach weil er so schnell, athletisch und auch intelligent ist. Aber sicherlich würde ein Jumper ihm helfen, zunächst aus der Mitteldistanz und dann vielleicht auch irgendwann von der Dreierlinie. Dann ist er überhaupt nicht mehr zu verteidigen! Ich denke, das wird auch passieren: Ben investiert viel Arbeit, um an jeder Schwachstelle zu arbeiten.

SPOX: Einige Teams haben es ja schon mit Hack-a-Ben versucht, um seine Schwäche bei den Freiwürfen auszunutzen.

McConnell: Und das hat ihn auch geärgert. Er hat daraus auch die richtigen Schlüsse gezogen und umso mehr Arbeit in seine Freiwürfe gesteckt, deswegen passiert es mittlerweile auch nicht mehr. Ben hat innerhalb von sehr kurzer Zeit diese Schwäche fast ausgemerzt, auch wenn er natürlich immer noch sicherer werden will [rund 63 Prozent seit der Jahreswende, d. Red.]. Wenn er alle Schwachstellen so attackiert, muss man sich um ihn sicherlich keine Sorgen machen.