Die Portland Trail Blazers sind überraschend deutlich per Sweep gegen die New Orleans Pelicans aus den Playoffs geflogen. Wie geht es nun weiter in Rip City - und was waren die Gründe für die deutliche Pleite? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Die Blazers haben sich als erstes Team aus den diesjährigen Playoffs verabschiedet - und das in einer Deutlichkeit, die so niemand erwartet hatte. Tatsächlich hatten die allermeisten Experten - darunter alle 22 ESPN-Analysten, was von den Pelicans bei Twitter entsprechend zelebriert wurde - auf einen Sieg der Blazers getippt. Einen knappen zwar in den meisten Fällen, weil erkannt wurde, dass das Matchup für Portland schwierig sein könnte, aber eben doch einen Sieg.
Es kam völlig anders. Die Pelicans waren nicht nur ein schwieriges, sie waren ein unmögliches Matchup für Portland. Auf beeindruckende Weise nahmen sie den Blazers die Stärken und nutzten die Schwächen wiederum gnadenlos aus - beispielsweise wurde Jusuf Nurkic de facto unspielbar, weil die Pelicans auf einen klassischen Center verzichteten und der Bosnier weder Nikola Mirotic noch Anthony Davis glaubwürdig verteidigen konnte. Auch offensiv enttäuschte er auf ganzer Linie.
Alle Spiele der Serie im Überblick
Tag | Datum | Uhrzeit | Spiel | Heim | Auswärts | Ergebnis |
Sonntag | 15. April | 4.30 Uhr | 1 | Portland | New Orleans | 95:97 |
Mittwoch | 18. April | 4.30 Uhr | 2 | Portland | New Orleans | 102:111 |
Freitag | 20. April | 3 Uhr | 3 | New Orleans | Portland | 119:102 |
Samstag | 21. April | 23 Uhr | 4 | New Orleans | Portland | 131:123 |
Das galt freilich für beinahe sein ganzes Team, insbesondere aber für Damian Lillard, der von der Pelicans-Defense bisweilen völlig aus dem Tritt gebracht wurde (dazu mehr unter Frage 2). Spiel 1 war noch eine enge Angelegenheit, danach aber setzten die Pelicans ihren Game-Plan noch konsequenter um und dominierten die Serie nahezu nach Belieben.
Als die Lawine erst einmal losgetreten war, konnten die Blazers sie nicht mehr aufhalten und schon früh im dritten Spiel der Serie wirkte es, als sei ihr Wille gebrochen. Im vierten Spiel bäumten sie sich zwar am Ende noch einmal auf, wirklich dran am Sieg waren sie aber auch zu keinem Zeitpunkt mehr.
Die Saison endete damit für 3-Seed Portland wesentlich früher als zu erwarten gewesen war, gerade nach der Siegesserie über 13 Spiele in der Regular Season. Entsprechend groß war im Anschluss natürlich auch die Enttäuschung und Verwirrung der Beteiligten. "Wir haben mehr von uns erwartet und leider sind die Dinge anders gelaufen, als wir es uns erhofft hatten", sagte der konsternierte Lillard nach Spiel 4.
Seite 2: Wie haben die Pelicans Damian Lillard den Zahn gezogen?
26,9 Punkte, 43,9 Prozent aus dem Feld und 36,1 Prozent von der Dreierlinie sowie 6,6 Assists (2,8 Turnover) hatte Damian Lillard in der Regular Season aufgelegt und sich zumindest in die Konversation um einen Platz im All-NBA First Team gespielt. Gegen die Pelicans kam Dame auf 18,5 Punkte bei 35,2 Prozent aus dem Feld und 30 Prozent von der Dreierlinie, dazu spielte er 4,8 Assists bei 4 Ballverlusten im Schnitt. Bisweilen schien es, als sei hier ein völlig anderer Spieler am Werk.
Natürlich ließ Lillard auch die eine oder andere gute Möglichkeit liegen. Das primäre Problem war aber nicht, dass Lillard auf einmal kein Playoff-Performer mehr ist (dieses Gerede ist so albern wie vorhersehbar), sondern dass er von den Pelicans absolut sensationell verteidigt wurde. In erster Linie natürlich von Jrue Holiday.
Der defensivstarke Pels-Guard ließ Lillard kaum Raum zum Atmen. Spielte er "Eins-gegen-Eins" gegen Dame, zwang er diesen immer wieder zu schlechten Abschlüssen - Zahlen von Second Spectrum zufolge traf Lillard bloß 25,8 Prozent seiner Würfe, wenn Holiday der primäre Verteidiger war. Und das bei 150 Possessions, die beide gegeneinander bestritten, die Stichprobe war also nicht gerade winzig.
Damian Lillards Splits gegen die Pelicans
Matchup | Poss. | Punkte | Assists | Turnover | FG% |
Jrue Holiday | 150 | 22 | 9 | 8 | 25,8 |
Rajon Rondo | 71 | 18 | 3 | 5 | 63,6 |
E'Twaun Moore | 46 | 16 | 2 | 2 | 45,5 |
Ian Clark | 32 | 6 | 1 | 1 | 33,3 |
Anthony Davis | 14 | 2 | 2 | 0 | 14,3 |
Nikola Mirotic | 9 | 2 | 1 | 0 | 25 |
Noch übler war es jedoch, wenn Lillard seine normalerweise größte und liebste Waffe - das Pick'n'Roll - aufziehen wollte. Und hier kam vor allem die unglaubliche Vielseitigkeit von Anthony Davis zum Tragen. Die Braue ist mobil genug, um nach einem Switch vor Lillard zu bleiben, und gleichzeitig so schnell und athletisch, dass er nach einem entsprechenden Pass sofort wieder beim Korb ist, um den Wurf zu erschweren.
Portland: Das Pick'n'Roll war keine Waffe mehr
Hier zeigte sich auch das schlechte Spacing der Blazers. NOLA konnte Lillard mit seinen Big Men immer wieder doppeln und den Pass (oder den Ballverlust) forcieren, ohne fürchten zu müssen, dass die Blazers-Rollenspieler dies konsequent bestrafen. C.J. McCollum und Al-Farouq Aminu trafen ihre Würfe, als Team traf Portland aber nur 33,3 Prozent von Downtown und so legte sich eine Zwangsjacke um Lillard, der den Ozean vor lauter Krakenarmen nicht mehr sehen konnte und dann auch entsprechend verwirrt agierte.
In der Regular Season war das Pick'n'Roll mit Lillard als Ballführer eins der verlässlichsten Plays der Blazers und quasi das Fundament ihrer Offense - Lillard lief das Play 11,9 Mal pro Spiel und generierte daraus 1,05 Punkte pro Possession. Gegen die Pelicans generierten die Blazers aus 40 Pick'n'Rolls, in denen Lillard der ballführende Spieler war, traurige 0,32 Punkte pro Possession.
Den Blazers - und hier stehen vor allem Lillard selbst und Coach Terry Stotts in der Kritik - fanden über vier Spiele kein Gegenmittel für diese aggressive Defense, keine Möglichkeit, Lillard dauerhaft gute Wurfmöglichkeiten zu verschaffen oder ihn wenigstens als Decoy einzusetzen. New Orleans setzte alles auf die Karte, Lillard aus dem Spiel zu nehmen und die restlichen Blazers dazu zu zwingen, sie zu schlagen - das konnten diese aber nicht.
Wie ist die Saison der Blazers insgesamt zu bewerten?
Das ist nicht so leicht zu beantworten - was folgender Umstand belegt: Vor wenigen Tagen galt Terry Stotts noch als zumindest warmer (wenn nicht heißer) Kandidat auf den Coach of the Year Award, jetzt wird laut New-York-Times-Reporter Marc Stein dagegen schon gemunkelt, dass der Sweep Stotts seinen Job kosten könnte. Life comes at you fast, oder so ähnlich.
Fair ist das nicht, wobei Trainerentlassungen dies natürlich selten sind. Stotts hat in der Regular Season zweifelsohne einen guten Job gemacht und mehr aus diesem Team rausgeholt als eigentlich zu erwarten gewesen war. Vielleicht wird ihm das jetzt zum Verhängnis - unterm Strich gingen die Blazers eben als 3-Seed in die Playoffs. Das steigert die Erwartungshaltung, obwohl sie auch nur einen Sieg mehr eingefahren hatten als 6-Seed New Orleans.
Das ist das Kuriose im Westen: Zwischen Platz 3 und Platz 9 lagen am Ende der Saison drei Siege. Die Blazers haben mit New Orleans dabei das schlechteste Matchup erwischt, das abgesehen von Houston und Golden State verfügbar war. Es ist natürlich kein Trost, aber sie hätten sich wohl gegen alle anderen Teams besser verkaufen können als gegen diese entfesselten Pelicans.
Die Realität ist wohl: Portland war nie so gut wie das Team, das zwischenzeitlich 13 Siege am Stück holte, Portland ist aber auch nicht so schlecht wie das Team, das jetzt beinahe chancenlos gesweept wurde.
Blazers: Fundamentale Schwachstellen bleiben
Die Blazers sind ein gutes Team, aber nicht mehr als das, weil sie über einige fundamentale Schwachstellen verfügen, die auf der größten Bühne von klugen Teams schonungslos entblößt werden können. Deswegen gehen sie jetzt auch mit mehr Fragezeichen in den verfrühten Urlaub, als es ihnen lieb gewesen wäre. Und davon gab es ohnehin einige.
Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Die Blazers haben die Erwartungen in der Regular Season ein Stück weit übertroffen und man sollte jetzt auch nicht sofort alles verteufeln, was erreicht wurde, gerade in Bezug auf Lillard. Gleichzeitig haben sie die Erwartungen in den Playoffs nicht erfüllt, und deshalb ist die Enttäuschung jetzt umso größer.
Bevor man aber den schwarzen Peter Lillard oder Stotts zuschieben und ihnen die Qualität komplett absprechen möchte: So einfach ist es dann auch nicht, weil eben ein paar mehr Faktoren eine Rolle spielen. Wie etwa die Tatsache, dass die Blazers auf einen Gegner im Rauschzustand getroffen sind.
Was machen die Blazers in der Offseason?
Es wird ein ziemlich interessanter Sommer werden. Bei den Blazers stehen einige Entscheidungen an - Ed Davis wird Unrestricted Free Agent, dazu sind Jusuf Nurkic, Shabazz Napier, Pat Connaughton und Wade Baldwin allesamt Restricted Free Agents. Die ersten vier davon waren allesamt feste Bestandteile der Rotation dieser Saison und spielten im Schnitt zwischen 18,1 (Connaughton) und 26,4 (Nurkic) Minuten. Abgesehen von Davis alle noch auf Rookie-Deals, also günstig.
Das ist bei den Blazers ein nicht ganz unwichtiger Faktor, denn: Für die kommende Saison haben sie jetzt schon 108.454.819 Dollar an GARANTIERTEN Gehältern in den Büchern stehen. Bevor auch nur einer dieser Free Agents weiterverpflichtet wurde.
Rechnet man das "tote Geld" aus früheren Deals (Andrew Nicholson, Anderson Varejao, Festus Ezeli) noch dazu, liegen die Blazers nach aktueller Schätzung jetzt schon 12,5 Millionen Dollar über dem Salary Cap und damit noch rund 9,5 Millionen Dollar vom Luxussteuer-Bereich entfernt. Wie gesagt, bevor einer der Free Agents weiterverpflichtet wurde.
Müssen Damian Lillard und C.J. McCollum getrennt werden?
Die Blazers gehören weiter zu den Teams, die die Suppe aus dem verheerenden 2016er Sommer, in dem es als gute Idee galt, Spieler wie Timofey Mozgov, Evan Turner oder Allen Crabbe mit langfristigen Top-Verträgen auszustatten, aus einer ganz besonders großen Schüssel auslöffeln müssen. Den Vertrag von Crabbe sind sie letztes Jahr schon losgeworden, trotzdem sitzen sie weiter auf enorm hohen Kosten für einen nicht enorm guten Kader.
Natürlich werden auch jetzt schon wieder Stimmen laut, dass man den Backcourt aus McCollum und Lillard aufbrechen, also vermutlich McCollum traden sollte. Eine gewisse Logik liegt dem zugrunde: McCollum könnte in der Theorie dringend benötigte Qualität auf dem Flügel bringen. Andererseits ist der Backcourt die eine wirklich besondere Qualität, über die Portland verfügt. Man sollte es damit daher nicht überstürzen.
Realistischerweise müssten die Blazers erst einmal ein paar Altlasten loswerden, bevor sie den Kader richtig aufmotzen könnten - denn es fehlt einfach an Spielraum. Die Verträge von Turner (noch über 36 Mio.), Maurice Harkless (22) und Meyers Leonard (22) laufen alle noch zwei volle Saisons. Ein McCollum-Trade, bei dem man nicht wenigstens den Turner-Vertrag loswird, würde dementsprechend kurzfristig nicht viel erreichen.
Was passiert mit Jusuf Nurkic?
Der interessanteste Free Agent dieses Sommers ist zweifelsohne Jusuf Nurkic, von dem man sich eigentlich erhofft hatte, dass er die dritte Kraft der Blazers und das optimale Gegengewicht für den Star-Backcourt sein könnte. Ihn dürfte die Serie gegen New Orleans viel Geld gekostet haben.
Nurkic war ein Negativ-Faktor und die Blazers ließen beinahe 120 Punkte pro 100 Ballbesitze zu, wenn der Center auf dem Court stand. Ihr Net-Rating mit Nurk auf dem Court betrug -12,7, da er es auch offensiv nicht bestrafen konnte, dass New Orleans (auf dem Papier) keine klassische "Kante" hatte, die seine Physis ausgleichen konnte.
Nurkic blieb mit 11,8 Punkten und nur 48,7 Prozent aus dem Feld unter seinem Saisonschnitt. Die Pelicans wussten genau, wie sie ihn aus dem Spiel nehmen konnten, und setzten dies etwas zu überzeugend um.
Die Statistiken von Jusuf Nurkic
Saison | Team | Punkte | Rebounds | Blocks | FG% |
14/15 | Nuggets | 6,9 | 6,2 | 1,1 | 44,6 |
15/16 | Nuggets | 8,2 | 5,5 | 1,4 | 41,7 |
16/17 | Nuggets | 8 | 5,8 | 0,8 | 50,7 |
16/17 | Blazers | 15,2 | 10,4 | 1,9 | 50,8 |
17/18 | Blazers | 14,3 | 9 | 1,4 | 50,5 |
Jusuf Nurkic: Neuer Deal oder Qualifying Offer?
Nurkic ist kein moderner Center und seine Fähigkeiten sind in gewissen Matchups einfach limitiert, wie es nun zu sehen war. Das heißt nicht, dass er keinen Wert hätte - aber ob er den Blazers angesichts ihrer angespannten finanziellen Lage ein langfristiges Investment wert ist, darf zumindest bezweifelt werden.
Sie dürften trotzdem versuchen, ihn zu halten, einfach auch deshalb, weil sie ihn aktuell nicht anders ersetzen können. In dieser Hinsicht wird es ihnen zugutekommen, dass ohnehin nicht viele Teams Geld haben und sich nach diesen Playoffs noch weniger Teams um ihn reißen werden, weshalb er keine übermäßig hohen Angebote erhalten dürfte.
Da er selbst aber natürlich andere Ansprüche hat, wäre es auch denkbar, dass er vorerst nur das Qualifying Offer unterschreibt und darauf spekuliert, nächstes Jahr bessere Karten zu haben.