Wer dieser Tage auf der Homepage der New York Knicks vorbeischaut, wird unter anderem mit dem folgenden Slogan dazu aufgefordert, sich Tickets für die nächste Saison zu sichern: "Experience New York's Next Chapter."
Das nächste Kapitel New Yorks also, das nächste Kapitel der Knicks. Die Verwendung dieses Slogans ist kein allzu neuer Marketing-Trick, um einen Neustart zu verkaufen - was bei der Basketball-Franchise aus dem Big Apple allerdings ein wenig albern klingt. Denn "neue Kapitel" hat es in der Vergangenheit jede Menge gegeben, viele Gründe, ein weiteres davon unbedingt erleben zu wollen, allerdings nicht.
Ein paar Beispiele nur aus den letzten Jahren, um nicht den Rahmen zu sprengen: Die Entlassung von Phil Jackson. Der Trade von Carmelo Anthony nach OKC und die Übergabe des Zepters an Kristaps Porzinigs. Der Aufbau eines Super-Teams um Derrick Rose. Die Verpflichtung von Head Coach Jeff Hornacek. Die Verpflichtung von Team-Präsident Phil Jackson. Entlassung und Verpflichtung von Head Coach Derek Fisher. Der Trade für Carmelo Anthony ... und so weiter, und so fort.
Die New York Knicks entlassen Head Coach Jeff Hornacek
Was all diese Kurzgeschichten vereint, ist die Tatsache, dass sie die Knicks nicht nach vorne gebracht haben. Und deshalb gibt es nun den nächsten Versuch, der mit der Hornacek-Entlassung am vergangenen Donnerstag eingeleitet wurde.
Der Zeitpunkt der Entlassung war einerseits schlau, weil am finalen Tag der Regular Season unmittelbar vor den Playoffs niemand großartige Lust verspürte, viel über die Knicks zu reden. Weniger schlau war die Kommunikation im Vorfeld: Wenige Stunden vorher machten Zitate von Hornacek die Runde, in denen er seine Zuversicht für die kommende Saison preisgab und alles Weitere bei einem Exit Meeting mit dem Front Office besprechen wolle.
Dazu sollte es dann nicht mehr kommen, weil dem Führungsduo bestehend aus Team-Präsident Steve Mills und General Manager Scott Perry die Arbeit des 54-Jährigen nicht mehr gefallen hat. Wenige Stunden nach dem letzten Spiel New Yorks in Cleveland wurde dem Coach die Entscheidung mitgeteilt.
"Es gab Bereiche, in denen Jeff gute Arbeit geleistet hat. Es gab aber auch welche, in denen er die Dinge etwas besser hätte machen können", lautete einen Analyse von Mills am Donnerstag. "Deshalb wollen wir nun nach jemandem suchen, der zu dem passt, was wir in drei oder fünf Jahren sein wollen."
Die New York Knicks wollen moderner werden
Mit anderen Worten: Hornacek wurde eine Weiterentwicklung des Teams nicht zugetraut. Darüber hinaus gefiel der Führungsetage wohl schon lange die Kommunikation des Coaches nach oben nicht, obendrein blieb der Erfolg aus, die Defense war eine Katastrophe und die zweitwenigsten genommenen Dreier aller Teams sprachen nicht für eine zeitgemäße Offense.
Eine Bilanz von 60-104 in zwei Spielzeiten unter Hornacek tat ihr Übriges, wobei durchaus fragwürdig ist, ob Gregg Popovich mit Steve Kerr als Assistant Coach viel mehr Siege aus dieser Truppe herausgeholt hätte. Aber das steht zunächst mal auf einem anderen Blatt.
Die Karriere-Stationen von Jeff Hornacek als Head Coach
Saison | Team | Bilanz |
2013/14 | Phoenix Suns | 48-34 |
2014/15 | Phoenix Suns | 39-43 |
2015/16 | Phoenix Suns | 14-35 |
2016/17 | New York Knicks | 31-51 |
2017/18 | New York Knicks | 29-53 |
Mills zufolge ist Hornacek nicht modern genug gewesen: "Die heutige Spieler-Generation ist anders als die gestrige. Man muss als Coach jemand sein, der versteht, wo die Jungs herkommen und auf was für einer Reise sie sich befinden. Außerdem muss man die Komplexität der heutigen NBA verstehen und sich auf Analytics einlassen. Es gibt neue Trainings-Methoden, physische und individuelle. Und ein guter Coach sollte gewillt sein, sich darauf einzulassen."
Da auf Hornacek all das offenbar nicht zutrifft, muss nun ein neuer Coach her - es wäre der erste eigens installierte von Mills und Perry, Hornacek war noch eine Entscheidung Phil Jacksons gewesen. Nicht wenige Insider behaupten übrigens, dass dieser Fakt bei der Entlassung auch eine tragende Rolle gespielt habe.
New York Knicks: Wird Mike Woodson erneut Head Coach?
Die Job-Beschreibung Mills' deutet nun auf einen jungen Coach hin, der neue Philosophien mitbringt und dies mit modernen Trainings- und Analyse-Methoden vereint. Einen Coach, der unverbraucht ist und in keinen festgelegten, verstaubten Konzepten festhängt.
ESPN zufolge verhandeln die Knicks mit Mike Woodson.
Bevor Missverständnisse auftauchen: Ja, es handelt sich um genau diesen Mike Woodson, der bereits von 2012 bis 2014 Head Coach im Garden und für die beste Saison (54-28) des Knicks-Jahrtausends und bis dato letzte Playoff-Teilnahme der Franchise verantwortlich war. Es handelt sich aber auch um den Woodson, der trotzdem in der zweiten Postseason-Runde scheiterte und im Jahr darauf mit seinem Team völlig einbrach und gefeuert wurde. Modernen Basketball ließ er mit Anthony als Iso-Fixpunkt übrigens nicht spielen.
Sollte es tatsächlich zu einem Engagement Woodsons kommen, hätte sich Mills selbst widersprochen, allerdings ist Woodson nicht der einzige Kandidat. Da wäre zum Beispiel Jerry Stackhouse, der den Anforderungen am ehesten entsprechen würde. Der 43-jährige Ex-All-Star trainiert noch die Raptors 905 in der G-League, steht aber offenbar nicht nur in New York auf dem Zettel: Die Suns, Magic, Hornets und bald wohl auch die Bucks haben offene Stellen und überall ist der Name Stackhouse zumindest schon kurz aufgetaucht.
Knicks auch nächste Saison kein Playoff-Team
Weitere Kandidaten sind David Blatt, David Fizdale und Mark Jackson, mit denen wohl konkretere Meetings anstehen. "Ich denke, dass der Job bei uns als Head Coach eine begehrte Stelle sein wird und es viele Kandidaten gibt, die unsere Vision von der Zukunft verstehen und bereit sind, sie umzusetzen", lautete Mills' Statement dazu.
Bleibt die Frage, von was für einer Vision überhaupt die Rede ist. Klar, es soll irgendwie schon wieder einen Neuanfang und einen Kultur-Reset geben - aber unter welchen Voraussetzungen? Die Aussichten auf Erfolg sind für einen neuen möglichen Head Coach zumindest kurzfristig ebenso wenig vorhanden wie ein Arbeitsplatz, an dem man in Ruhe etwas aufbauen kann.
In der kommenden Saison geht es erneut eher Richtung Lottery als Richtung Playoffs. Das gilt umso mehr, weil unklar ist, wann Kristaps Porzingis nach seinem Kreuzbandriss zurückkehrt, optimistische Prognosen gehen vom Dezember aus. Ohne den Letten verloren die Knicks 22 ihrer letzten 28 Saisonspiele, doch auch mit ihm standen sie bloß bei 23-31. Der halbwegs gute Saisonstart kam vor allem durch einen sehr netten Spielplan mit vielen Heimspielen gegen leichte Gegner zustande.
Die New York Knicks stehen ohne Potenzial da
Ansonsten gibt es nicht viel, was als "junger Kern" bezeichnet werden könnte. Frank Ntilikina, der trotz seiner Effizienzprobleme gute Ansätze im Playmaking und sehr gute in der Defense gezeigt hat, ist noch eine Ausnahme. Das Durchschnittsalter liegt jedoch bei 27,2 und damit deutlich über dem von anderen Teams, die sich im Umbruch befinden.
Der Kader der New York Knicks
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
Emmanuel Mudiay | Courtney Lee | Tim Hardaway Jr. | Michael Beasley | Enes Kanter |
Trey Burke | Frank Ntilikina | Troy Williams | Lance Thomas | Kyle O'Quinn |
Jarrett Jack | Damyean Dotson | Luke Kornet | Joakim Noah | |
Ron Baker | Kristaps Porzingis |
Unter dem Strich gibt es nur Ntilikina und Porzingis mit Potenzial für eine bessere Zukunft - Emmanuel Mudiay hat keinen Wurf, Trey Burke wird seine Iverson-Form nicht konservieren können und Tim Hardaway Jr. ist schon 26. Hinzu kommt, dass der Gehaltsspielraum eingeschränkt ist: Joakim Noah blockiert immer noch Cap, Kyle O'Quinn oder Enes Kanter haben teure Spieleroptionen. Bei der Draft Lottery gehen die Knicks mit einer 6-prozentigen Chance auf den Top Pick ins Rennen.
All das sind wenig rosige Aussichten für einen neuen Head Coach mit großen Ambitionen. Der Faktor "New York" hat aber nach wie vor eine so große Strahlkraft, dass Mills und Perry bald einen neuen Namen für die Seitenlinie vorstellen werden, den man zumindest schonmal gehört hat. Dann liegt es an diesem, ein "neues Kapitel" aufzuschlagen - wobei es aufgrund der Qualität der vorangegangenen deutlich sinnvoller wäre, ein komplett neues Buch zu schreiben.