NBA

Spiel 5 zwischen den OKC Thunder und den Utah Jazz: Heavy Metal Westbrook

Russell Westbrook hielt die OKC Thunder mit einem Kraftakt am Leben.
© getty

Russell Westbrook hatte in der Serie gegen die Utah Jazz bisher kein gutes Bild abgegeben - weder auf dem Court noch abseits davon. In Spiel 5 hat er jedoch mal wieder bewiesen, wie viel Genie seinen "Wahnsinn" trotz allem begleitet.

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"Not tonight! Not tonight!"

Die Botschaft Russell Westbrooks kam an, wahrscheinlich bei allen Anwesenden in der Chesapeake Energy Arena. Die Saison der Thunder sollte nicht enden, zumindest noch nicht an diesem Tag. Nicht in der eigenen Halle, nicht vor den eigenen Anhängern, und schon gar nicht auf diese Art und Weise.

Es war peinlich gewesen, wie sich OKC in der ersten Halbzeit und in Teilen des dritten Viertels verkauft hatte, als die Gäste einen 25-Punkte-Vorsprung aufbauten. Das hatte natürlich auch mit Westbrook selbst zu tun - der noch amtierende MVP dirigiert bei OKC immerhin die Offense, auch wenn davon zunächst nicht viel zu sehen war. Isolationen von einem Spieler folgten auf Isolationen eines anderen Spielers, die Jazz wirkten beinahe verwirrt, wie leicht es ihnen gemacht wurde. OKC schien mehr und mehr bereit zu sein, sich in den Urlaub zu verabschieden.

Das galt aber nicht für ihren Anführer. So nicht, dürfte sich Westbrook gedacht haben. Not tonight. Und wenn er dafür 100 Würfe nehmen müsste: Kampflos wollte er sich nicht ergeben. Also entschied er sich, die Angelegenheit in die eigenen Hände zu nehmen. Was dann folgte, war kaum zu glauben. Und es verdeutlichte gut, warum Westbrook einerseits so eine Kultfigur und andererseits so ein Enigma für NBA-Fans darstellt.

Russell Westbrook: Man liebt ihn oder hasst ihn

Westbrook ist - das ist kein Geheimnis - der polarisierendste Spieler der NBA. Es gibt fast niemanden, der nicht eine explizite Meinung zu Westbrook hat - man liebt ihn oder hasst ihn, dazwischen passt oft nicht viel. Für beide Standpunkte stellt die laufende Serie gegen Utah mittlerweile eine Art Mikrokosmos dar.

Sein Auftreten abseits des Courts war in den letzten Tagen gelinde gesagt unglücklich - erst tönte er öffentlich, dass er Ricky Rubio abmelden werde, dann beschwerte er sich nach dem nächsten Spiel, dass die Reporter explizit zu diesem Duell Fragen stellten. Er spielte zudem weit unter seinen Möglichkeiten und schien sich mehr mit Themen wie Rubio als mit dem Ergebnis des Spiels zu befassen.

Das Spiel der Thunder reflektierte dies - deswegen drohte ihnen ja jetzt bereits im fünften Spiel der verfrühte Urlaub. Man konnte dafür viele Erklärungen heranziehen, das Fehlen von Andre Roberson oder die "Leistungen" von Carmelo Anthony etwa, aber letztendlich führten natürlich wie immer die meisten Wege zu Westbrook. Wer so auftritt wie er, zieht eben auch Häme auf sich, wenn es nicht läuft.

Ein Comeback wie ein Überfall

Aber es gibt eben auch die andere Seite. In Spiel 5 siegten die Thunder nach 25 Punkten Rückstand - und das Comeback trug in jeder Hinsicht Westbrooks Handschrift. Nicht zuletzt natürlich deshalb, weil er es mit zwei Dreiern selbst einleitete. Im nächsten Angriff bediente er Paul George für einen Layup. Danach war wieder Westbrook an der Reihe, einmal, zweimal. Innerhalb von drei Minuten hatten die Thunder schon 12 Punkte aufgeholt.

Und es ging so weiter - Utah bekam einfach keinen Zugriff mehr auf Westbrook, gerade nachdem Rudy Gobert mit Foul-Trouble rausging und der Weg zum Korb um einiges freier wurde. Es ging so schnell, dass man immer wieder auf die Uhr blicken musste - schon zum Ende des Viertels hatte OKC die Partie ausgeglichen.

Westbrooks Statistiken in der Serie gegen die Jazz

SpielMinutenPunkteFeldwurfquoteAssistsReboundsTurnovers
1372910/258135
237197/191393
337145/179118
436237/183145
5444517/397155

Westbrook legte dabei 20 Punkte im Durchgang auf. Sie fühlten sich wie 40 an, denn mit jedem weiteren Wurf kam die Energie zurück in eine kurz vorher noch fast stille Arena. Wenn Westbrook in seiner Zone ist, mutieren OKC-Heimspiele regelmäßig zu Heavy-Metal-Konzerten. Spiel 5 war ein besonders lautes.

Westbrook 33, Utah 28

Es wird oft fast vergessen, weil über Russ so viele Grundsatzdebatten geführt werden, aber eine simple Realität ist ja: Wenn Westbrook attackiert, ist er nicht zu stoppen. Niemand kann vor ihm bleiben, die Hoffnung des Verteidigers ist eher, dass Russ einen unsauberen Pass spielt oder einfach danebenwirft. Wenn der Wurf dann fällt wie in dieser Partie, ist guter Rat teuer.

Westbrook ist einer der wenigen Spieler, die mit ihrem Willen den Ausgang einer Partie diktieren können. Spiel 5 verdeutlichte das besser als nahezu jedes Spiel seiner bisherigen Karriere: In den letzten 20:30 Minuten gewann Russ ALLEINE das Duell gegen Utah mit 33:28. Westbrook wollte seine Saison noch nicht beendet sehen, also verhinderte er die Eliminierung gemeinsam mit dem ebenfalls brillanten George.

Die beiden Superstars erzielten zusammen 79 Punkte - das restliche Team kam auf 28 Zähler. Es war nahezu albern, weil jeder wusste, was in jedem Angriff passieren würde, und trotzdem konnten die Jazz Russ und PG-13 nicht davon abhalten. "Wir waren die ganze Zeit im Attack-Mode, das ist uns gut gelungen", fasste Westbrook es selbst trefflich zusammen.

Der Rudy-Gobert-Faktor ist spürbar

Dabei spielten natürlich noch andere Faktoren eine Rolle. Allen voran die Foulprobleme von Gobert - der Franzose hatte über die Serie gesehen auch Russ am Korb eingeschüchtert, auch in dieser Partie war sein Impact klar spürbar. Wenn Gobert auf dem Court war, hatten die Jazz ein überragendes Defensiv-Rating von 89,9, ohne ihn ein eher erbärmliches (133,5).

In der Schlussphase war sein Impact auch etwas limitiert, da er eben mit 5 Fouls spielte und daher nicht so physisch agieren konnte wie sonst. Wobei Westbrook und George zu diesem Zeitpunkt ohnehin so im Rhythmus und vor allem so selbstbewusst auftraten, dass es zumindest in diesem Spiel wohl auch sonst keinen Unterschied mehr gemacht hätte.

"Das war alles unser Stolz", erklärte George danach. "Wir verlieren hier nicht. Dieses Publikum hat uns nicht aufgegeben. Das haben wir gespürt. Die Energie in der Halle war unglaublich."

Heavy Metal ohne Carmelo Anthony

Die Thunder haben also überlebt - die Frage ist nun, was das für den Rest der Serie bedeutet. Bei den beiden Spielen in Salt Lake City haben sich die Thunder sehr schlecht verkauft, auch die Jazz haben einen nicht zu verachtenden Heimvorteil. Gobert wird mit seinen Fouls vermutlich etwas vorsichtiger umgehen. Und nicht zuletzt wirken die Jazz auch immer noch deutlich mehr wie ein eingespieltes Team.

Bei OKC hingegen droht ein Problem, das man schon vor Monaten kommen sehen konnte. Der erneut schwache Anthony sah beinahe das komplette Comeback von der Bank aus und stritt sich dort lautstark mit Assistant Coach Maurice Cheeks, weil er zurück in die Partie wollte. Dabei war es wohl kein Zufall, dass OKC offensiv wie defensiv erst dann "Heavy Metal" spielen konnte, als Melo auf der Bank saß. Auch wenn natürlich vorher nicht alle Probleme an ihm lagen.

Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn Coach Billy Donovan Anthonys Spielzeit in Spiel 6 erneut reduzieren sollte. Und auch die ganzen weiteren Fragen, wie etwa die nach Georges Zukunft oder die nach Westbrooks Teamfähigkeit, bleiben natürlich bestehen. Dank einer klassischen "Russell Westbrook Experience" müssen sie aber jetzt noch nicht beantwortet werden.

Not tonight.

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