Das war also der erste Teil des Duells, auf den die NBA-Welt seit Monaten hingefiebert hat. Das Duell der Giganten in der Western Conference, Platz eins gegen Platz zwei, der Titelverteidiger gegen seinen wohl größten Herausforderer, dem zugetraut wird, die Dominanz der Dubs zu brechen.
Bei den Rockets war im Saisonverlauf viel von "Besessenheit" die Rede. Man sei besessen davon, sagte General Manager Daryl Morey schon im Dezember, die Warriors zu schlagen - dieses Ziel stand über allem. Denn wenn man sie schlägt, so die einfache Logik, wird man höchstwahrscheinlich NBA-Champion. Mehr geht nicht.
Nahezu die komplette Kader-Struktur des aktuellen Rockets-Teams wurde deshalb zusammengestellt, um die Stärken der Warriors zu matchen beziehungsweise ihnen diese zu nehmen. Mit Chris Paul, Luc Mbah a Moute oder P.J. Tucker kamen Verteidiger ins Boot, mit denen das System des ständigen Switchens perfektioniert werden konnte, die Entwicklung von Clint Capela trug ihren Teil dazu bei.
Und der Erfolg blieb keineswegs aus: Die Texaner spielten eine Rekord-Saison, dominierten die Regular-Season-Duelle mit dem Champion, beendeten die Runde als Top Seed und durften mit dem Heimvorteil im Gepäck in die Conference Finals einziehen - wo nun die Warriors warten, der ultimative Endboss also, auf den man sich so akribisch und besessen vorbereitet hat.
Die Houston Rockets können Kevin Durant nicht stoppen
Rund zweieinhalb Stunden später und mit einer 106:119-Niederlage im Gepäck dürfte die Euphorie in Texas etwas gedämpft sein. Denn der Heimvorteil ist schon wieder futsch. Viel beunruhigender wirken allerdings zwei andere Erkenntnisse. Erstens: Wenn die Warriors fokussiert spielen, sind sie immer noch eine Über-Mannschaft. Zweitens: Egal, wie besessen man Pläne schmiedet: Kevin Durant ist ein Spieler, der mit keinem Konzept verteidigt werden kann.
37 Punkte schenkte Durant den Rockets ein, bei 14/27 Treffern aus dem Feld und 50 Prozent von der Dreierlinie. 40 Minuten stand er auf dem Feld, viele davon verteidigte er gegen James Harden - und trotzdem hatte er so viel Energie für diese Offensiv-Leistung, bei der er sich nur einen einzigen Ballverlust leistete.
"Wahrscheinlich ist niemand in der Liga in der Lage, ihn vernünftig zu verteidigen", sagte Teamkollege Stephen Curry direkt nach dem Spiel. Diese knappe Analyse trifft es auf den Punkt - was die Rockets hautnah erleben mussten.
Trevor Ariza, Paul, James Harden, Tucker, Mbah a Moute, Capela und später sogar Nene: All diese Spieler versuchten sich im Eins-gegen-Eins gegen den Finals MVP von 2017 zu beweisen. Eine Chance hatte niemand von ihnen, obwohl sie ihre Sache eigentlich gut machten: Denn wirklich vorbei kam Durant selten, stattdessen musste er schwierige Fadeaways, Pullups, Hooks oder Dreier nehmen. Und er traf und traf und traf, egal wie nah die Verteidiger an ihm dran waren und seinen Abschluss störten.
Kevin Durant ist der Anführer der Warriors
"Kevin zu haben ist der ultimative Luxus", freute sich entsprechen Coach Kerr. "Wenn ein Angriff ins Stocken gerät, gib ihm einfach den Ball, und er punktet gegen jeden Verteidiger auf der Welt."
Für die Konkurrenz in den Playoffs ist die Form Durants keine gute Nachricht: Schon im vergangenen Jahr hatte er sich von Runde zu Runde gesteigert, bis er die Finals nach Belieben dominierte und für sein Team entschied.
Dabei steht er sinnbildlich für die Dubs, die mit einer komplett anderen Körpersprache und Einstellung daherkommen als noch vor wenigen Wochen. Sie sind auf einer Mission, die KD anführt: "Er war heute Morgen schon wieder der erste Spieler beim Shootaround. Wenn die Anderen ankommen, ist er schon durchgeschwitzt", lobte Backup-Point-Guard Shaun Livingston.
Für die Rockets ist diese Tatsache frustrierend. Auch sie wissen, dass sie in der Arbeit gegen KD nicht viel falschgemacht haben, aber dennoch von ihm zerlegt wurden. Als einzige Alternative bleiben Double-Teams - doch darauf hatten die Warriors schon die ganze Saison über eine Antwort. Ein offener Dreier oder ein Lobanspiel nach Zwei-gegen-Eins-Situationen sind meistens die Folge dieser Strategie. Keine rosigen Aussichten also.
Rockets machen zu viele Defensiv-Fehler
Hoffnung gibt es für die Texaner aber trotzdem. Es klingt recht komisch: Die Rockets haben gegen Durant besser verteidigt als gegen jeden anderen Warrior, viel besser sogar. "Es ist dann auch kein Problem, wenn er solche schwierigen Fadeaways oder andere unglaublichen Würfe trifft", fasste Mike D'Antoni die Sache zusammen. Das Problem, erklärte der Head Coach, lag ganz woanders.
Denn bei all dem Fokus auf Durant machte Houston abseits von ihm zu viele Fehler. 54 Punkte der Warriors waren laut ESPN Stats & Information "uncontested" - sie entsprangen also Würfen, die kein Verteidiger erschwert hat. Die Dubs durften 8 völlig offene Dreier nehmen, darunter war auch der Dagger von Klay Thompson. Auf der anderen Seite kamen die Rockets bloß zu 35 solcher "einfachen" Punkte.
Auffällig war, dass die Rockets oft dann Probleme mit der Zuordnung hatten, wenn sie gerade selbst gepunktet hatten - offenbar waren sie überrascht davon, wie schnell die Warriors, gerade in ihrem "Hamptons Five"-Lineup, den Ball einwarfen und zum Gegenstoß ansetzten.
Wenn sie diese Baustellen angehen und beheben, wäre für Spiel 2 schon viel erreicht. Was sich in diesem wiederholen dürfte, ist indes der Offensiv-Plan Houstons, der nicht sonderlich überraschend war: Sie versuchten, Curry zu isolieren und diesen im Eins-gegen-Eins zu attackieren. Der Chefkoch sah auch selten Land, besonders gegen Harden war er ohne Chance.
Chris Paul muss besser spielen
Das Manko aus Sicht der Rockets: Gegen die Warriors gewinnt man keine Serie, indem man sich nur auf Isolationen beruft, denn dafür ist ihre Defense als Gesamt-Konstrukt viel zu gut. Das sah man nicht zuletzt daran, dass Harden eine 41-Punkte-Gala ablieferte, doch die Rockets letztlich trotzdem klar verloren.
Mit Draymond Green und Durant haben die Warriors zwei der besten Helpside-Verteidiger der Liga im Kader, die selbst in Unterzahl-Situationen noch Würfe erschweren oder Pässe deflecten. Und auch Thompson ist nicht nur am Mann eine Macht, sondern auch abseits davon: Seine Antizipation in den Passwegen sucht ihresgleichen. Aufgrund dieser Eigenschaften wird es eine Mammut-Aufgabe sein, den Suppoting-Cast rund um den Bart und CP3 (der auch eine Schippe drauflegen muss) zu aktivieren.
Unter dem Strich muss für die Rockets also viel zusammenkommen, um im Rennen zu bleiben - schon Spiel 2 ist ein Must-Win-Game, denn mit einem 0:2 im Gepäck kann man sich die Reise nach Oakland eigentlich direkt sparen.
Der Protagonist aus Spiel 1 - Durant persönlich - schickte indes direkt eine Warnung an die restliche Welt: "Ich weiß nicht, ob wir überhaupt schon unser Limit erreicht haben. Wir können noch viel besser spielen." Wenn das stimmt, ist dieses epische Duell, auf das alle gewartet haben, schneller vorbei als von vielen erwartet - trotz aller Besessenheit auf der anderen Seite.