NBA Finals: Stephen A. Smith im Interview: "Die Cavs waren furchtbar und peinlich"

Daniel Herzog
09. Juni 201815:34
Stephen A. Smith war enttäuscht von der Leistung der Cleveland Cavaliersgetty
Werbung

Die NBA Finals sind mit einem Sweep zugunsten der Golden State Warriors zu Ende gegangen. SPOX und DAZN hakten bei Star-Journalist Stephen A. Smith (ESPN) nach, der mit den Cleveland Cavaliers hart ins Gericht ging und auch nicht mit Kritik an LeBron James sparte.

SPOX/DAZN: Stephen A., die Warriors haben ihre zweite Meisterschaft in Folge eingefahren. Kam Ihnen das aber diesmal in den Finals nicht ein wenig leicht vor?

Stephen A. Smith: Spiel 4 war natürlich sehr enttäuschend, aber die ersten drei Spiele war es ein Kampf. Spiel 2 sah zwar auch sehr leicht aus, aber das lag vor allem an der Explosion von Steph Curry. Cleveland hat da alles versucht, aber es reichte nicht. In Spiel 1 wissen wir alle, was passiert ist. In Spiel 3 haben die Cavs gekämpft, aber LeBron hatte nicht sein bestes Spiel. In Spiel 4 haben sie komplett abgeschenkt, es war furchtbar und peinlich von den Cavs. Das war eines Champions unwürdig und wenig später hören wir dann von der gebrochenen Hand von LeBron. Ich bestreite gar nicht, dass dies wahr ist, aber solche Entschuldigungen will ich direkt nach dem Spiel nicht hören.

"Cleveland? Das war enttäuschend"

Man muss sich auch die vielen Fehler in der Verteidigung anschauen, ich meine die viele Backdoor-Cuts, Leger im Fastbreak, völlig offene Dreier. Das waren viel zu viele defensive Aussetzer. Da kann der Coach in Frage gestellt, der Einsatz der Spieler oder auch LeBron hinterfragt werden, der Spiel 3 nicht aggressiv genug war und in Spiel 4 ein bisschen zu früh aufgegeben hat. Es war eine enttäuschende Vorstellung. Ein Champion stand auf dem Feld und hat sich auch so verhalten, während das andere Team sich fast schon geweigert hat, dagegen zu halten. Das war eines der peinlichsten Finals-Spiele, die ich je gesehen habe und ich habe Teams mit 40 Punkten verlieren sehen. Selbst bei diesen Teams fehlte der Einsatz nicht so sehr, wie es heute der Fall war.

SPOX/DAZN: Haben Sie eine Erklärung dafür?

Smith: Sie haben Spiel 3 verloren und wussten, dass die Finals quasi vorbei waren. Sie hatten wahrscheinlich schon ihren Urlaub gebucht. Sie wollten wahrscheinlich nicht noch einmal in die Oracle Arena und sehen, wie die Warriors in ihrer Halle den Titel feiern würde.

SPOX/DAZN: Sagen Sie damit, dass die Cavs mit Absicht verloren haben?

Smith: Nein, das meine ich damit nicht, aber sie haben sich hängen gelassen. Sie werden sich gesagt haben, dass sie in den ersten drei Spielen alles gegeben haben, was aber nicht genug war. Es ist vielleicht leichter zu verstehen, wenn man auf das vergangene Jahr blickt, als Kyrie Irving noch für die Cavs spielte. Da hatten die Cavs eine Chance. In Spiel 3 machte er 38 Punkte, im Spiel darauf sogar 40. Diesmal gab es niemanden, der LeBron helfen konnte. In Kombination damit, dass LeBron nicht bei 100 Prozent war.

"Ansammlung von Individualisten"

Er hat viele Pässe mit der linken Hand gespielt, daran kann man gut erkennen, dass er verletzt war. Die Warriors waren das bessere Team, waren uneigennützig, haben gut zusammengespielt, ihre Dreier getroffen und sind ihre Sets besser gelaufen. Sie sahen wie ein Basketball-Team aus, während auf der anderen Seite nur eine Ansammlung von Individualisten auf dem Feld war. Die eine Hälfte wollte spielen, die andere konnte es nicht. So einfach ist das.

SPOX/DAZN: Sie haben zuletzt gesagt, dass dies mit Michael Jordan niemals passiert wäre ...

Smith: Definitiv nicht. Er hätte wahrscheinlich in der Halbzeitpause jemanden erschossen. Er hätte jemanden gewürgt, geschlagen oder etwas anderes getan. Er hätte nicht die Taktiktafel geschlagen, sondern die Spieler. So kenne ich Michael Jordan. Ich werde jetzt hier aber keine MJ vs. LeBron-Diskussion anzetteln, denn ich glaube weiter, dass dies einfach kein Vergleich ist. Wenn du mit 3-5 in die Finals kommst, brauchst du nicht mit jemandem messen, der bei 6-0 steht.

"Jordan hätte sowas verhindert"

Jordan steht nur deshalb nicht bei 8-0, weil er zwischenzeitlich eine Auszeit nahm und zwei Jahre Pause machte. Damit habe ich weiter kein Problem, denn ich weiß, was Michael für ein Killer und Wettkämpfer war und mit welcher Verbissenheit er gespielt hat. Unter ihm gab es keine Mitspieler, die vorzeitig aufgaben. Das hätte er verhindert, dafür stand er. Eher hätte er jemanden verletzt - während des Spiels.

SPOX/DAZN: Wie geht es nun mit diesen Cleveland Cavaliers weiter?

Smith: LeBron wird gehen, da bin ich mir sicher.

SPOX/DAZN: Und wie geht es mit den Cavs weiter?

Smith: Keiner wird sich mehr für sie interessieren. Ohne LeBron James sind sie ein Lottery Team, das wissen wir alle. Das spricht natürlich auch für die Qualität von LeBron James als Spieler, dass er diese Mannschaft in die Finals geführt hat. Mich stört nur die Leistung von Spiel 4, nicht seine Saison oder seine komplette Karriere. Wir müssen vor ihm den Hut ziehen, vor seinem Talent, dieses Team in die Finals geführt zu haben, davor dass er der beste Spieler im Moment und seiner Generation ist. Aber er ist auch dafür verantwortlich, dass Kyrie wegwollte, dass dieser Kader so zusammengestellt wurde oder für die Verträge einiger Spieler. Dafür muss auch LeBron den Kopf hinhalten.

"LeBron trägt auch Verantwortung am Kyrie-Trade"

LeBron hat natürlich nicht gefordert, dass Kyrie gehen soll, das hat Besitzer Dan Gilbert gemacht, obwohl Irving noch zwei Jahre Vertrag hatte. Es ist aber ein Unterschied, ob man mit aller Macht einen Spieler halten will oder sagt, dass man es versteht, wenn man ihn abgibt. Das ist wie mit einem Mädchen. Entweder man sagt: 'Bitte, verlass mich nicht' oder 'Ich möchte nicht, dass du mich verlässt, aber ich werde dich auch nicht aufhalten.' Deswegen muss auch LeBron für den Trade von Irving Verantwortung übernehmen. Es ist traurig, LeBron in den Finals in dieser Situation zu sehen, aber es ist eben nicht abzustreiten, dass er auch seinen Anteil daran hatte.

SPOX/DAZN: Lassen Sie uns noch über den Finals-MVP reden. Kevin Durant hat die Trophäe erneut bekommen und wieder nicht Stephen Curry. Können Sie die Entscheidung nachvollziehen?

Smith: Ich denke schon. Nach seiner 43-Punkte-Performance hat er in Spiel 4 auch noch ein Triple-Double nachgelegt. Auch in Spiel 2 war er mit 26 Punkten bei 10/14 aus dem Feld gut, nur in Spiel 1 wurde er von LeBron klar dominiert. Danach war er aber sensationell und verdient es. Ich hätte aber auch nichts gegen Curry gehabt. Beide hatten drei überragende Spiele, Curry war nur in Spiel 3 mit 1/10 aus der Distanz nicht gut. Durant hat in Spiel 4 zwar die ganze Zeit versucht, Curry zu unterstützen, damit er den MVP-Award doch noch gewinnt, aber das hat nicht funktioniert.