Wie geht es bei den Cleveland Cavaliers ohne LeBron James weiter?
Zunächst die positive Nachricht: Die Cavaliers haben so etwas wie einen Plan B in der Hinterhand, der die Zukunft ohne LeBron James betrifft. Das war 2010, als er sich Richtung Miami verabschiedete, anders: Damals traf LeBron die Franchise mit seinem Abschied komplett unvorbereitet.
Trikots brannten, Besitzer Dan Gilbert versprühte Hass und Enttäuschung, die Cavs fühlten sich verraten und hatten keine Alternative zum radikalen Rebuild. Der Owner ließ sich derweil zum Statement hinreißen, dass die Cavs ohne LeBron eher einen Titel gewinnen würden als der Abtrünnige in Miami. Wie wahnsinnig falsch er damit liegen würde, war damals praktisch jedem klar.
In der Folgezeit häufte Cleveland Picks an, um den Umbruch voranzutreiben. Dreimal durften sie an erster Stelle wählen, 2011 gelang ihnen mit Kyrie Irving ihr einziger echter Coup. 2013 schnappten sie sich Anthony Bennet.
Kurioserweise war LeBrons Abgang 2010 mit seiner Heimkehr vier Jahre später der vielleicht einzige Weg, den Cavs eine Championship zu ermöglichen. Denn ohne das Tanking in der Zwischenzeit hätte es LeBron und Irving im Cavs-Trikot nie gegeben, ohne das Tanking hätten sie 2014 nicht No.1-Pick Andrew Wiggins gegen Kevin Love tauschen können.
Eine erneute Heimkehr in vier Jahren wird es diesmal kaum geben - doch auch darüber hinaus sind die Umstände andere. Das zeigen schon Gilberts warme Worte zum Abschied, Trikots gehen diesmal nicht in Flammen auf. Auch der letzte Cavs-Fan dürfte nämlich verstanden haben, dass ihm LeBron seit der Championship 2016 nichts mehr schuldet.
Auch ein XXL-Tanking müssen die Cavaliers-Fans allein schon aufgrund des schwachen Ostens nicht befürchten. Das Front Office hat den Abschied von James wohl geahnt und fuhr deshalb schon lange zweigleisig - mit einer Kaderstruktur, die mit James Contender wäre und ohne ihn zumindest wettbewerbsfähig bleibt (dass dieser Kompromiss nicht die Optimal-Lösung für beide Wege darstellte, ist klar, aber zum gewissen Teil eben auch LeBrons Free-Agent-Poker geschuldet).
Der aktuelle Kader der Cleveland Cavaliers
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
George Hill | JR Smith | Kyle Korver | Kevin Love | Tristan Thompson |
Collin Sexton | Jordan Clarkson | Cedi Osman | Jeff Green | Ante Zizic |
Larry Nance | Kendrick Perkins | |||
Okaro White |
Der Trade von Kyrie Irving vergangenen Sommer, der den Cavs den diesjährigen Brooklyn-Pick und letztlich den vielversprechenden Point Guard Collin Sexton bescherte, ist ein entscheidender Faktor für die Zukunft. Sexton kommt nun in eine Situation, in der er einerseits hinter Veteran George Hill lernen kann, andererseits aber schon den "echten" Wettbewerb kennenlernt (anders als Rookies in Tanking-Teams). Was dies für positive Effekte haben kann, zeigten zuletzt die Spielzeiten von Donovan Mitchell in Utah oder Jayson Tatum in Boston.
Dass die Cavs relevant bleiben wollen, zeigt auch ihr Umgang mit Kevin Love. Verschiedene Quellen berichten, dass der All-Star keineswegs für Picks oder Talent abgegeben werden, sondern stattdessen dabei helfen soll, das Team um jeden Preis in die Playoffs zu hieven. Dass dann wahrscheinlich in der ersten Runde Schluss ist, spielt vorerst keine Rolle.
Neben dem Kern um Hill, Sexton, Tristan Thompson, Love, Cedi Osman und Veteranen wie JR Smith oder Kyle Korver kann auch nach James' Abgang in der Free Agency kaum noch nachgebessert werden. Für James hätten sie mit den Bird-Rights weit über den Salary Cap hinausgehen dürfen, mit fremden Free Agents funktioniert das nicht. 120 Millionen Dollar stehen nach jetzigem Stand für 2018/19 in den Gehalts-Büchern, weshalb nur noch mit kleinen Exceptions und Minimal-Verträgen gearbeitet werden darf.
Mit James hätte man viele solcher Kandidaten angelockt, ohne James wird man aber nur die "Reste" der Free Agency verpflichten können. Wenn es keine Trades gibt, steht der Kader also erstmal, der die Playoffs ermöglichen kann - mehr aber nicht.
Laut cleveland.com soll Besitzer Gilbert die Antriebskraft hinter diesem Plan sein. Die vier Jahre zwischen 2010 und 2014, als die Cavs zu den schlechtesten Teams der Liga gehört haben, sollen den ambitionierten Milliardär enorm geschmerzt haben. Deshalb will er eine Wiederholung davon um jeden Preis verhindern.
Wie sinnvoll diese Strategie ist, sei mal dahingestellt. Verständlich ist die Denkweise des Owners allerdings: Der letzte Rebuild-Versuch wäre nach hinten losgegangen, wenn James nicht heimgekehrt wäre. Und in einem kleinen Markt wie Cleveland kommen die Leute nicht in die Halle, um Niederlagen zu sehen. Deshalb ist mittelfristig gesichertes Mittelmaß besser als Tanking ohne Garantie auf bessere Zeiten.