Drei Rookies stachen vergangene Saison aus einem bärenstarken Jahrgang heraus - Ben Simmons, Jayson Tatum und Donovan Mitchell. Für alle drei verlief der Saisonstart indes nicht ganz so triumphal, gerade im Teamverbund. NBA-Redakteur Ole Frerks untersucht in seiner Kolumne die Ursachen und Umstände.
Viel war in der vergangenen Saison zu hören von "historischen" Rookies, die (fast) nie vorher Gesehenes leisteten und, insbesondere in zwei Fällen, schon All-Stars hätten sein können. Während der Saison konzentrierte sich der Hype vor allem auf Ben Simmons und Donovan Mitchell, spätestens in den Playoffs machte Jayson Tatum dann das Trio perfekt.
Die drei waren Rookies (Simmons nicht nach jeder Definition, aber nach der wichtigsten), die nicht nur gute Zahlen auflegten, sondern auch in den Playoffs ihre Klasse unter Beweis stellten - drei künftig womöglich prägende Gesichter der Liga, drei Spieler, die die Erwartungen an sie deutlich übertrafen. Drei Superstars, eher morgen als übermorgen.
Nun ist bereits der nächste starke Jahrgang am Start und auch bei Luka Doncic, Trae Young und Deandre Ayton wurde das Zahlenbingo längst bemüht, um ihre Einzigartigkeit herauszustellen, wie das in NBA-Kreisen so gemacht wird ("Der erste Linkshänder mit der Nummer 14, der 4 Assists, drei Offensiv-Rebounds und einen Dunk verzeichnet hat! Historisch!"). Um die Neuen soll es hier aber nicht gehen.
Stattdessen geht es um das Trio vom letzten Jahr, den Kontrast zwischen Erwartungshaltung und Realität und den Punkt, an dem großer Hype eine ebenso große Gegenreaktion hervorruft, den fast jeder junge Spieler irgendwann erreicht (oder, Karl Towns?). Kurz gesagt: Wie schlagen sich die drei besten Rookies der Vorsaison bisher als Sophomores?
Ben Simmons: Der eine Makel bleibt bestehen
Den Anfang macht der Rookie des Jahres, standesgemäß. Zumal die "Probleme" von Simmons ganz gut verdeutlichen, dass in der NBA immer noch jeder Spieler, sogar die besten, auch von seinen Umständen beziehungsweise Nebenleuten beeinflusst wird. Blickt man auf die bisherigen Statistiken von Simmons, könnte man leicht behaupten, dass er sich eher zum Schlechten verändert hat:
Die Statistiken von Ben Simmons
Saison | Spiele | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% | FT% | Minuten |
RS 17/18 | 81 | 15,8 | 8,1 | 8,2 | 54,5 | 0 | 56,0 | 33,7 |
PO 17/18 | 10 | 16,3 | 9,4 | 7,7 | 48,8 | 0 | 70,7 | 36,9 |
RS 18/19 | 13 | 15,0 | 9,6 | 7,8 | 52,7 | 0 | 61,9 | 32,3 |
Ganz so leicht ist es aber nicht. Es ist auffällig, dass die Sixers aktuell in den Minuten ohne Simmons (Net-Rating: +5,2) erfolgreicher spielen als mit ihm (-4,4). Insbesondere ohne Joel Embiid: In den 10 Minuten pro Spiel, die Simmons ohne den dominanten Center auf dem Court steht, werden die Sixers mit -14,1 Punkten pro 100 Ballbesitzen abgefrühstückt. Das ist besorgniserregend, allerdings auch ein Stück weit erklärbar.
Philly hatte auch letzte Saison lange Zeit große Probleme damit, ohne Embiid eine glaubwürdige Offense zu produzieren. Richtig gut gelang ihnen das erst in dieser magischen Phase zum Saisonende, als Philly ohne Embiid 17 Spiele in Folge gewann und Simmons scheinbar den Sprung vom Super-Rookie zum Superstar machte. Unter anderem deshalb, weil Philly nicht allzu lange davor mit Marco Belinelli und Ersan Ilyasova zwei dringend benötigte Veteranen-Shooter verpflichten konnte.
Das Wirken der beiden wurde seither ein wenig verklärt; sie waren nicht die perfekten Spieler, zu denen sie im Nachhinein teilweise gemacht wurden, aber sie erfüllten einen Need und ergänzten vor allem eine Bank, die bis dahin kaum den Namen verdiente. Die Defense wurde durch sie keineswegs besser, wie Boston in den Conference Semifinals schonungslos aufzeigte, aber die Theorie, viele Schützen um den genialen Passer Simmons aufzubieten, war logischerweise die richtige.
Es war per se kein Fehler, diese beiden Veteranen im Sommer nicht zu halten - der Fehler lag eher darin, sie im Sommer nicht gleich- oder höherwertig zu ersetzen. Wilson Chandler war bisher viel verletzt, was man über fast jedes Jahr seiner Karriere sagen kann. Mike Muscala ist theoretisch ein guter Floor-Spacer, in der Realität trifft er derzeit nicht viel. Zhaire Smith ist verletzt und kein Shooter. Nemanja Bjelica stand im Wort, ging dann aber nach Sacramento. Philly hatte ein Shooting-Problem.
Zumal dieses durch die Veränderung der Starting Five noch verstärkt wurde: Mit J.J. Redick ging einer der besten Shooter der NBA-Geschichte auf die Bank, mit Markelle Fultz stand nun ein weiterer Non-Shooter neben Simmons. Bis zum jüngsten Trade von Dario Saric und Robert Covington für Jimmy Butler war RoCo sogar Phillys einziger Floor-Spacer in einer Starting Five, die letztes Jahr mit Redick statt Fultz das beste Heavy Minutes-Lineup der Liga formierte. Das Resultat war ein Net-Rating von -1,4 für diese Starting Five, das durch den Trade nun offiziell begraben wurde.
Es wäre etwas zu leicht, alle Probleme an Fultz festzumachen, und die Logik, den 2017er No.1-Pick für die Langzeit-Perspektive aufzubauen, war zumindest verständlich - aber für den Moment schwächte dieser Tausch Philly eindeutig. Die Sixers hatten zu wenig Platz, im Halbfeld konnten sich die Teams teilweise mit zwei oder drei Verteidigern auf Embiid stürzen. Die Statik war völlig verschoben.
Da zudem viel zu wenig Bewegung rund um dessen Post-Ups erfolgte, waren die Sixers offensiv teilweise sehr leicht auszurechnen, auch wenn, das sei dazu gesagt, niemand Embiid verteidigen kann. Für Simmons wiederum gilt das aktuell nur in Transition, bei unsortierter Defense, gegen die er seine LeBron-artige Kombination aus Schnelligkeit, Athletik und Übersicht ausspielen kann.
Im Halbfeld hingegen kann man Simmons manchmal eher mit Rajon Rondo vor einigen Jahren vergleichen, bevor sich dieser einen zumindest ansatzweise respektablen Distanzwurf aneignete. Hier kann und muss man Simmons auch durchaus einen Vorwurf machen: Im Sommer sprach er davon, viel an seinem Wurf gearbeitet zu haben, sichtbar ist das bisher aber kaum.
Die Freiwurfquote ist leicht besser geworden, immerhin. Aber Simmons verweigert immer noch fast jeden Wurf, sogar noch mehr als im letzten Jahr: Simmons nimmt 85 Prozent seiner Würfe aus weniger als 3 Metern Korbentfernung (17/18: 78 Prozent), einen Dreier hat er noch nicht versucht. Vermutlich zu Recht: Von den 22 Würfen, die er bisher von "weiter draußen" genommen hat, hat er drei getroffen. Halleluja. Kein Wunder, dass die meisten Verteidiger meterweit von ihm absinken.
Zumal es eben schwieriger ist, dies zu bestrafen, wenn nur ein einziger gefährlicher Shooter abseits des Balles bewacht werden muss. Mit einem oder zwei unterdurchschnittlichen Shootern kann man viel erreichen, auch in der heutigen Zeit. Aber nicht mit vier, von denen zwei nahezu gar nicht verteidigt werden. Auch Butler ist ja kein Floor-Spacer, auch wenn er durchaus werfen kann - ein natürlicher Fit neben Simmons und Embiid ist einer der bulligsten Swingmen der Liga eher nicht.
Es spricht für Simmons' Vielseitigkeit und Klasse in allen anderen Belangen, dass er trotzdem erneut ein beeindruckendes Statistik-Paket schnüren kann. Aber bei Spielern mit solcher Begabung gelangt man eben schneller an einen Punkt, an dem Statistiken nicht ausreichen - man will die Entwicklung sehen, zumal der Australier selbst schon davon gesprochen hat, MVP werden zu wollen.
Ein Großteil der hier angesprochenen Probleme der Sixers werden sich fixen lassen, wenn sich die Lineups etwas mehr finden und vielleicht auch noch der eine oder andere Move getätigt wird wie in der letzten Saison. Der Buyout-Markt ist in dieser Saison augenscheinlich ja auch schon etwas früher offen (siehe Tyson Chandler).
Eine gewisse Verbesserung war über die letzten Spiele auch bereits festzustellen. Nun muss Brett Brown noch einmal Veränderungen an seiner Starting Five vornehmen, nicht nur wegen Butler. Ein Lineup aus beispielsweise Simmons, Redick, Butler, Chandler (wenn fit) und Embiid könnte noch weitaus furchteinflößender wirken als die Starting Five der letzten Saison.
Der vielleicht höchste Druck lastet dennoch auf Simmons. Es ist für jeden Zuschauer erkenntlich, dass dieser 22-Jährige fast alles beherrscht, was man auf dem Court beherrschen kann, auch defensiv hat er ja mindestens All-Defensive-Potenzial. Gleichzeitig ist die eine große Schwachstelle aber mindestens ebenso offensichtlich.
Niemand erwartet von Simmons, dass er ab morgen fünf Dreier pro Spiel nimmt, aber ein gewisser Fortschritt muss erkenntlich sein - diese Erwartungshaltung entsteht, wenn man das Potenzial gezeigt hat, einer der fünf oder zehn besten Spieler der Welt zu sein. Sollte sich Simmons allerdings schon an diesem Ziel wähnen, wird er es nicht erreichen.
Und dann ist wohl auch das Experiment mit der neuen Big Three in Philly zum Scheitern verurteilt. Dass Butler nicht unbedingt zimperlich mit jungen Spielern umgeht, die seiner Meinung nach nicht alles tun, um ihr Potenzial abzurufen, ist noch ein weiterer Aspekt, der die Sixers-Saison von nun an sogar noch interessanter macht.
Jayson Tatum: Zwischen Mamba Mentality und Verstopfung
Der Celtics-Forward erlebte vergangene Saison gewissermaßen mehrere Spielzeiten in einer. Durch den frühen Ausfall von Gordon Hayward wurde er früh in eine große Rolle gedrängt, allerdings als Rollenspieler, der zeitweise die beste Dreierquote der Liga produzierte und ansonsten vor allem dadurch auffiel, dass er mit seinen 19 Jahren kaum Fehler machte und defensiv bestens ins Konzept der Celtics passte.
Im Lauf der Saison veränderte sich seine Rolle indes stetig und als sich dann auch noch Kyrie Irving verletzte, trat er bisweilen in den Playoffs sogar als Offensiv-Alphatier auf - seine Leistungen vor allem gegen Philly und Cleveland ließen ihn wie einen sicheren All-Star und zeitweise sogar wie das größte Talent der Celtics (noch vor Irving) aussehen. Den Sommer über wurde Tatum fast noch mehr gehypt als Simmons und Mitchell, obwohl er in der Regular Season an beide nicht rankam.
Ähnliches ließ sich natürlich auch über die Celtics sagen, denen der Osten nach LeBrons Abgang scheinbar auf dem Silbertablett serviert wurde. Weder Tatum noch sein Team können diesen Lorbeeren bisher gerecht werden. Man sieht das Potenzial, das Arsenal, die Fußarbeit - aber Tatum hat sich ein bisschen zu sehr von dem entfernt, was ihn letzte Saison ausgezeichnet hatte.
Die Statistiken von Jayson Tatum
Saison | Spiele | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% | FT% | Minuten |
RS 17/18 | 80 | 13,9 | 5,0 | 1,6 | 47,5 | 43,4 | 82,6 | 30,5 |
PO 17/18 | 19 | 18,5 | 4,4 | 2,7 | 47,1 | 32,4 | 84,5 | 35,9 |
RS 18/19 | 13 | 16,1 | 7,0 | 2,5 | 41,3 | 38,6 | 90,0 | 33,0 |
Der Witz ist fast schon zu naheliegend: Tatum arbeitete im Sommer mit Kobe Bryant zusammen und natürlich hatte die Lakers-Legende eine andere Agenda im Sinn, als den verhassten Celtics in irgendeiner Form zu helfen. Stattdessen infiltrierte er ihn mit Gedanken, dass er von nun an die Luft aus dem Ball dribbeln und sich vor allem auf schwierige Midrange-Jumper verlassen sollte. Mamba Mentality eben.
Vermutlich ist es nicht ganz so diabolisch abgelaufen. Was man allerdings festhalten muss: Tatums Wurfauswahl ist eine andere und seine Effizienz ist dadurch ziemlich in den Keller gegangen. Beispielsweise sind aktuell 35 Prozent seiner Würfe Pullup-Jumper aus der Mitteldistanz (letzte Saison knapp 28 Prozent), dafür nimmt er weniger Würfe aus dem Catch-and-Shoot (und trifft sie viel schlechter) und in unmittelbarer Korbnähe (dito).
Er hat diverse hochprozentige Abschlüsse zugunsten schwierigerer und weniger ertragreicher Würfe geopfert - Tatum verzeichnet bei seinen Pullups nur eine miese effective Field Goal Percentage (eFG%) von 34 Prozent. Ein Stück weit ist das symptomatisch für sein Team.
Die Celtics sind auch in dieser Saison ein dominantes Defensiv-Team, woran Tatum seinen Anteil hat. Ihr Defensiv-Rating von 102,7 ist abermals das beste der Liga. Offensiv dagegen sind aktuell nur drei Tanker-Brigaden (Phoenix, Atlanta, Orlando) schlechter als Boston, was so nicht zu erwarten war. Obwohl man mit einigen Schwierigkeiten rechnen konnte.
Die Celtics versuchen derzeit, mehrere Leistungsträger zu (re-)integrieren und gleichzeitig andere zurück ins Glied zu drängen, die gerade in den Playoffs ganz andere Rollen einnehmen durften und mussten. Das hat den Rhythmus durcheinander gebracht, zumal insbesondere Irving und Hayward zu Beginn nicht ganz fit waren. Irving ist mittlerweile wieder auf seinem alten Niveau, bei Hayward dürfte das noch eine ganze Weile dauern.
Es ergibt langfristig natürlich Sinn, ihm für die Eingewöhnung Zeit zu geben, aber zwischenzeitlich nimmt Hayward Spielanteile von Akteuren weg, die aktuell besser wären als er. Allen ist daran gelegen, dass er seine alte Form erreicht, aber bis dahin wird es viele Situationen geben, in denen Spieler so sehr darauf bedacht sind, sich nicht gegenseitig auf den Füßen zu stehen, dass letztendlich genau das passiert.
Abgesehen vom bestens aufgelegten Marcus Morris lässt sich das aktuell bei fast allen Celtics-Spielern erkennen - es gibt zu wenig echtes Zusammenspiel und oft hat man das Gefühl, einer ist "dran" und die anderen schauen zu. Von Kyrie abgesehen gibt es keine echte Hackordnung. Das vorhandene Potenzial wird nicht immer ideal genutzt und oft ist wenig Spielfluss zu sehen.
Auch bei Tatum ist oft ein gewisses Zögern zu erkennen. Letzte Saison sah man ihn fast nie nachdenken, seine Entscheidungen traf er schnell, präzise und meistens gut. Dieses Selbstverständnis scheint derzeit ein wenig zu fehlen.
Selten geht er nach Pump-Fakes an der Dreierlinie konsequent bis zum Ring, öfter stoppt er in der Mitteldistanz ab und nimmt weniger vielversprechende Würfe. Dass ein Spieler seiner offensiven Klasse nicht einmal vier Freiwürfe pro Spiel nimmt, ist kein gutes Zeichen. Zumal er um den Korb herum jeden erdenklichen Move und einen großartigen Touch hat - man würde sich hier einfach noch etwas mehr Entschlossenheit wünschen.
Auch bei Tatum ist indes zu erwarten, dass der Rhythmus mit etwas mehr Zeit und Eingespieltheit zurückkehren wird. Es ist ja nicht so, dass er auf einmal nur noch schlechte Würfe nehmen würde, aber derzeit trifft er auch die per Definition offenen nicht gut. Waren es letzte Saison 57 Prozent (offen) und 69 Prozent (weit offen) eFG%, sind es aktuell jeweils 47 Prozent - das ist unter anderem durch die kleine Stichprobe zu erklären und sicherlich nicht haltbar. Im jüngsten Spiel gegen Portland etwa zeigte er mit effektiven 27 Punkten ja durchaus, dass es nach wie vor auch anders geht.
Gleichzeitig muss man die Situation um Tatum dennoch ein wenig im Auge behalten. Wer einen Playoff-Durchbruch wie er erlebt hat, rechnet normalerweise zurecht mit größeren Spielanteilen. Diese bekommt er derzeit kaum, wobei es ihm noch besser ergeht als beispielsweise Jaylen Brown oder Terry Rozier.
Es wird zwar zurecht als Luxusproblem bezeichnet, wenn man zu viele gute Spieler hat, aber ein Problem kann es dennoch sein. Gerade für so junge Spieler wie Tatum, die einen kompletten Sommer hören durften, dass sie das "next big thing" der NBA sein sollen. Auch bei den allergrößten Talenten ist es eben nicht realistisch, dass sie ohne Hürden einfach kontinuierlich besser werden, gerade dann, wenn sich um sie herum so viel verändert.
Donovan Mitchell: Die Leiden des jungen Go-to-Guys
Am Guard der Jazz lässt sich ein weiteres Problem junger Spieler, insbesondere erster Optionen, recht gut verdeutlichen. Nachdem Mitchell vergangene Saison als erster Rookie seit Carmelo Anthony ein Playoff-Team beim Scoring anführte und dieses dann auch noch zu einem überzeugenden Sieg in den Playoffs führte, gibt es mittlerweile keinen Überraschungsfaktor mehr.
Wer gegen die Jazz spielt, der setzt "Mitchell stoppen" zumeist ganz weit oben auf den Matchplan. Der 22-Jährige hat dies auch bereits selbst anerkannt: "Ich werde viel physischer verteidigt. Sie nehmen mir die offenen Würfe und jetzt muss ich schwierigere Abschlüsse nehmen. Das ist alles", erklärte Mitchell zuletzt seinen etwas holprigen Saisonstart gegenüber den Deseret News.
Zudem gab er zu, dass er es zum Start der Saison oft erzwingen wollte und bisweilen den besser postierten Mitspieler übersah, weil er es mit dem Kopf durch die Wand versuchte. Kleinere Verletzungsprobleme kamen dazu, weshalb Mitchell noch nicht komplett den Rhythmus der letzten Saison erreicht hat. Beziehungsweise vom Ende der letzten Saison.
Die Statistiken von Donovan Mitchell
Saison | Spiele | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% | FT% | Minuten |
RS 17/18 | 79 | 20,5 | 3,7 | 3,7 | 43,7 | 34,0 | 80,5 | 33,4 |
PO 17/18 | 11 | 24,4 | 5,9 | 4,2 | 42,0 | 31,3 | 90,7 | 37,4 |
RS 18/19 | 10 | 22,3 | 2,9 | 4,5 | 43,2 | 31,0 | 79,5 | 34,5 |
Blickt man auf die kompletten Saisonzahlen, ist Mitchell ja fast exakt der gleiche Spieler, etwas weniger effizient, dafür aber mit höheren "totalen" Zahlen. Das ist jedoch nicht ganz richtig. Der Guard wuchs vergangene Saison in seine Rolle herein und wurde nahezu von Monat zu Monat besser (natürlich mit etwas Streuung), im April etwa eine eFG% von 53,4 (im Oktober: 38,2).
Momentan liegt dieser Wert wieder deutlich drunter (48,7 Prozent), was teilweise auch an einem veränderten Wurfprofil liegt. Über 25 Prozent seiner Würfe etwa nimmt Mitchell derzeit nach 7+ Dribblings oder mehr, letzte Saison waren es knapp 20. Dazu ist sein Anteil an Catch-and-Shoot-Würfen deutlich gesunken. Dass er diese bisher auch nicht allzu gut trifft, ist angesichts der geringen Stichprobe zu verschmerzen, aber er müsste wieder mehr dieser Würfe bekommen.
Ein Stück weit ist das natürlich auch wieder den Umständen geschuldet. Utah ist aktuell weder offensiv noch defensiv (vor allem defensiv) auf dem Niveau der letzten Saisonmonate 17/18, als die Jazz nach der Rückkehr von Rudy Gobert bis in die Playoffs hinein zu den heißesten Teams der Liga gehörten. Ihr Defensiv-Rating reicht momentan sogar nur für Platz 20, was für ein Team mit so vielen guten Individualverteidigern und so hohem kollektiven Basketball-IQ eigentlich unerhört ist.
Die schwächere Defense ist letztendlich auch der Hauptgrund dafür, dass der Jazz-Saisonstart enttäuschend verlief und Utah nur die Hälfte seiner ersten zwölf Spiele gewinnen konnte. Gerade zuhause taten sich die Jazz zuletzt unheimlich schwer, was sich aber stabilisieren sollte - wie gesagt, eigentlich ist defensiv viel zu viel Qualität vorhanden.
Offensiv wiederum brauchen die Jazz abgesehen von Mitchell und Ingles noch etwas mehr verlässliche Optionen. Es hilft natürlich nicht, dass sich Ricky Rubio derzeit in einer schweren Wurfkrise befindet und auch Dante Exum noch nicht den erhofften Burst von der Bank bringt. Diese Guards gehören neben Mitchell zu den wenigen Jazz-Spielern, die wirklich dynamisch attackieren können.
In dieser Hinsicht wiederum muss auch Mitchell noch besser werden. Für einen Spieler, der den Ball so viel in der Hand hält wie er, zieht er entschieden zu wenig Freiwürfe (4,4 pro Spiel). Angesichts seiner Explosivität sollte der Charity Stripe eigentlich sein zweites Zuhause sein, diesen Aspekt hat Mitchell aber noch nicht gemeistert.
Als Vergleich wird bei Mitchell ja oft der junge Dwyane Wade bemüht. Dieser allerdings zog schon in seiner zweiten Saison fast 10 Freiwürfe pro Spiel - langfristig muss auch Mitchell versuchen, in solche Sphären vorzustoßen.
Schon letzte Saison wurde immer wieder gelobt, Mitchell trete wie ein Veteran auf, Lobpreisungen, die übrigens auch Tatum und Simmons abbekamen. Das war in vielerlei Hinsicht richtig, sollte aber natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle noch mehr oder weniger große Lücken in ihrem Spiel haben und hatten. Es wäre auch albern, bei Spielern dieses Alters etwas anderes zu erwarten.
Simmons, Mitchell und Tatum haben alle das Zeug dazu, zu den besten Spielern der NBA zu gehören, eher mittel- als langfristig. Dieses Potenzial ist für jeden Zuschauer erkennbar. Jetzt ist die Zeit jedoch vorbei, in der sie positiv überraschen können. Stattdessen wird der nächste Schritt nun erwartet. Auf diese Erfahrung können sich Doncic, Ayton und Trae Young übrigens auch schon vorbereiten.