Es ist ein ungewöhnlicher Anblick, den die Tabelle der Western Conference gut zwei Wochen nach Tip-Off der neuen Saison offenbart. Zugegebenermaßen nicht an der Spitze, wo in gewohnt dominanter Manier der Champion aus der Bay Area thront. Dafür aber auf der anderen Seite des Tabellen-Spektrums.
Im Keller des Westens stehen zwei Teams bei jeweils einem Sieg: Die Suns - ähnlich wie die Dubs nicht sonderlich überraschend - und die Rockets. Das Team, das 2017/18 die beste Bilanz der NBA vorzuweisen hatte und das den Warriors eine enge Sieben-Spiele-Schlacht in den Conference Finals abverlangte. Dieses Team bewegt sich derzeit auf dem Niveau der Suns ...
James Harden, Chris Paul und Co. haben nach den ersten sechs Spielen eine mehr als magere Bilanz vorzuweisen. Einem Sieg gegen die Lakers stehen bereits fünf Niederlagen gegenüber. Und was schon auf den ersten Blick recht besorgniserregend wirkt, wird bei genauerer Betrachtung nicht besser. In drei der fünf Pleiten wurden die Rockets mit mindestens 15 Punkten Differenz aus der Halle gefegt - das gab es 2017/18 ebenfalls drei Mal, wohlgemerkt in der kompletten Saison.
Rockets-Coach Mike D'Antoni: "Wir spielen absoluten Müll"
"Letztes Jahr haben wir guten Basketball gespielt. Im Moment spielen wir aber absoluten Müll zusammen", lautete dementsprechend die deutliche Ansage von Rockets-Coach Mike D'Antoni nach dem neuerlichen 85:104-Debakel gegen die Blazers vor wenigen Tagen.
"Wir spielen einfach nicht gut", führte der 67-Jährige anschließend aus. "Ich habe aktuell nicht besonders viele Antworten für euch. Wir werden uns die Sache anschauen und kämpfen."
Bei der detaillierten Analyse sollten D'Antoni und sein Coaching-Staff vor allem einen Blick auf die Defense werfen. Auf 100 Ballbesitze gerechnet gibt Houston aktuell 113,3 Punkte ab, Platz 24 in der Association. In der vergangenen Saison stellten die Rockets noch eine der besten Verteidigungen der NBA.
Abgänge von Ariza und Mbah a Moute Schmerzen
Die größten Fragezeichen des Sommers scheinen sich bei den Rockets bisher zu bestätigen. Aus unterschiedlichen Gründen konnte beziehungsweise wollte Houston in der Free Agency weder Trevor Ariza (Suns) noch Luc Mbah a Moute (Clippers) halten.
Viele Experten fragten sich im Anschluss, wie die Rockets diese Verluste ersetzen sollten. Beide hatten zweifelsohne einen großen Anteil an der starken Defense der Rockets. Beide werden zu Saisonbeginn enorm vermisst und noch immer ist nicht klar, wie sie ersetzt werden sollen.
Denn das ist leichter gesagt als getan. In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Abgang in der Offseason nicht zu unterschätzen: der von Jeff Bzdelik. Der ehemalige Assistant Coach von D'Antoni hing kurz vor Saisonbeginn sein Taktikbrett an den Nagel und zog sich in den Ruhestand zurück, das Fehlen des Architekten der Rockets-Defense macht sich seither bemerkbar.
Gegner der Rockets nutzen Schwachstellen exzellent aus
Der letztjährige Erfolg der Rockets basierte auf einer enorm switch-freundlichen Defensive. Für die Abgänge wurde jedoch kein adäquater Ersatz gefunden beziehungsweise die Neuzugänge schlagen nicht so ein, wie es sich GM Daryl Morey erhofft hatte.
James Ennis III, der als neuer Starter auf der Drei verpflichtet wurde, enttäuschte zunächst und verletzte sich dann. Über die Defense von Carmelo Anthony, der seinerseits für Ennis in die Starting Five rückte, müssen wir an dieser Stelle wohl keine Worte mehr verlieren. Und dann ist da noch Michael Carter-Williams, der defensiv in Ordnung ist, seinerseits mangels Wurf aber kaum verteidigt werden muss.
Die Rockets-Gegner 2018/19 verstehen es exzellent, aus genau diesen Schwachstellen Kapital zu schlagen. Die weiterhin zahlreichen Switches - und die daraus entstehenden Mismatches - werden sowohl am Perimeter als auch in der Zone gnadenlos ausgenutzt.
Houston Rockets: Veränderungen in der Defense?
Während an Melo ohnehin jeder zweite NBA-Angreifer vorbeiziehen kann, werden durch die Switches zudem die Bigs aus der Zone gezogen, oftmals muss ein kleinerer Verteidiger gegen einen gegnerischen Big ran - keine vielversprechende Grundlage. Houston ließ dementsprechend bisher pro Spiel 59 Punkte in der Zone zu.
D'Antoni gab zuletzt sogar zu, dass es mit dem aktuellen System nicht unbedingt weitergehen kann: "Wir müssen ein paar Veränderungen machen. Dieses Team ist anders als das aus dem letzten Jahr."
Wenige Tage später relativierte D'Antoni allerdings seine Aussage. Der Fokus müsse auf einer verbesserten Kommunikation und Execution liegen. Immerhin präsentierten sich die Rockets im letzten Spiel gegen die Trail Blazers etwas verbessert. Im ersten Viertel hielt man Damian Lillard und Co. sogar bei nur 19 Zählern. Und trotzdem lief Houston einem Rückstand hinterher.
Auch die Offense der Rockets hat Probleme
Die Offense der Texaner befindet sich zu Saisonbeginn in einem ähnlich katastrophalen Zustand. Gegen Portland etwa versenkte Houston 32,3 Prozent aus dem Feld, von Downtown war die Quote sogar noch miserabler (10/43 Dreier, 23,3 Prozent). Im ligaweiten Vergleich liegen die Rockets auch in diesen Kategorien im Tabellenkeller - und das ist angesichts der nach wie vor vorhandenen Qualität die größere Überraschung.
Nicht besonders hilfreich war natürlich die Sperre für Paul, der nach einer Schlägerei mit Rajon Rondo zwei Partien von der Seitenlinie aus verfolgen musste. Und ebenfalls nicht hilfreich ist der Ausfall von Harden. Der letztjährige MVP verletzte sich gegen Utah am Oberschenkel und verpasste die beiden darauffolgenden Partien. Wie lange The Beard noch fehlen wird, ist noch nicht sicher, obwohl eine Rückkehr gegen Brooklyn in der Nacht auf Samstag zumindest nicht ausgeschlossen wurde.
Harden wird dringend benötigt, um der Offense wieder Leben zu verleihen. Denn das zweite große Fragezeichen aus dem Sommer hat sich auch in dieser Hinsicht bisher als Schuss in den Ofen erwiesen. Melo legt als Ariza-"Ersatz" bisher 13,2 Punkte bei einer Quote von 37,3 Prozent (der mit Abstand schlechteste Wert seiner Karriere) auf.
Rockets hoffen auf Jimmy Butler
In der Tiefe ist das Team im Vergleich zum Vorjahr bedeutend schlechter aufgestellt, zumal einige der Neuen wie beispielsweise Isaiah Hartenstein oder Marquese Chriss sich auch noch finden müssen, enormes Potenzial ist getragen von den Stars aber natürlich trotzdem vorhanden. Die Rockets müssen also darauf hoffen, dass Harden möglichst bald möglichst fit auf das Parkett zurückkehrt - oder aber, dass ihnen auf dem Trade-Markt doch noch der große Wurf gelingt.
Houston gilt schon seit längerem als heißer Anwärter auf Jimmy Butler, vor kurzem sorgte ein kolportiertes Angebot in Höhe von vier Erstrundenpicks für den wechselwilligen Shooting Guard der Timberwolves für Aufsehen.
Aktuell scheinen die Rockets Lichtjahre von einem ernsten Titelrun am Ende des Jahres entfernt zu sein. Doch mit Butler? Sollte Morey Jimmy Buckets tatsächlich nach Texas lotsen, könnten sich Houstons Aussichten schlagartig wieder ändern.
Houston Rockets: Es bleibt noch genug Zeit
Verloren ist nach dem verpatzten Saisonstart noch nichts, den Rockets bleiben noch 76 Spiele, um das Ruder herumzureißen, auch wenn man sich in der voraussichtlich hart umkämpften Western Conference keinen allzu großen Rückstand auf die Playoff-Plätze erlauben darf
"Wir werden unsere Probleme lösen, aber wir müssen besser spielen. Je früher, desto besser", weiß auch D'Antoni. "Ich werde mal bei unserer Statistik-Abteilung nachfragen, aber ich glaube wir haben mathematisch gesehen noch eine Chance."
Immerhin: Den Humor hat man in Houston trotz der angespannten Tabellensituation noch nicht verloren.