Nach der Trade-Forderung von Anthony Davis ist es Zeit für eine Feststellung: Der Super-Max hat seinen gewünschten Zweck verfehlt. SPOX-NBA-Redakteur Ole Frerks wirft einen Blick auf eine Regel, die den kleinen Märkten nicht hilft.
Die Mär vom Super-Max
Es ist an der Zeit für eine Zwischenbilanz für den Super-Max, oder, richtigerweise, die "Designated Veteran Player Extension". Die Causa Anthony Davis ist nur das jüngste Beispiel, das zeigt, dass diese Sonderregelung des CBA nicht den Effekt hat, den man sich bei der Einführung von ihr erhofft hatte.
Zur Erinnerung: 2017 führten Liga und Spieler-Union via CBA diese Klausel ein, die es Teams erlaubt, ihren eigenen Spielern nach ihrem achten oder neunten Jahr in der Liga signifikant mehr Geld (zusätzlich zum fünften Vertragsjahr) zu bieten, wenn diese bestimmte Auszeichnungen erreicht haben.
Es war eine Reaktion auf den Wechsel im vorigen Jahr von Kevin Durant und sollte Small-Market-Teams (wie OKC) dabei helfen, ihre Superstars zu halten.
Diese Kriterien qualifizieren für den Super-Max:
- Der Spieler steht vor seiner achten oder neunten Saison in der NBA, wenn die Vertragsverlängerung angeboten wird. Verdienen kann er das neue Gehalt frühestens nach acht Saisons (Rookie-Vertrag + erster "normaler" Vertrag danach).
- Das Team muss den Spieler entweder gedraftet oder im Lauf seines Rookie-Vertrags für ihn getradet haben.
- Der Spieler muss entweder unmittelbar vor der Verlängerung oder zweimal in den vorigen drei Jahren ein All-NBA Team erreicht haben, oder ...
- ... entweder unmittelbar vor der Verlängerung oder zweimal in den vorigen drei Jahren Defensive Player of the Year geworden sein, oder ...
- ... einmal in den vorigen drei Jahren MVP geworden sein.
Die Resultate des Super-Max
Die Intention hinter der sogenannten "Kevin Durant Rule" mag richtig gewesen sein, die Resultate sind:
Die Kings haben DeMarcus Cousins getradet, bevor sie ihm im Sommer 2017 den Super-Max hätten anbieten können. So viel wollten sie nicht zahlen.
Anthony Davis und vor ihm Kawhi Leonard haben Trades gefordert, noch bevor oder während (Kawhi) ihre Teams ihnen das Angebot machen durften. Bei Kawhi steht in Frage, ob die Spurs das Angebot überhaupt gemacht hätten, bei Davis nicht. Der Faktor Geld spielte für sie keine (übergeordnete) Rolle.
Stephen Curry und James Harden haben ihre Super-Max-Deals bei zwei Contendern in großen Märkten unterzeichnet. Beide wären vermutlich auch ohne diese Klausel bei ihren Teams geblieben, da sie dort jeweils in ziemlich guten Situationen (und großen Märkten) sind. Sie rechtfertigen ihr Gehalt allerdings auch.
Russell Westbrook blieb in "seinem" kleinen Markt OKC. Vielleicht hätte er sonst das Team gewechselt, wahrscheinlich ist es nicht. Vielleicht ist es eines Tages aber auch eher nicht mehr erstrebenswert, einem dann 34-Jährigen mehr als ein Drittel des verfügbaren Salary Caps zu zahlen. Das gilt gewissermaßen auch bei Curry und Harden, Westbrook hat aber bekanntlich schon einige Knie-Operationen hinter sich und lebt weitaus mehr von Athletik und Explosion als die anderen beiden MVPs.
John Walls Super-Max war schon vor seiner Verletzung kaum an den Mann zu bringen - jetzt ist sein Arbeitspapier der wahrscheinlich untradebarste Vertrag der Liga. Dabei startet er erst im kommenden Sommer ...
Neue Super-Max-Kandidaten im Sommer
Die Stichprobe ist immer noch klein. Kommenden Sommer gibt es vier Veteranen, die sich für den Super-Max qualifizieren könnten (neben, theoretisch, Davis): Klay Thompson, Draymond Green, Damian Lillard und Kemba Walker. Ist irgendjemand wirklich der Meinung, dass es positiv wäre, einem dieser Spieler bis in die späten 30er bis zu 35 Prozent des Caps zu zahlen?
Während man das Dubs-Duo ausklammern muss, da in keinem Fall beide diesen Vertrag bekommen können (weil Curry schon einen hat), repräsentieren Lillard und Walker, wenn sie sich qualifizieren, ähnliche Dilemmas für ihre Teams wie Wall.
Sie sind All-Stars, klar, Lillard ist vielleicht ein Top-10-Spieler, zudem sind beide Identifikationsfiguren für ihre Franchises. Man will sie halten und nicht mit einem Lowball-Angebot verärgern. Gleichzeitig wird man vermutlich niemals ein richtiger Contender sein, wenn einer von ihnen so viel Cap blockiert - sie gehören nicht in die Curry/Harden-Kaste, sondern sind eher eine Stufe darunter.
Hilft der Super-Max kleinen Teams?
Tut man den kleineren Märkten dann wirklich einen Gefallen, wenn man ihnen diese zusätzliche Option "ermöglicht", oder drängt man sie zu einer schlechten Entscheidung? Das soll nicht implizieren, dass Portland oder Charlotte den Super-Max anbieten müssen, es bleibt ihnen ja selbst überlassen. Es geht mehr darum, dass die Option den Teams - im Gegensatz zur Absicht dahinter - nicht hilft.
Sie reicht nicht als Lockmittel, um die absolut elitären Superstars wie Davis, Kawhi oder, passenderweise, Durant in einem Team zu behalten, wenn diese wegwollen. Gerade in den großen Märkten holt man das Geld auf anderen Wegen wieder rein. Die Summen sind mittlerweile ohnehin so absurd hoch, dass 5 Mio. mehr oder weniger im Jahr nicht den Hauptausschlag geben müssen. Man verdient als NBA-Superstar so oder so recht ordentlich.
Auch bei Giannis Antetokounmpo wird, wenn sein nächster Deal ansteht, nicht das Geld entscheiden, sondern die Perspektive, die Milwaukee ihm bieten kann. Selbst sportlicher Erfolg muss nicht reichen (siehe KD oder Kawhi).
Spieler wechseln und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Das ist die Natur des Marktes und auch vollkommen in Ordnung: Ein Spieler ist ja nicht Eigentum des Teams, das ihn draftet. Es gibt schon lange Stimmen, die aus arbeitsrechtlichen Gründen am liebsten das Draft-System selbst abschaffen würden. (Mindestens) Vier Jahre Fremdbestimmung zum Start der Karriere wäre in anderen Feldern nicht denkbar.
Superstars: Erfolg wichtiger als Geld
Um aber auf die Durant-Regel zurückzukommen: Wenn diese wirklich jemandem hilft, dann den "loyalen" Stars, die noch mehr Geld verdienen können als sonst. Für Spieler wie (potenziell) Walker und Lillard oder eben Wall macht das einen Unterschied.
Ihre Verträge sorgen allerdings auch dafür, dass ihre Teams in einem eher ungesunden Maß an sie gebunden sind - auch wenn das vielleicht bedeutet, dass sie aus dem Mittelmaß so schnell nicht herauskommen werden.
Davis hatte beziehungsweise hat einen ganzen Haufen Gründe, um einen Trade weg von den Pelicans zu fordern. Von mangelndem Interesse in New Orleans über fehlenden Erfolg bis hin zur unwirtschaftlichen und kurzsichtigen Personalpolitik seiner Franchise, die in vielerlei Hinsicht amateurhaft (und von NFL-Menschen) geführt wird.
Die Pels gaben immer wieder viel zu viel Geld für Mittelmaß aus und förderten kein günstiges Talent. Man muss kein Prophet sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass sich das auch nicht geändert hätte, wenn sie Davis per Super-Max für fünf weitere Jahre verpflichtet hätten. Da es ihre Mittel eingeschränkt hätte, wäre das Team um ihn herum wahrscheinlich eher noch schlechter geworden.
Es ist kein Wunder, dass Davis mit dieser Perspektive wenig anfangen konnte. New Orleans ist daran gescheitert, irgendwelchen Optimismus oder Vertrauen zu wecken - seit Jahren. "Hey Anthony, jetzt sind wir zum fünften Mal in deinen sieben Jahren hier nicht in den Playoffs, aber wir können dir mehr Geld bieten!", ist dann irgendwann eben auch nicht mehr das beste Argument.
Super-Max: Sacramento als Vorbild
Der beste Weg für Small-Market-Teams, um ihre Superstars bei sich zu halten, ist immer noch kompetentes Handeln im Front Office. Städte wie L.A. oder New York werden immer einen gewissen Anreiz bieten, den Indiana, OKC oder Milwaukee nicht haben - dagegen kommt man aber nicht mit Super-Max-Deals oder dergleichen an.
In vielen Fällen ist ein solcher Deal sogar unverantwortlich. Kurioserweise haben es ausgerechnet die Kings mit Cousins "richtig" gemacht, die genau das Gegenteil von dem getan haben, wofür die Regel eigentlich gedacht war, indem sie den Superstar selbst abgegeben haben. In Boogies Fall trieb der Super-Max den Star aus dem kleinen Markt.
Dass die Liga nach Möglichkeiten sucht, für mehr Chancengleichheit bei kleinen und großen Märkten zu sorgen, ist in Ordnung, wenn es auch oft wie ein Kampf gegen Windmühlen wirkt. Der Super-Max hilft dabei aber nicht - wenn überhaupt, hat er sogar eher die entgegengesetzte Wirkung. Also kann er abgeschafft werden.