Dwyane Wade befindet sich in seiner letzten Saison bei den Miami Heat und wird genau wie Dirk Nowitzki am Sonntag noch einmal am All-Star Game teilnehmen. SPOX traf "Flash" in Miami zum Gespräch über eine Rivalität, die die Karrieren beider Legenden prägte.
In der Nacht auf Donnerstag gastiert Wade zum letzten Mal mit seinen Heat bei den Dallas Mavericks. Das All-Star Game steigt in der Nacht auf Montag und wird ab 2 Uhr auf DAZN übertragen.
33 Spiele haben Dirk Nowitzki und Dwyane Wade in ihrer Karriere gegeneinander absolviert, zwei weitere werden (wahrscheinlich) noch hinzukommen. Die Duelle waren dabei mehr als eng: In der Regular Season hat Nowitzki mit 11-10 knapp die Nase vorn, in den Playoffs, besser gesagt den Finals, haben beide genau sechs Spiele mit ihren Teams gewonnen.
Auch die Statistiken sind dabei durchaus vergleichbar: Nowitzki kam im Schnitt auf 23,6 Punkte, 8,1 Rebounds und 2,2 Assists, Wade auf 24,3 Punkte, 5,8 Rebounds und 5,3 Assists, jeweils ein Finals-MVP wurde im direkten Duell ebenfalls eingefahren. "Grundsätzlich hat man vor jedem Spieler, der auf diesem hohen Niveau in der NBA seine Leistung abliefert, viel Respekt. Bei Dirk ist das nochmals spezieller", sagte Wade zu SPOX.
"Er hat sein Team in den Jahren 2006 und 2011 gegen uns in zwei NBA Finals beziehungsweise zu einer Meisterschaft geführt. Für mich ist Dirk einer der Größten und Besten, die jemals dieses Spiel gespielt haben. Ich persönlich habe meine Duelle mit ihm immer sehr genossen."
Wade über die Finals 2006: "Dallas war die bessere Mannschaft"
Wade, der im Jahr 2003 sein Debüt in der NBA gab, erreichte seine erste von drei Meisterschaften im Jahr 2006, als er gemeinsam mit Shaquille O'Neal in seiner erst dritten NBA-Saison den ersten Titel der Franchise-Geschichte nach Miami holte. Dabei hatte es nach zwei Spielen und drei Vierteln eigentlich klar nach einer Finals-Niederlage gegen die Mavericks ausgesehen.
Dallas führte 2-0 und lag auch im dritten Spiel schon mit 13 Punkten vorn, in der Heimat wurde tatsächlich sogar schon die Meisterparade geplant. Wade jedoch hatte dann andere Pläne. 12 seiner insgesamt 42 Punkte erzielte der damals 24-Jährige im Schlussviertel und führte sein Team noch zum Comeback - der Wendepunkt in der Serie.
"Plötzlich war das Momentum wieder auf unserer Seite. Nachdem wir dann auch die anschließende vierte Begegnung gewonnen hatten, waren wir endgültig wieder am Leben", erinnerte sich Wade gegenüber SPOX. "Spiel 3 war für mich eine Art Coming-Out-Party, das werde ich nie vergessen. Plötzlich hat es bei uns allen geklickt und jeder hat nahe an der Perfektion gespielt."
Während Dallas auseinander fiel und sich vor allem über die Leistungen der Schiedsrichter beklagte, erreichte Wade ungeahnte Höhen und beendete die Final-Serie mit 34,7 Punkten im Schnitt sowie dem MVP-Award. Rückblickend merkte er dennoch an: "Dallas war in diesen Finals sicherlich die bessere Mannschaft, doch wir sind letztlich zum richtigen Zeitpunkt heiß gelaufen."
Frostige Beziehung zwischen Dwyane Wade und Dirk Nowitzki
Die Serie hatte auf beiden Seiten durchaus ein Nachspiel. Wade ärgerte sich darüber, dass seiner Meinung nach alle nur über die Referee-Leistungen sprachen statt über seine Leistungen, Nowitzki eingeschlossen. Dafür warf der Finals-MVP dem Würzburger vor, dieser sei nicht wie ein Leader aufgetreten und habe deshalb verloren (Nowitzki agierte in der Serie weit unter seinen Möglichkeiten und kam auf 22,8 Punkte bei nur 39 Prozent aus dem Feld).
Beim All-Star Game 2007 grüßten sich beide nicht, in der Folge blieb die Beziehung über mehrere Jahre frostig. Während Nowitzki 2007 Liga-MVP wurde und Wade 2009 mit 30,2 Punkten im Schnitt NBA-Topscorer wurde, blieb der große Playoff-Erfolg vorerst auf beiden Seiten aus. Miami kam nach 2006 nicht über die erste Playoff-Runde hinaus, die Mavs schafften es 2009 immerhin in Runde zwei.
Ziemlich unerwartet kam es 2011 dann aber doch zum Wiedersehen beider Teams in den Finals - wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen. 2006 waren die Mavs favorisiert gewesen, 2011 hatte Miami nicht nur Wade, sondern auch LeBron James und Chris Bosh, die "Superfriends" waren geboren.
"Wir sind in diese Finals mit der Überzeugung, das bessere Team zu sein, gegangen - und hatten darüber hinaus auch noch den Home-Court-Advantage. Ich weiß bis heute immer noch nicht genau, was passiert ist", schüttelte Wade auch fast acht Jahre später immer noch den Kopf. Wie (nicht nur) in Deutschland jeder weiß, glückte Nowitzki und Co. in dieser Serie die Revanche.
gettyWade über 2011: "Dallas hat uns als Team geschlagen"
In dieser Serie waren es die Heat und vor allem Wade, der sich im zweiten Spiel etwas zu früh freute und dann mitansehen musste, wie die Mavs die Partie noch drehten - und das passierte im Lauf der Serie dann gleich mehrfach. "Wir hatten in jeder Partie eine Führung in unseren Händen. Doch die Mavericks haben zu keiner Zeit aufgehört, zu kämpfen und hart zu arbeiten", sagte Wade zu SPOX.
Wade (und James) fielen im Lauf der Serie negativ dadurch auf, dass sie sich über eine Erkrankung Nowitzkis lustig machten, der im vierten Spiel mit hohem Fieber auflief und trotzdem am Ende den spielentscheidenden Korb erzielte. Die beiden Superstars ließen sich dabei filmen, wie sie Husten vortäuschten, was Nowitzki im Anschluss als "etwas kindisch und ignorant" bezeichnete.
Rückblickend zeigte sich Wade aber voll des Respekts gegenüber der Mavs-Leistungen in der Serie, die Dallas mit 4-2 gewann: "Sie haben auf dem Court immer wieder ihre Spots gefunden und es geschafft, den Ball in Dirks oder Jason Terrys Hände zu bringen. Auch J.J. Barea war großartig. Dallas hat insgesamt einfach einen erstklassigen Team-Basketball gespielt und uns dementsprechend auch als Team geschlagen."
Dwyane Wade: "Dirk ist ein absolutes Vorbild"
Wade spielte zwar auch 2011 (im Gegensatz zu James) eine starke Serie mit durchschnittlich 26,5 Punkten bei 54,6 Prozent aus dem Feld, den Finals-MVP-Award und den Ring steckte diesmal jedoch Nowitzki ein, der 26 Punkte und 9,7 Rebounds pro Spiel auflegte. Während Wade und die Heat in den beiden folgenden Jahren noch zwei weitere Titel holten, endete das individuelle Matchup zwischen ihm und Nowitzki also ausgeglichen.
Nicht nur deshalb zeigt sich Wade mittlerweile, wo beide eindeutig zu den Elder Statesmen und Ikonen der jüngeren Liga-Geschichte gehören, voller Bewunderung für seinen einstigen Rivalen: "Vor allem durch die Tatsache, dass Dirk als Seven-Footer plötzlich geworfen und damit das Spiel als Big Man und effektiver Scorer nach außen verlagert hat, hat er es definitiv verändert. Aber auch abseits des Basketball-Courts ist Dirk ein absolutes Vorbild", sagte Wade zu SPOX.
"Obwohl er ein absoluter Superstar ist, gibt er sich immer zurückhaltend und bescheiden. Auch seine Verbindung zu Mavs-Besitzer Mark Cuban und zur Stadt Dallas ist absolut einzigartig. Die ganzen Battles, die wir speziell in den beiden NBA Finals miteinander hatten - das ist einfach Basketball! Dirk ist auf und neben dem Feld eine einzigartige Persönlichkeit."
Auch Nowitzki selbst scheint die frühere Fehde hinter sich gelassen zu haben. "Jeder weiß, dass es kalte Zeiten zwischen uns gab. Aber ich habe immer gesagt, dass er mich zu einem besseren Spieler gemacht hat, indem Miami uns 2006 geschlagen hat", erklärte Nowitzki kürzlich in einem Interview mit der New York Times. "Ich bin froh, dass wir 2011 den Spieß umdrehen konnten, aber am Ende des Tages ist er ein großartiger Wettkämpfer und ein großartiger Spieler."
Ein letzter Tanz für Dirk Nowitzki und Dwyane Wade?
Ähnlich wie Nowitzki in Dallas ist Wade in Miami der wohl beliebteste Sportler überhaupt und hält bei den Heat fast alle Franchise-Rekorde. In seiner letzten Saison ("One Last Dance") hat ihn die NBA daher, genau wie Nowitzki, zu einer Art "Ehren-All-Star" gemacht - für Wade ist es die 13., für Nowitzki die 14. Teilnahme am Spiel der Besten.
Zuvor kommt es in der Nacht auf Donnerstag auch noch zum 22. Regular Season-Duell zweier lebender Legenden, die sich über die Jahre gegenseitig zu Höchstleistungen getrieben haben, wenn sie sich auch nicht immer "mochten". Wenn beide gesund bleiben, wird es das vorletzte Duell sein. Sollte Wade sich nicht doch noch einmal umentscheiden (Nowitzki hat ja noch keine Entscheidung bekannt gegeben), wird es in jedem Fall sein letztes Gastspiel in Dallas.
Die Frage nach dem besten europäischen NBA-Spieler aller Zeiten ist für den 37-Jährigen dennoch längst beantwortet. "Ich weiß nicht, wie Dirk das selbst sieht. Als er aufgewachsen ist, hatte er sicherlich auch seine Favoriten", sagte Wade auf diese Frage zu SPOX. "In meinen Augen ist er es aber definitiv!"