Er hat es schon wieder getan. Oder vielleicht: Er hat es noch einmal getan. Dirk Nowitzki überholte im Spiel gegen die Pelicans mal wieder eine dieser Legenden, deren Namen Basketball-Fans fast nur ehrfürchtig in den Mund nehmen: In den letzten Jahren waren unter anderem schon Moses Malone und Shaquille O'Neal dran, nun eben Wilt Chamberlain.
Man könnte meinen, dass sich Nowitzki bei all den Meilensteinen und all den Legenden, die er über die Jahre kassiert hat, so langsam dran gewöhnt hätte. Könnte man, es wäre aber falsch. "Es ist immer noch manchmal surreal, da oben mit einigen dieser Namen zu stehen", gab Nowitzki zu, fast schon peinlich berührt.
Der einzige Nicht-Amerikaner in der Top 10 der All-Time Scorer erweckt noch immer manchmal den Anschein, als fühle er sich bei "diesen Namen" nicht zugehörig. Fast peinlich berührt wirkt er, wenn es um seine Meilensteine geht. Dabei gehört er ohne Frage zu den Größten seines Sports.
"Wenn meine Karriere vorbei ist, wird das alles langsam bei mir ankommen. Dann zeige ich es meinen Kindern", sagte Nowitzki. Bis dahin müssen die Würdigung seiner Leistungen eben weiter andere übernehmen.
Rick Carlisle lobt "historische Leistung"
Rick Carlisle zum Beispiel. "Das ist eine historische Leistung", sagte der langjährige Mavs-Coach über Dirks jüngsten Meilenstein. "Nicht viele Leute wissen, wie viel Dirk arbeitet, um noch immer auf dem Platz stehen zu können. Man kann ihm gar nicht genug Anerkennung für eine solche Karriere schenken."
Oder die gesamte restliche NBA: LeBron James meldete sich bereits mit Gratulationen, Rudy Gobert ebenfalls. Genau wie natürlich das gesamte American Airlines Center, das schon am Sonntag gegen die Cavs alles versucht hatte, um die Franchise-Ikone zu einem weiteren Monument anzufeuern. Gegen Cleveland gingen die letzten fünf Würfe daneben, gegen New Orleans räumte Dirk dagegen blitzschnell die letzten Zweifel aus.
Seinen ersten Touch des Abends ließ Nowitzki per Catch-and-Shoot-Jumper aus der Mitteldistanz fliegen, nun fehlte nur noch 1 Punkt, um zu Wilt aufzuschließen. An die Freiwurflinie geht Nowitzki in seiner 21. Saison bekanntlich aber ohnehin nicht mehr oft, und warum halbe Sachen machen? Wenige Minuten später ließ Nowitzki Chamberlain direkt hinter sich.
Dirk Nowitzki: Alles wie "eine Million Male zuvor"
"Ich habe mir einfach Zeit genommen, meinen Gegner anvisiert und versucht, über ihn zu werfen, wie eine Million Male zuvor", beschrieb Nowitzki seinen Jumper über Kenrich Williams selbst. "Er war drin, und ich war glücklich. Vorgestern konnte ich am Ende einfach keinen mehr versenken, deswegen war es gut, das Thema jetzt mit den ersten beiden Würfen abzuhaken."
Nur jemand wie Nowitzki könnte in dem Zusammenhang von "abhaken" sprechen und dabei glaubwürdig erscheinen, zumal das Chamberlain-Thema die ganze Saison für ihn ein wenig begleitet hat, wie er nach dem Spiel zugab. "Der 'Big Dipper', hm? Es ist unglaublich", sagte Nowitzki.
"Es war an der Zeit, da ich vor der Saison wusste, dass es nur noch um die 200 Punkte waren. Dann gab es Zeiten, in denen ich dachte, dass ich es nicht schaffe, weil die Saison mit der Verletzung so schlecht startete. Es ging einfach super-langsam. Aber die letzten Wochen haben sich besser angefühlt, ich habe besser gespielt, und das Team hat mich natürlich gesucht und mir gesagt, dass ich werfen soll", sagte Nowitzki. "Ich bin froh, dass es jetzt abgehakt ist."
Dallas Mavericks befeuern Spekulationen
Mit- und Gegenspieler feierten Nowitzki, das Publikum natürlich ebenfalls. Es gab Standing Ovations, das obligatorische Tribut-Video auf dem großen Würfel, alles, was dazu gehört. Schon die ganze Saison über nutzen NBA-Fans überall in den USA die Gelegenheiten, sich (vielleicht) von Dirk zu verabschieden. Man weiß ja nicht sicher, ob es die letzten sein werden.
Auch den Fans in Dallas gehen (möglicherweise) zunehmend die Gelegenheiten aus. Die Playoffs haben die Mavs nun auch rechnerisch verpasst, es verbleiben damit nur noch genau fünf Heimspiele in dieser Saison. Ob es die letzte ist, wollte Nowitzki auch nach dem Pelicans-Spiel wieder nicht bejahen oder verneinen. Dabei sorgten die Mavs am Montag noch für weitere Spekulationen.
Der offizielle Mavs-Account veröffentlichte bei Twitter eine Grafik mit der Inschrift "41.21.1.", die Fans rätseln ließ: 41 ist natürlich Dirks Nummer, die 21 repräsentiert diese Saison, doch wofür steht die 1? Eine Franchise, eine Ikone, ein Monat noch? Eine Saison noch? Sollte die Entscheidung schon gefallen sein? Falls ja, ließ sich Nowitzki nach dem Spiel zumindest nicht in die Karten schauen.
Dirk Nowitzki honoriert Wilt Chamberlain
Man kann zumindest davon ausgehen, dass Chamberlain die letzte Legende ist, die von Nowitzki überholt wird. Vor ihm stehen jetzt nur noch Michael Jordan, LeBron James, Kobe Bryant, Karl Malone und Kareem Abdul-Jabbar, MJ ist allerdings noch weit über 800 Punkte weg.
Bei seinem Punkteschnitt in dieser Saison (6 Punkte) müsste Dirk dafür noch zwei Saisons spielen, womit dann wohl doch nicht zu rechnen ist. Oder? Völlig egal: Man muss sich diese Liste von Spielern nur anschauen. Sie repräsentieren die Geschichte der Liga, genau wie Wilt.
"Er hat seine Ära dominiert wie niemand sonst jemals seine Ära dominiert hat", sagte Nowitzki über Chamberlain. "Jeder weiß, was er geleistet hat. Er war ein Wunder der Natur und nicht zu verteidigen. Er hat nur 13 oder 14 Jahre gespielt und steht trotzdem so weit oben. Er würde auf Platz 1 oder 2 stehen, wenn er noch etwas länger gespielt hätte. So dominant war er."
NBA All-Time Scorer: Die Top 7
Platz | Spieler | Punkte |
1 | Kareem Abdul-Jabbar | 38.387 |
2 | Karl Malone | 36.928 |
3 | Kobe Bryant | 33.643 |
4 | LeBron James | 32.439 |
5 | Michael Jordan | 32.292 |
6 | Dirk Nowitzki | 31.424 |
7 | Wilt Chamberlain | 31.419 |
8 | Shaquille O'Neal | 28.596 |
9 | Moses Malone | 27.409 |
10 | Elvin Hayes | 27.313 |
Die kleine Liste der großen Legenden
Auch Nowitzki gehört jedoch zu den Spielern, ohne die man die Geschichte der NBA nicht erzählen kann. Kein Spieler seiner Größe hatte vor ihm diese Fähigkeiten, diesen Wurf. "Ich kam zur richtigen Zeit, als sich das Spiel ein bisschen verändert hat", sagte Nowitzki, der 1998 gedraftet wurde.
"In den 90ern gab es viel Gewichtheben und harte Fouls, die Liga wollte etwas mehr Scoring und etwas mehr Bewegung. Da kam ich genau richtig. Heute kann so ziemlich jeder werfen. Es hat Spaß gemacht, die Evolution der Liga über die letzten 20 Jahre zu verfolgen."
Er würde es nicht selbst sagen, also müssen das eben andere übernehmen: Diese 20 Jahre wären ohne ihn ziemlich anders verlaufen, die Evolution sowieso. Nicht viele Spieler hatten jemals einen so großen Einfluss auf die Entwicklung des Spiels.
Kareem. Malone. Kobe. LeBron. MJ. Dirk.
Wow.