Die Saison 2018/19 geht in ihre heiße Phase - und damit auch die Debatte um den diesjährigen MVP-Award. In diesem Jahr führt wohl kein Weg an Giannis Antetokounmpo oder James Harden vorbei. Der Greek Freak entschied das direkte Duell in der vergangenen Nacht für sich, doch wer hat im MVP-Rennen die Nase vorn? Die SPOX-Redakteure Robert Arndt und Philipp Jakob diskutieren, welche Argumente für Giannis und welche für Harden sprechen.
Von Robert Arndt: Darum ist Giannis der MVP der Saison
"Ihm sind keine Grenzen gesetzt und ich denke, dass er auf Jahre gesehen der King der NBA sein kann."
Es war beinahe ein Understatement, als Landsmann Nikos Zisis im Interview mit DAZN und SPOX über Giannis Antetokounmpo sprach. Der Grieche ist bereits jetzt der dominanteste Spieler in dieser Saison, wenn man auf den Einfluss an beiden Enden des Feldes blickt. Die Lücke, die LeBron James nach seinem Abgang aus Cleveland im Osten hinterlassen hat, wurde vom Greek Freak geschlossen und das in überzeugender Manier.
Der Forward legt in dieser Saison 27,4 Punkte, 12,6 Rebounds und 6,0 Assists pro Partie auf - dies alles sind Karrierebestwerte für den Superstar der Bucks. Dies alles geschieht mit einer beeindruckenden Effizienz. 64,4 Prozent True Shooting bei einer Usage Rate von 30,9 Prozent (Platz fünf in der Liga) sind ein beeindruckender Wert und in dieser Kombination unerreicht.
Antetokounmpo ist der unumstrittene Fixpunkt in seinem Team, nicht zuletzt dank Coach Mike Budenholzer, der ein System installierte, welches nicht nur dem Griechen perfekt auf den Leib geschneidert ist, sondern wovon auch das komplette Team profitiert. Steht Giannis auf dem Feld, erzielen die Bucks pro 100 Ballbesitze rund 13 Punkte mehr als der Gegner, absoluter Spitzenwert in der Association.
Bucks-Star Giannis Antetokounmpo: Pure Dominanz in der Zone
Sitzt Antetokounmpo auf der Bank oder ist gar verletzt, rauscht die Top-5-Offense der Bucks aber in den Keller auf ein Niveau der Phoenix Suns oder der New York Knicks ab. Dass Milwaukee dennoch immerhin fünf der neun Spiele ohne Giannis gewonnen hat, liegt am robusten System von Budenholzer, welches darauf basiert, die Zone zuzustellen. Der Gegner muss die Bucks aus der Distanz bestrafen, sonst setzt es Pleiten.
Die wahre Qualität des Griechen ist aber natürlich die unglaubliche Dominanz in der gegnerischen Zone. Nur Rudy Gobert hat mehr Dunks als der Bucks-Star auf dem Konto mit dem Unterschied, dass beim Franzosen 80 Prozent der Slams vorbereitet wurden, bei Antetokounmpo sind es dagegen gerade einmal 58 Prozent.
So sehr zum Beispiel James Harden den Kontakt sucht, braucht der Greek Freak dies gar nicht zu tun. Nach Jahren im Kraftraum prallen die Gegenspieler unter dem Korb nur so an ihm ab. So kommen Spiele wie gegen Philadelphia zu Stande, als die Sixers den möglichen MVP eigentlich gut im Griff hatten, dieser am Ende aber plötzlich ein Career High von 52 Punkten auf dem Konto hatte.
MVP-Debatte: Giannis + Dreier = keine Diskussion
Es sieht einfach zu leicht aus, wie der Forward seine Punkte erzielt. Rund 10 Field Goals pro Partie legt Antetokounmpo auf, fast zweimal davon verwandelte er auch den Wurf mit Foul. Kein anderer Akteur komplettierte mehr And-1s als Giannis, ein weiteres Merkmal, dass der Bucks-Star unstoppable ist.
Diese Dominanz ist aber auch am anderen Ende des Courts gegeben, weswegen Giannis Erster im Player Efficiency Ranking ist. Führend ist Antetokounmpo zudem bei den Defensive Win Shares, Win Shares, Defensive Box Plus/Minus und im Defensiv-Rating. Vieles spricht dafür, dass Giannis auch im Rennen um den Defensive Player of the Year in der Verlosung sein sollte. Verteidigt der Greek Freak am Ring, liegt die Quote der Gegenspieler bei gerade einmal 53,1 Prozent, die Differenz zum Durchschnitt beträgt 9,4 Prozent (Platz 15, davor nur Center).
Weiß man all dies, ist es eigentlich nur folgerichtig, dass ein Top-3-Spieler an beiden Enden des Feldes, der sein Team zur besten Bilanz der kompletten NBA führen wird, auch der wertvollste Spieler ist. Ach ja: Sollte Giannis tatsächlich mal 35 Prozent seiner Dreier bei vier bis fünf Versuchen pro Spiel treffen, brauchen wir die Diskussion wohl überhaupt nicht mehr führen.
Von Philipp Jakob: Darum ist Harden der MVP der Saison
Beginnen wir mit einem kleinen Ausflug in die Vergangenheit: Es ist der 1. November 2018, die Saison 2018/19 ist ziemlich genau zwei Wochen alt. Gefühlt hat Luka Doncic die Trophäe als Rookie of the Year bereits sicher, von Tumulten bei den Lakers ist noch nichts zu spüren - und die Houston Rockets liegen abgeschlagen auf dem 14. Platz in der Western Conference.
In den ersten sechs Spielen der regulären Saison hagelt es für Houston fünf Pleiten, nur die Suns stehen zu diesem Zeitpunkt im Westen schlechter da. Nichts zu sehen von dem Team, das im Jahr zuvor in sieben Spielen denkbar knapp an den Warriors in den Western Conference Finals scheiterte.
Nun ist es Ende März, Houston hat sich in den vergangenen Monaten auf den aktuell vierten Rang im Westen katapultiert, langsam aber sicher wird das Team von Head Coach Mike D'Antoni wieder als Warriors-Jäger Nummer eins gehandelt. Der Grund? James Harden.
Seit dem 1. November 2018 haben die Rockets zwei Drittel ihrer Partien für sich entschieden, und das obwohl mit Chris Paul (24 Spiele) und Clint Capela (15) zwei Stützen der Mannschaft lange Zeit ausfielen.
James Harden: Eine der besten Scoring-Seasons aller Zeiten
Stattdessen nahm Harden das Heft in die Hand. Und wie! Der Bärtige legte in 32 Spielen in Folge mindestens 30 Zähler auf, die längste Serie dieser Art seit ein gewisser Wilt Chamberlain die Liga Nacht für Nacht zerstörte. Insgesamt legte Harden in dieser Phase von Mitte Dezember bis Ende Februar 41,1 Punkte, 7,6 Rebounds und 7,4 Assists pro Partie auf. Seine Quoten: 44,1 Prozent aus dem Feld und 37,1 Prozent von Downtown.
Wie gesagt, in dieser Zeit war Harden mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Die Defenses konnten sich auf ihn fokussieren und dennoch nahm er die Gegner mit seinen unfassbaren Stepback-Dreiern und starken Drives zum Korb auseinander.
In dieser Saison gab es bereits 19 50-Punkte-Spiele, acht dieser Partien gehen auf das Konto von Harden. Ende Januar stellte er mit 61 Punkten gegen die Knicks ein neues Career-High auf, gut zwei Monate später wiederholte er diese Ausbeute gegen die Spurs. Kurzum: James Harden zaubert offensiv eine der besten Saisons aller Zeiten aufs Parkett.
Dass dies für viele Fans des orangefarbenen Leders nicht immer schön anzuschauen ist (Stichwort Freiwurffestival und Iso-Dreier), steht außer Frage. Die Qualität des 29-Jährigen wird aber jeder anerkennen müssen, an seiner Dominanz in der Offense ändert dies ebenfalls nichts. Die Saison von Harden ist schlicht und einfach beeindruckend.
Die Saisonstatistiken von Giannis und Harden im Vergleich
Name | Spiele/Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | Turnover | FG | Dreier |
Giannis Antetokounmpo | 68/32,9 | 27,3 | 12,6 | 6,0 | 3,9 | 58,1 Prozent | 24,2 Prozent |
James Harden | 71/37,2 | 36,2 | 6,5 | 7,5 | 5,1 | 43,8 Prozent | 36,2 Prozent |
MVP-Rennen: Was muss James Harden noch machen?
Zugegeben, defensiv ist Harden weit von Giannis entfernt, doch auch an diesem Ende des Courts steht er solide seinen Mann. Die Zeiten, in denen sich das Internet regelmäßig über einen in der Defense schlafenden Harden lustig machen konnte, sind vorbei. Sein größter Einfluss auf das Spiel ist aber zweifelsfrei in der Offense zu sehen. Dort macht er seine defensiven Mängel mit einer Scoring-Explosion eben wieder wett.
Allerdings nicht nur mit eigenem Scoring. Der Bart hat die drittbeste Assist-Rate (39,5 Prozent) der Liga vorzuweisen, mit seinen 7,5 Vorlagen pro Spiel schrammt er nur knapp an der Top 10 vorbei. Mit ihm auf dem Parkett haben die Rockets ein Offensiv-Rating von 114,9 vorzuweisen. Ohne Harden fällt der Wert auf 106,3 in den Keller - das würde ligaweit gerade einmal für Platz 25 reichen.
Die Rockets wären ohne James Harden aufgeschmissen. Dies gilt für die Bucks mit Giannis zumindest in dieser Extreme eher nicht. The Beard hat sein Team aus dem Tabellenkeller zurück in die Elite geführt, er hat die Rockets wortwörtlich im Alleingang gerettet, er ist der MVP der Saison 2018/19. Um es mit den Worten von Chris Paul zu halten: "Was muss man sonst noch alles machen?"