Außerdemberichtet Harris von einemTreffenmit Barack Obama und verrät, welchen Rat er dem Ex-US-Präsidentengegeben hat.
Es klingelt. Del Harris meldet sich.
Del Harris: (lacht) Es heißt, die Deutschen sind sehr pünktlich. Es scheint zu stimmen. Sie rufen ja auf die Sekunde genau an.
Na klar.
Harris: Wo sind Sie zuhause?
In München.
Harris: Ich war in meinem Leben ein paar Mal in München. Es ist eine wunderschöne Stadt. In den 70er Jahren war ich Coach von den Iberia Superstars in Barcelona in der EPBL. Wir haben auch in München gespielt.
Die Iberia Superstars? In was für einer Liga?
Harris: In der European Professional Basketball League. Es war eine Liga mit Kohle und Spielern aus den USA, aber sie hat nicht mal eine ganze Saison überstanden. Es sollte eigentlich acht Franchises geben, aber London, Paris und Rom haben das Geld doch nicht zusammen gekriegt, so gab es am Ende nur fünf Teams: die Iberia Superstars, die Belgium Lions in Brüssel, die Israel Sabras in Tel Aviv, die Swiss Alpines in der Schweiz und die Munich Eagles, die in München ihre Spiele in der Halle auf der Militärbasis austrugen. Es gab nur US-Jungs und jeweils einen lokalen Spieler pro Team, die aber alle total schlecht waren, sonst hätten sie ja auch bereits für andere Teams gespielt. Die FIBA hat alles unternommen, um uns zu bekämpfen. Wir durften in Barcelona zum Beispiel nicht zwei Spiele in Folge in der gleichen Halle austragen, so wusste nie jemand, wo wir denn jetzt eigentlich spielen. Es war wild. Aber es gab ein paar Spieler, die damals dabei waren und später in der NBA spielen sollten. Ich erinnere mich an Lon Kruger, den heutigen Head Coach an der Universität von Oklahoma.
Jetzt sind wir schon mitten in Ihrer faszinierenden Karriere. Lassen Sie uns von vorne beginnen. Wie sind Sie überhaupt in die Coaching-Schiene gerutscht?
Harris: Ich bin in Indiana aufgewachsen, der Heimat des Basketballs. 20 Jahre nach der Erfindung des Basketballsports fand 1911 in Indiana das erste High-School-Turnier in der Geschichte statt. Wir behaupten sogar, dass das erste Spiel überhaupt in Indiana ausgetragen wurde. Ich habe Basketball sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen, so wie es bei euch in Deutschland mit Fußball ist. Kennen Sie Jake Weber?
Del Harris über seine Anfänge: "Ich wollte Priester werden"
Nein, da muss ich passen. Tut mir leid. Ich bin 1980 geboren.
Harris: 1980? Oh Gott. Na dann kann ich ihnen keinen Vorwurf machen. Jake Weber kam jedenfalls aus meiner kleinen Heimatstadt und war der Spieler, der am 1. November 1946 beim ersten Spiel in der NBA-Geschichte auf dem Feld stand. Er hat zwar nicht die ersten Punkte gemacht, aber er hat beim Tipoff den ersten Ball für die New York Knicks gewonnen, die bei den Toronto Huskies antraten. Die Knicks gewannen 68:66.
Zurück zu Ihnen.
Harris: Ich wollte eigentlich gar nicht Coach werden. Nach meiner College-Karriere als Spieler wollte ich Priester werden. Mein Professor gab mir damals aber den Tipp, dass ich doch erstmal ein Jahr lang arbeiten sollte, um ein bisschen Geld zu verdienen und dass er auch schon einen Job für mich hätte. Ich könnte Siebt- und Achtklässler trainieren. Also habe ich das gemacht. Es war großartig. Wir haben mehrfach über 100 Punkte erzielt. Die Viertel dauerten nur sechs Minuten. In einem Spiel über 48 Minuten hätten wir also über 200 Punkte erzielt. (lacht) Mit der Zeit habe ich mich gefragt, ob es vielleicht doch meine Bestimmung ist, Coach zu sein. Vielleicht ist das ja doch Gottes Plan für mich und eben nicht ein Priesteramt. Aber mein Ziel war es damals nur, eines Tages Coach an einem kleinen College zu sein. Ich hatte selbst an einem kleinen College gespielt, das schien mir als Ziel groß genug.
Wie ging es weiter?
Harris: Als ich 27 Jahre alt war, sah ich eine Annonce in der Zeitung und bewarb mich für den Posten des Cheftrainers am Earlham College in Indiana. Verrückterweise luden sie mich tatsächlich zum Vorstellungsgespräch ein, plötzlich saß ich an diesem Tisch und zwölf Leuten gegenüber. Zwölf! Nachdem sie sich beraten hatten, holten sie mich wieder zurück ins Zimmer und boten mir den Job an. Ich habe sofort meine Frau angerufen. Neun Jahre blieb ich in Earlham. Als ich kam, hatte das Team in drei Jahren zusammen sieben Spiele gewonnen. Wir holten dann in neun Jahren zwölf Titel mit den Quakers und waren in einem Jahr die Nummer 6 des Landes. Es war eine tolle Zeit.
Del Harris über 60 Jahre im Geschäft: "Die meisten sind tot"
Sie haben in dieser Zeit dann auch den Schritt nach Puerto Rico gewagt. Wie ist das entstanden?
Harris: Ich hatte während der Zeit in Earlham angefangen, Artikel und Bücher über Coaching zu schreiben. Das hatte sich bis nach Puerto Rico herumgesprochen, so wurde man auf mich aufmerksam. Die ersten Anfragen, im Sommer in Puerto Rico zu trainieren, lehnte ich noch ab, weil ich im Sommer immer noch selbst Baseball spielte. Aber als ich damit aufhörte und wieder angerufen wurde, habe ich zugesagt. Es war mitten in der Saison und der Boss war so verzweifelt, dass er mir ein ganzes Jahresgehalt anbot, wenn ich komme. Da musste ich zuschlagen. Sieben Sommer verbrachte ich in der Folge in Puerto Rico. Zuerst war ich Coach bei einem Expansion Team, dann ging es zu einem etwas besseren Team und zum Schluss gewann ich mit dem besten Team, den Bayamon Vaqueros, drei Titel in Serie. Außerdem wurde ich Coach der puertoricanischen Nationalmannschaft und holte 1974 bei der CentroBasket in El Salvador die erste Goldmedaille in der Geschichte des Landes.
Dann folgte die eingangs erwähnte Episode in Europa.
Harris: Richtig. Nach meinem Ausflug nach Barcelona rief mich Tom Nissalke an, um sein Assistant bei den Utah Stars in der ABA zu werden, aber wie in Barcelona spielten auch die Stars die Saison nicht zu Ende. Ich dachte mir: "Das gibt es doch gar nicht." Zum Glück wurde Nissalke 1976 Coach der Houston Rockets und nahm mich mit. Seitdem bin ich seit über 40 Jahren in irgendeiner Funktion in der NBA. Wenn ich an die Anfänge als Coach in der High School zurückdenke, bin ich sogar 60 Jahre im Geschäft. Das können nicht so viele sagen. Die meisten sind tot. (lacht) Ich bin sehr glücklich, dass ich noch am Leben bin und bei den Texas Legends in der G-League als Vize-Präsident tätig sein darf.
Als Nissalke Head Coach in Utah wurde, als die Jazz von New Orleans dorthin zogen, wurden Sie 1979 Head Coach der Rockets und erreichten 1981 die Finals. Überraschend, oder?
Harris: Sehr überraschend. Es sah bis kurz vor Ende der Regular Season gar nicht danach aus, dass wir überhaupt die Playoffs erreichen würden. Wir mussten die letzten fünf, sechs Spiele fast alle gewinnen und sind am Ende mit einer negativen Bilanz (40-42) als letztes Team in die Playoffs eingezogen. Damals bestand das Playoff-Feld nur aus zwölf Teams. In der ersten Runde mussten wir gegen die Lakers um Magic und Kareem ran. In einer Best-of-3-Serie. Wir hatten Spiel 1 in L.A. gestohlen, dann aber zuhause verloren. Niemand gab uns eine Chance, ein zweites Mal auswärts zu gewinnen. Niemals würde das passieren. Ich sehe es noch vor meinen Augen, wie Magic in den letzten Sekunden zum Korb zieht, den Gamewinner aber verpasst. Wir gewannen 89:86. Wir hatten das Spiel unglaublich langsam gemacht, das war unsere einzige Chance. Danach trafen wir auf die Spurs, die uns in der Saison mehrfach vermöbelt hatten. Es kam zu Spiel 7 und wieder setzte keiner einen Pfifferling auf uns. Wir hatten schon zwei Mal in San Antonio gewonnen, ein drittes Mal schien völlig unmöglich zu sein. Aber wir gewannen das Spiel 105:100. Es war magisch. Danach setzten wir uns 4-1 gegen Kansas City durch und standen tatsächlich in den Finals.