Die Milwaukee Bucks und Toronto Raptors liefern sich spannende Eastern Conference Finals - es war bisher allerdings nicht die Serie des Eric Bledsoe. Nach einer starken Regular Season ist der Point Guard der Bucks abgetaucht. Kann er sich rechtzeitig aus seinem Tief befreien?
Mini-LeBron - ein größeres Kompliment kann es für einen 22 Jahre jungen Combo-Guard in seinem zweiten Jahr in der besten Basketballliga der Welt wohl kaum geben. Eric Bledsoe hatte diese Ehre einem ehemaligen Teamkollegen zu verdanken.
Als Jamal Crawford im Sommer 2012 zu den L.A. Clippers wechselte, war er sofort von der Athletik und dem Allround-Game seines neuen Backcourt-Kollegen beeindruckt. Ein passender Spitzname sollte her, Crawford holte den Vergleich mit dem King aus der Schublade, der sich fortan etablierte.
Gut sieben Jahre ist das jetzt her, von einem Mini-LeBron scheint Bledsoe derzeit allerdings Lichtjahre entfernt.
Der Point Guard der Bucks hat fast schon katastrophale vier Spiele in den Eastern Conference Finals gegen die Toronto Raptors hinter sich. In diesen vier Partien kam der 29-Jährige auf magere 8,3 Punkte bei einer Quote von 24,4 Prozent aus dem Feld. Nach guten Auftritten beim Sweep in der ersten Runde gegen die Pistons ist Bledsoe mittlerweile nahezu komplett abgetaucht.
Eric Bledsoe mit erneut schwachen Playoffs
Schon im vergangenen Jahr musste Bledsoe eine Menge Kritik einstecken, nachdem er während des Erstrundenaus der Bucks in sieben Spielen gegen Boston kein Faktor war - zumindest kein positiver. Damals legte er Shooting-Splits von 44 Prozent FG/31,8 Prozent 3FG/70 Prozent FT auf. In den Playoffs 2019 sind es 41-23-67!
Das bringt das derzeit größte Problem Bledsoes recht gut auf den Punkt: Der Wurf will einfach nicht fallen. In der kompletten Postseason kommt der Bucks-Guard auf 12,5 Abschlüsse pro Partie, davon sind 4,5 in der Restricted Area (von denen ordentliche 69,5 Prozent fallen). Von den restlichen 8 Abschlüssen pro Partie landen allerdings durchschnittlich nur 25 Prozent im Korb. Bledsoes Jumper - vor allem von Downtown (nur 2/19 Dreier vs. Raptors) - ist aktuell also schlicht nicht zu gebrauchen.
Das erklärt auch, warum die Raptors den Guard oftmals alleine am Perimeter stehen lassen. Um regelmäßig eine Wand vor Giannis Antetokounmpo aufzubauen oder den Griechen zu doppeln, konzentriert sich der Verteidiger Bledsoes zumeist eher auf Help-Defense. Das wird von ihm nicht bestraft.
NBA: Die Statistiken von Eric Bledsoe in der Saison 2018/19
Spiele | Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% | |
Regular Season | 78 | 29,1 | 15,9 | 4,6 | 5,5 | 48,4 Prozent | 32,9 Prozent |
Erste Playoff-Runde | 4 | 27,7 | 19,3 | 4 | 5,3 | 52,5 Prozent | 31,6 Prozent |
Conference Semi-Finals | 5 | 27,1 | 13,4 | 2,8 | 3,6 | 43,1 Prozent | 25 Prozent |
Conference Finals | 4 | 28,2 | 8,3 | 4,3 | 4 | 24,4 Prozent | 10,5 Prozent |
Auf die Bank verbannt
So ist Bucks-Coach Mike Budenholzer gezwungen, Bledsoe immer öfter vom Parkett zu nehmen. Stattdessen bekommen George Hill oder Malcolm Brogdon vermehrt das Vertrauen. Abgesehen von der 102:120-Pleite in der vierten Partie, als auch das Bank-Duo offensiv mit enormen Problemen zu kämpfen hatte, waren sie im Vergleich zu Bledsoe immer die bessere Option.
Die Backup-Guards waren einer der Hauptgründe, warum Spiel 3 trotz der Off-Night von Giannis in zweifache Overtime ging. Insgesamt führen sie die bärenstarke Bucks-Bank zu 38,3 Punkten pro Partie - der beste Wert in den Conference Finals.
Auch deshalb bevorzugte Coach Bud in Spiel 4 zumeist Hill anstelle von Bledsoe. Der stand gerade einmal 20 Minuten auf dem Parkett, zuvor waren es in den Conference Finals noch 30,8 Minuten pro Partie gewesen.
Anschließend verließ er kommentarlos die Arena, das Selbstvertrauen ist angeknackst. Das war nicht nur nach Spielende, sondern auch auf dem Parkett zu erkennen, wo er sich immer wieder in ungewohnte Passivität zurückzog.
Kyle Lowry führt Eric Bledsoe teilweise vor
Bledsoe gibt derzeit ein ganz anderes Bild ab als noch in der regulären Saison. Zeitweise wurde er neben Giannis als der zweitbeste Spieler der Bucks gehandelt. Er galt als potenzieller Kandidat fürs All-Star-Team (zu Recht) und wurde nach Saisonende ins All-Defensive First Team gewählt (ebenfalls zu Recht). Nur ist davon eben in den Playoffs nicht mehr viel zu sehen.
"Für Bled geht es vor allem darum, zu verstehen, dass wir ohne ihn nicht hier wären", sagte Pat Connaughton gegenüber ESPN. "Jeder ist frustriert, wenn er nicht gut spielt. Sie haben dann das Gefühl, dass sie das Team im Stich lassen. Er will für seine Teamkollegen gut spielen."
Neben dem Shooting-Slump auf der einen hat Bledsoe auch auf der anderen Seite kein leichtes Spiel im Matchup mit den Raptors. Steht der Edel-Verteidiger auf dem Parkett, fällt auf ihn die Hauptlast gegen Kyle Lowry ab, der allerdings eine starke Serie hinlegt und laut stats.nba.com im direkten Duell 6,3 Punkte pro Partie bei 53,3 Prozent aus dem Feld auflegt.
Eventuell wird der Kettenhund durch die anspruchsvolle Defense gegen Lowry ein wenig ausgelaugt, was sich wiederum auch auf seine Offense abfärbt. "Ich sage ihm, dass er das einfach vergessen soll", erklärte Khris Middleton nach Spiel 4 angesprochen auf das schwache Shooting seines Kollegen.
Eric Bledsoe bei den Bucks: Das Warten auf die Explosion
"Der einzige Weg, um besser zu werden, ist, wenn du aufhörst allzu sehr darüber nachzudenken", so Middleton weiter. Wie das geht, zeigte der 3-and-D-Spezialist selbst in beeindruckender Manier: Nach seinem schwachen Auftritt in Spiel 3 antwortete er mit 30 Punkten in der darauffolgenden Partie.
Eine ähnliche Reaktion erhoffen sich die Bucks auch von Bledsoe - allerdings warten sie mittlerweile schon seit einer ganzen Zeit auf solch eine Explosion ihres Guards. In Spiel 5 vor eigenem Publikum wird er den nächsten Versuch starten wollen, um sich aus seinem Tief zu befreien.
Wenn dies gelingt, hätte Milwaukee eine weitere extrem gefährliche Waffe in seinen Reihen (siehe Regular Season), die auf dem Weg zur ersten Finals-Teilnahme seit 1974 wichtige Unterstützung liefern und gleichzeitig weitere Räume für Giannis öffnen, mit aggressiven Drives die Defense zum Verzweifeln und Lowry das Leben schwer machen könnte. Gerade gegen Toronto könnte Mini-LeBron seinen Spitznamen doch eigentlich endgültig rechtfertigen.