NBA Finals - Fünf Fragen zu den Golden State Warriors und Klay Thompson: Das Ende einer Dynastie?

Philipp Jakob
15. Juni 201913:05
Stephen Curry und die Golden State Warriors müssen sich nach sechs Spielen den Raptors geschlagen geben.getty
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Die Hoffnungen der Golden State Warriors auf den dritten Titel sind zerschlagen, ein Splash Brother ist schwer verletzt. Was bedeutet der Kreuzbandriss von Klay Thompson für dessen Zukunft und die der Warriors? Ist die Dubs-Dynastie nun womöglich vorbei? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen nach den Finals.

1. Was ist passiert?

"Wenn das ein Film wäre, ich würde es nicht glauben." Kopfschüttelnd stand Kevon Looney kurz nach der 110:114-Pleite der Golden State Warriors in Spiel 6 der Finals in der Kabine der Hausherren, während sich die Larry O'Brien-Trophy an anderer Stelle in den Katakomben der altehrwürdigen Oracle Arena eine Champagner-Dusche nach der anderen gefallen lassen musste. Nur eben nicht von den Warriors.

Der Traum vom Threepeat ist ausgeträumt, nach sechs Spielen verwandelten die Raptors den zweiten Matchball im Kampf um den ersten Titel der Franchise-Geschichte. Die Kanadier stürzten damit den ehemaligen Champion von dem Thron, den die Dubs seit 2017 in Beschlag genommen hatten.

Vor der Saison 2018/19 hatten viele Fans ihr Geld darauf verwettet, dass dieses Bild der Warriors an der Spitze der NBA auch weiterhin bestehen bleiben würde. Doch es kam anders. Der haushohe Favorit ging zwar als Nr.1-Seed der Western Conference in die Playoffs, musste zum Start der Postseason aber mehr zittern, als es den Warriors lieb war.

In der Erstrunden-Serie gegen die Clippers verletzte sich DeMarcus Cousins, in Runde zwei gegen die Rockets traf es dann Kevin Durant mit einer Wadenzerrung.

Warriors vs. Raptors: Die Finals 2019 im Überblick

TagDatumSpielTeam 1Team 2Ergebnis
Freitag31. Mai1TorontoGolden State118:109
Montag3. Juni2TorontoGolden State104:109
Donnerstag6. Juni3Golden StateToronto109:123
Samstag8. Juni4Golden StateToronto92:105
Dienstag11. Juni5TorontoGolden State105:106
Freitag14. Juni6Golden StateToronto110:114

Golden State Warriors: Bitteres Ende der Achterbahnfahrt

Trotz aller Widrigkeiten setzte sich Golden State gegen die als Herausforderer Nummer eins gehandelten Rockets in sechs Spielen durch. Per Sweep gegen die Trail Blazers stürmten Stephen Curry und Co. dann zum fünften Mal in Folge in die Finals - das hatte seit den Celtics in den 50ern und 60ern kein Team mehr geschafft.

Dann kam die Oberschenkelzerrung von Klay Thompson, der Spiel 3 aussetzen musste. In Spiel 4 war Curry nach seiner mittlerweile fast in Vergessenheit geratenen 47-Punkte-Explosion außer Puste. Toronto sicherte sich beide Partien und die 3-1-Führung. Dann kam der Achillessehnenriss von Durant bei dessen heiß ersehnten Comeback und in Spiel 6 nun der Kreuzbandriss von Killa Klay. Und das Aus aller Championship-Träume.

Kann eine Franchise binnen einer Postseason mehr Verletzungspech haben als die Warriors? Wahrscheinlich lautet die Antwort Nein. Doch trotz der vielen Rückschläge haben sich die Dubs nie aufgegeben. Stattdessen wurde gekämpft bis zum Umfallen, leider in manchen Fällen im wahrsten Sinne des Wortes.

"Es ist brutal", versuchte Head Coach Steve Kerr nach Spiel 6 die Situation der Warriors in den vergangenen Wochen zu beschreiben, die Looney eine "emotionale Achterbahnfahrt" nannte. "Es ist einfach brutal, mit was unsere Jungs umgehen mussten."

2. Was bedeutet die Verletzung von Thompson für seine Karriere?

Als Klay Thompson gegen Ende des dritten Viertels nach seinem Transition-Dunk zu Boden ging, machte sich rasend schnell ein kollektives Entsetzen in der NBA-Gemeinde breit. Bei der Landung verdrehte sich der Splash Brother übel das Knie, er ging sofort mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden.

Nach dem Durant-Schock aus Spiel 5 brauchte nun wirklich niemand die nächste Verletzung eines Warriors-Stars, weder der schockierte Drake im Jurassic Park in Toronto noch der in die Ferne starrende Curry oder irgendjemand sonst. Und erst recht nicht Klay Thompson.

Der 29-Jährige wollte die eigenen Schmerzen ganz offensichtlich selbst nicht wahrhaben. Um die fälligen Freiwürfe nach dem Danny-Green-Foul zu versenken, kehrte Thompson unter dem lauten Jubel der Warriors-Fans aufs Parkett zurück. Kurzzeitig keimte bei allen Beteiligten Hoffnung auf, dass das Knie doch nicht so stark beschädigt sei, wie anfangs befürchtet.

"Nur zwei Minuten Pause, dann bin ich wieder bereit", soll Klay seinem Head Coach Steve Kerr mitgeteilt haben, bevor er erneut Richtung Kabine verschwand. Doch daraus wurde nichts. Der Shooting Guard musste die Katakomben auf Krücken verlassen, wie später bekannt wurde, zog sich Thompson bei der Aktion einen Kreuzbandriss im linken Knie zu.

Klay Thompson: Zurück zu alter Stärke?

Thompson wird also für lange Zeit pausieren müssen, ähnlich wie Durant. Dessen Achillessehnenriss gilt allerdings als "schlimmere" Verletzung. Es gibt einige Positivbeispiele in der Association, von Spielern, die nach einem Kreuzbandriss stark zurückgekommen sind.

Jamal Crawford gehört zum Beispiel dazu oder auch Kyle Lowry, beide waren zum Zeitpunkt ihrer Verletzung allerdings deutlich jünger. Derrick Rose wurde dagegen nie wieder der Alte, doch im Gegensatz zum MVP von 2011 ist Thompsons Spiel nicht allzu sehr auf seine Athletik angewiesen. Ein hervorragender Shooter wird er sicherlich auch nach seinem Comeback bleiben.

Dies könnte sich unter Umständen allerdings bis tief in die kommende Saison hinziehen, laut Adrian Wojnarowski von ESPN bis Februar oder März 2020, vielleicht auch länger. Kristaps Porzingis, das bis dato letzte prominente ACL-Opfer, hat seit seiner Verletzung im Februar 2018 bisher noch kein Spiel absolviert (zugegeben ist dessen Konstitution mit der von Klay nicht zu vergleichen).

Die Warriors werden also lange Zeit ohne zwei ihrer drei besten Spieler auskommen müssen - sofern sie denn überhaupt Teil des Teams bleiben.

3. Wie geht es für Klay Thompson und Kevin Durant weiter?

Die Situation von Kevin Durant wurde bereits an anderer Stelle ausführlich beleuchtet, deshalb hier nur in aller Kürze: Der zweimalige Finals-MVP wird im Sommer aller Voraussicht nach Free Agent, seine Spieleroption will er trotz seines Achillessehnenrisses offenbar nur im Notfall ziehen, sollte kein lukratives Angebot vorliegen.

Alle Anzeichen, die in den vergangenen Tagen in der Gerüchteküche durchsickerten, deuten jedoch daraufhin, dass die KD-Interessenten weiterhin bereit sind, dem 30-Jährigen einen langfristigen Vertrag anzubieten. Darunter auch die New York Knicks, die lange Zeit als favorisierte Destination Durants gehandelt wurden, wie auch die Warriors.

Im Falle von Klay wird man eine ähnliche Situation erwarten können. Der Splash Brother geht definitiv als Free Agent in die Offseason (er hat keine Option), in den vergangenen Wochen schienen sich Gerüchte zu verfestigen, dass die Dubs einen Maximalvertrag (5 Jahre/190 Mio. Dollar) auf den Tisch legen und Thompson unterschreiben wird.

Bekommen die Warriors nach Klays Kreuzbandriss nun aber doch noch Zweifel an dem Plan? Offenbar nicht. Wie Brian Windhorst (ESPN) aus Quellen innerhalb der Organisation erfahren haben will, planen die Dubs weiterhin, sowohl KD als auch Thompson den jeweiligen Max-Deal anzubieten. Unter Umständen könnte sich der Guard dennoch natürlich anderweitig umschauen.

Werden sich Klay Thompson (r.) und Teampräsident Bob Myers auf eine Verragsverlängerung einigen?getty

Bleiben Durant und Thompson bei den Warriors?

Die Clippers und Lakers gelten als interessiert, wohl alle Teams, die Klay jagen könnten, werden ihm trotz der Verletzung einen Max-Contract vorlegen. Aus gutem Grund, da wie bereits geschrieben, Thompson auch nach seinem Comeback ein extrem wertvoller Spieler sein dürfte.

Genau wie bei KD ist deshalb auch bei Thompson davon auszugehen, dass die Warriors alles daransetzen werden, ihn zu halten. Teambesitzer Joe Lacob wich in Anschluss an Spiel 6 der Frage, ob die Warriors dem Duo einen Maximalvertrag anbieten werden, zunächst noch aus. Es sei jetzt nicht die Zeit, darüber zu reden.

Interessant war allerdings eine Beobachtung von Anthony Slater von The Athletic während der Partie. Wenige Minuten nach der Verletzung von Thompson suchte Myers, der den Guard zuvor in die Kabine begleitet hatte, seinen Chef in der ersten Reihe am Court auf. Anschließend gingen sie gemeinsam in die Kabine zu Thompson. Ob die anstehende Free Agency da bereits ein Thema war?

4. Was können die Warriors im Sommer machen?

Auf jeden Fall wird die Offseason das große Thema der kommenden Tage, nachdem der erste Schmerz über die verpasste Chance auf den Threepeat verarbeitet ist. "Wir haben nicht viel Zeit", erklärte Myers im Angesicht des in einer Woche anstehenden Drafts und der am 1. Juli beginnenden Free Agency. "Ich werde mich morgen damit befassen. Heute Abend werde ich einfach ins Bett gehen."

Einfach werden die kommenden Wochen für das Front Office der Dubs sicherlich nicht. Angenommen Golden State verlängert sowohl mit Thompson als auch mit Durant, muss Head Coach Steve Kerr 2019/20 dank des Verletzungspechs dennoch auf zwei wichtige Stützen verzichten - und das für viele Monate oder eventuell sogar die komplette Spielzeit.

Da die Dubs ohnehin deutlich über der Gehaltsobergrenze liegen - KD- und Thompson-Verlängerung hin oder her - wird es extrem schwer, das Team bedeutend zu verbessern. Auch mit Kevon Looney muss noch verlängert werden (die Warriors halten immerhin die Bird-Rechte).

DeMarcus Cousins auf der anderen Seite wird wohl nicht noch einmal einen gering dotierten Vertrag akzeptieren wollen. Unter Umständen bleibt ihm aber keine andere Wahl, bedenkt man die Verletzungssorgen des Centers und die dadurch durchwachsenen Playoffs.

Golden State Warriors: Die Optionen sind beschränkt

Die fehlende Tiefe der Dubs war bereits in der gerade abgelaufenen Saison ein Problem. Derzeit scheint es unwahrscheinlich, dass das Front Office dieses Problem in Anbetracht der prekären Salary-Cap-Situation entscheidend lösen kann.

Konkret verfügen die Warriors über die Taxpayer Midlevel Exception in Höhe von etwa 5,6 Millionen Dollar, die sie fremden Free Agents anbieten können, ansonsten bleiben nur Minimalverträge. Immerhin besitzen die Warriors sowohl den Erstrunden- als auch den Zweitrundenpick im anstehenden Draft, womit entweder ein Trade eingefädelt oder der Kader mit jungen Spielern aufgefüllt werden könnte. Womöglich wird Myers wie auch schon in den vergangenen Jahren versuchen, anderen Teams deren Picks in der zweiten Runde abzukaufen.

Die Optionen der Dubs sind im Sommer dennoch beschränkt, das Team ohne Durant und Thompson deutlich geschwächt. Woj stellt sogar zur Diskussion, dass selbst eine Teilnahme an den Playoffs im umkämpften Westen eine große Herausforderung für die Abo-Finalisten werden könnte.

5. Ist die Dynastie der Warriors nun vorbei?

Das führt uns direkt zur letzten Frage: Haben die kritischen Verletzungen von Durant und Thompson in Verbindung mit den Toronto Raptors der Dynastie der Warriors ein Ende bereitet? Ist die Dominanz der Dubs, die Splash-Brother-plus-KD-Ära unter der Regie von Coach Kerr vorbei?

"Jeder denkt, dass das in gewisser Weise unser Ende ist. Aber das ist nicht besonders klug", widersprach Draymond Green auf der Pressekonferenz nach Spiel 6 dieser Annahme mit einem vielsagenden Grinsen. "Wir sind noch nicht fertig. Das war offensichtlich nicht unser Jahr, aber so ist das eben manchmal. Ich sehe aber nicht, dass das das Ende unseres Laufes ist. Wir werden zurückkommen."

In eine ähnliche Kerbe schlug auch Teambesitzer Lacob: "Es war ein großartiger Playoff-Lauf über sieben Jahre und ein großartiger Finals-Lauf über fünf Jahre. Wir haben eine Menge, auf das wir stolz sein können. Ich denke, wir werden einen Weg finden, auch in Zukunft konkurrenzfähig sein zu können."

Von Lacobs "Lichtjahre voraus"-Ansage von vor ein paar Jahren waren diese Worte aber mindestens genauso weit entfernt. Was dennoch für Golden State spricht: Bob Myers genießt nicht umsonst einen exzellenten Ruf in NBA-Kreisen.

Golden State Warriors: Die Championship-DNA

Das Front Office wird sich schon seine Gedanken machen und nicht vor risikobehafteten Entscheidungen zurückschrecken, um auch in der kommenden Saison ein Team aufs Parkett zu schicken, das um die Spitze des Westens mitkämpfen kann.

Dafür werden allein Green und Curry Sorge tragen, deren Pick'n'Roll nach wie vor zu den gefährlichsten Waffen in der Association zählt und als gutes Fundament dient. "Im Sommer kommen einige Entscheidungen auf uns zu und wir werden die entsprechend angehen", sagte der Chefkoch. "Echte Champions, wie wir es sind, sollten in der Lage sein, uns anzupassen und gleichzeitig unsere DNA zu behalten, egal wie unser Kader nächstes Jahr aussieht."

Diese DNA ist die eines dreimaligen Champions. Die konnten weder die Raptors noch das unfassbare Verletzungspech zerstören.