NBA: 5 Fragen zum Blockbuster um Kawhi Leonard und Paul George: Der Kampf um Los Angeles kann beginnen

Robert Arndt
06. Juli 201914:38
Kawhi Leonard und Paul George spielen in der kommenden Saison für die L.A. Clippers.getty
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Die L.A. Clippers haben für einen Paukenschlag gesorgt und nicht nur Kawhi Leonard verpflichtet, sondern auch Paul George per Trade von den Oklahoma City Thunder losgeeist. Die Los Angeles Lakers um LeBron James und die Toronto Raptors schauen in die Röhre. Was bedeuten diese Ereignisse für alle Beteiligten? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

1. Was ist passiert?

Um 20.19 Uhr Ortszeit bebte in Kalifornien die Erde, laut US Geological Survey handelte es sich um ein Erdbeben der Stärke 6,9 auf der Richterskala. Um 22:53 Uhr wankte dann Twitter. Chris Haynes von Yahoo Sports war es, der schrieb, dass Kawhi Leonard sich für die L.A. Clippers entschieden habe und bald einen Vertrag unterzeichnen würde.

Nur zwei Minuten später ließ Adrian Wojnarowski (ESPN) die eigentliche Bombe platzen. Der amtierende Finals-MVP kommt nicht allein zu den Clippers, auch Paul George wird sich via Trade dem anderen Team aus Los Angeles anschließen.

Für diesen Coup müssen die Clippers aber tief in die Asset-Kiste greifen. Danilo Gallinari und Shai Gilgeous-Alexander werden nach OKC getradet, dazu geben die Clippers satte fünf Erstrundenpicks ab und erlauben es den Thunder zudem auch zweimal, dass sie die Möglichkeit haben, die Picks untereinander zu tauschen, ein sogenannter Pick-Swap.

Die Parameter des Trades für Paul George

Clippers erhalten: Paul George.

Thunder erhalten: Danilo Gallinari, Shai Gilgeous-Alexander, 3 Erstrundenpicks der Clippers (2022, 2024, 2026), 2 Erstrundenpicks der Heat (2021, 2023 geschützt 1-14), Pick-Swap-Recht 2023, 2025.

Kawhi Leonard unterschreibt Maximal-Vertrag bei den L.A. Clippers

George unterschrieb erst im vergangenen Sommer einen Maximal-Vertrag über vier Jahre (die letzte Saison enthält eine Spieler-Option) und knapp 137 Millionen Dollar im Vorjahr, forderte aber laut Ramona Shelburne (ESPN) im Laufe der Woche einen Trade aus OKC. Kawhi soll den Thunder-Star in den vergangenen Tagen heftig umworben haben und war laut Woj auch das Zünglein an der Waage für eine Unterschrift der Klaue bei den Clippers.

Kawhi wird wie erwartet nun einen Vertrag über vier Jahre und 142 Millionen Dollar - also das Maximum - unterschreiben und lässt damit zum zweiten Mal in nur einem Jahr Geld auf dem Tisch liegen. Wäre The Claw in San Antonio geblieben, hätte er einen Super-Max-Vertrag über 221 Millionen (5 Jahre) unterschreiben können, in Toronto wären es im gleichen Zeitraum immerhin noch 190 Millionen gewesen.

Neben dem Champion Toronto schauten aber auch LeBron James und die Los Angeles Lakers in die Röhre. Sie waren das dritte Team, das Chancen auf Kawhi und genügend Cap Space gehabt hätte. Nach der Leonard-Entscheidung reagierten die Lakers schnell und füllten ihren Kader mit Danny Green, Kentavious Caldwell-Pope sowie JaVale McGee auf.

2. Was bedeutet der Deal für die Clippers?

Die Clippers sind endgültig zurück auf der NBA-Landkarte. Nach den enttäuschenden Jahren der Lob-City-Ära um Chris Paul, Blake Griffin und DeAndre Jordan katapultieren sich die Clippers wieder in den Kreis der Spitzenmannschaften der Western Conference. Mit Leonard und George verfügen die Clippers nun auf dem Flügel - in der modernen NBA die wichtigste Position - eine Zange, die seinesgleichen sucht.

Es ist ein weiterer Geniestreich von Jerry West, dem Berater im Hintergrund, der in seiner Karriere als Executive schon dutzende von Star-Spielern für die Los Angeles Lakers, Golden State Warriors und nun für die Clippers rekrutierte. Die komplette Saison schlichen die Clippers um Kawhi herum, das dezente Tampering (gibt es nicht!) machte sich bezahlt.

Viele fragten sich, warum sich Kawhi so lange Zeit mit seiner Entscheidung ließ, der Trade für George war die Antwort und ein echter Paukenschlag. Die Clippers haben nun den amtierenden Finals-MVP sowie den Dritten der MVP-Wahl der Regular Season in ihrem Kader. Hinzu kommt in Lou Williams der amtierende Sixth Man of the Year und in Patrick Beverley der vielleicht beste Verteidiger auf der Guard-Position.

Die Clippers haben damit drei All-Defense-Spieler sowie jede Menge Shooting, wenn man auch noch Landry Shamet hinzurechnet, der in seiner Rookie-Saison an einen Klon von Scharfschütze J.J. Redick erinnerte. Im Gegensatz zu den Lakers konnten die Clippers seit Tag eins der Free Agency mit dem Faustpfand der Tiefe wuchern, vergleichbar mit den Brooklyn Nets und ihrem Vorteil gegenüber den New York Knicks bei der Jagd nach Kevin Durant und Kyrie Irving.

L.A. Clippers sind der Favorit in der Western Conference

Auch die Tätigkeit der Clippers zu Beginn der Free Agency unterschied sich von den Lakers. Mit Beverley (3 Jahre, 40 Mio.) wurde schnell verlängert, mit Maurice Harkless griffen die Clippers im Vier-Team-Trade von Jimmy Butler ein weiteres Puzzleteil ab (dazu kam einer der Heat-Picks). Gleichzeitig gibt das solide Signing von Rodney McGruder (3 Jahre, 15 Mio.) weitere Tiefe auf dem Flügel.

Auf den großen Positionen werden die Clippers dagegen noch nachlegen müssen, hier steht bisher nur Montrezl Harrell fix unter Vertrag. Ivica Zubac ist Restricted Free Agent. Ihren Cap Space haben die Clippers zwar nun auch aufgebraucht, aber der Kroate könnte aufgrund der Bird-Rechte dennoch gehalten werden. Obendrauf steht den Clippers noch immer die Room Exception in Höhe von 4,8 Millionen Dollar zur Verfügung.

Dank kreativer Moves in den vergangenen Jahren hat Coach Doc Rivers nun also nicht nur zwei Superstars in seinen Reihen, sondern auch noch ein tiefes Team zur Verfügung. Nach einer langen Durststrecke geht so mal wieder ein Team aus L.A. als Favorit im Westen in die Saison - es sind aber die stets belächelten Clippers und nicht die einst glamourösen Lakers.

3. Was bedeutet der Deal für die Lakers?

Für die Lakers ist dagegen das Knacken des absoluten Jackpots ausgeblieben. Der Trade für Anthony Davis war wichtig, aber eine Unterschrift von Kawhi hätte das Team um LeBron James zum heißesten Titel-Anwärter der Saison gemacht. So haben die Lakers keine Big Three, sondern "nur" zwei Mega-Stars, einer in Davis in der Prime seiner Karriere.

Die Lakers müssen sich bei Kawhi nichts vorwerfen lassen, sie hatten diesmal ihre Hausaufgaben gemacht. 2018 weigerten sich die Spurs, Leonard zu den Lakers zu traden, in diesem Jahr wollte die Klaue nicht der Side-Kick von LeBron sein. Das gilt es zu akzeptieren und das Beste aus der Situation zu machen.

Auch ohne Kawhi werden die Lakers in der kommenden Saison eine gewichtige Rolle spielen und sich unter den besten Teams im Westen einordnen, dafür wird LeBron mit Davis sorgen. Dazu nimmt auch der Supporting Cast des Duos langsam Formen an. Mit Kentavious Caldwell-Pope (2 Jahre, 16 Mio.) und Danny Green (2 Jahre, 30 Mio.) haben die Lakers ihre Rotation auf dem Flügel deutlich aufgepolstert, auch wenn für beide ein Ticken zu viel bezahlt wurde.

Mit McGee wurde zudem die Rolle des Backup-Centers recht kostengünstig (2 Jahre, 8,2 Mio.) besetzt, wodurch auch die großen Positionen mit LeBron, Davis und auch Kyle Kuzma ausgefüllt sind. Ein weiterer Big wird mit Sicherheit auch noch zum Minimum kommen, Kandidaten wären Kenneth Faried, Nene oder vielleicht auf der von Memphis entlassene Dwight Howard.

Los Angeles Lakers müssen auf Point Guard nachlegen

Die größte Baustelle der Lakers bleibt aber die Position des Point Guards, wo bisher gähnende Leere vorherrscht. Vermutlich werden sich die Lakers mit Rajon Rondo auf einen neuen Vertrag einigen, auch Alex Caruso, der zuletzt mit einem Two-Way-Contract ausgestattet war, könnte eine Option sein.

Geld ist nach den drei Verpflichtungen weiter da. McGees Vertrag könnte mit der Room Exception bezahlt werden, dann blieben weiterhin gut 11,5 Millionen Dollar übrig, was die Lakers mit den Dallas Mavericks zu den Teams mit dem meisten Cap Space werden lässt.

Das Problem ist jedoch, dass die besten Rollenspieler sich ihre Dollar bereits gesichert haben, dies war das Risiko, welches die Lakers mit der Jagd von Leonard eingegangen sind. Dass sich dieser mit der Entscheidung so viel Zeit ließ, erschwert nun die Mission, weitere Qualität dem King an die Seite zu stellen.

4. Was bedeutet der Deal für die Raptors?

Es war der Frühling/Sommer ihres Lebens, dank Kawhi holten sich die Raptors ihre erste Meisterschaft. Durch Leonards Entscheidung gegen Toronto ist das Titelfenster in Kanada aber wieder prompt zu. Kawhi war der Katalysator für dieses fantastische Raptors-Team, der Unterschiedsspieler, der stets die Kohlen aus dem Feuer holte. Der Gamewinner aus Spiel 7 in den Eastern Conference Semifinals gegen die Philadelphia 76ers war das beste Beispiel.

Nun ist jedoch der Fall eingetreten, vor welchem alle Experten im Sommer 2018 gewarnt hatten, als Toronto für Leonard (und Danny Green) von den San Antonio Spurs tradete und im Gegenzug Identifikationsfigur DeMar DeRozan abgab.

Wie sich herausstellte, war es dennoch genau die richtige Entscheidung, auch wenn Kawhi nach nur einer Spielzeit Geschichte ist. Die Klaue hat Toronto den ersehnten Titel beschert, was mit DeRozan mit großer Wahrscheinlichkeit nicht passiert wäre. Es zählen die Resultate, die Silberware, und genau das hat Leonard geliefert.

Ohne Leonard werden die Raptors mit der Spitze im Osten nichts mehr zu tun haben und stattdessen einen Neuaufbau wagen. Das kann auf viele Wege geschehen. Im kommenden Jahr laufen die Verträge von Kyle Lowry, Fred VanVleet, Serge Ibaka und Marc Gasol aus, dazu wird Pascal Siakam Restricted Free Agent.

Die Free Agents der Toronto Raptors 2020

SpielerPositionAlterGehalt 19/20 in Mio.
Kyle LowryPoint Guard3335,0
Fred VanVleetGuard259,5
Serge IbakaForward/Center2923,3
Pascal Siakam (RFA)Forward252,4
Marc GasolCenter3425,6

Beginnt in Toronto nun der Neuaufbau?

Die Raptors können also im kommenden Jahr einen Schnitt machen und schauen, wie die anstehende Saison läuft. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass General Manager Masai Ujiri, der nie vor unpopulären Entscheidungen zurückschreckt, einen radikalen Rebuild durch Trades anstrebt. Veteranen wie Lowry, Ibaka oder Gasol könnten mit Sicherheit möglichen Contendern weiterhelfen, vorausgesetzt sie können das enorme Gehalt einer der Akteure stemmen.

Toronto wird dafür Picks und faule Verträge anfragen, um gleichzeitig den Neuaufbau um Siakam, Flügel O.G. Anunoby und womöglich VanVleet beginnen. Schon im kommenden Sommer könnte Toronto so wieder rund 65 Millionen an Cap Space haben, wenn man sich mit Siakam nicht schon bis zum 31. Oktober auf eine Rookie Extension einigt.

Der Kameruner deutete in diesen Playoffs an, dass ihm die Zukunft in Toronto gehören könnte. Seine Vertragsverhandlungen werden spannend werden, da Siakam als Most Improved Player gute Aktien hält und vielleicht sogar die maximale Summe (5 Jahre, 168 Mio.) für eine Verlängerung fordern wird. Siakam ist bereits 25 Jahre, es könnte seine einzige echte Chance auf einen richtig fetten Zahltag sein.

5. Was bedeutet der Deal für die Thunder?

Wenig deutete darauf hin, dass die Thunder ihr Star-Duo um Russell Westbrook und George im Sommer aufbrechen (müssen), doch nun ist genau das eingetreten. Leonard bearbeitete in den vergangenen Tagen George gewaltig und überzeugte diesen vom Zusammenschluss bei den Clippers. PG-13s Agent ließ dann die Thunder wissen, dass sein Klient einen Trade fordert.

Das übte großen Druck auf OKC aus, die in den zwei Jahren mit George und Russ zusammen gerade einmal drei Playoff-Spiele gewannen und dabei einen Kader weiter über der Luxussteuer-Grenze beschäftigten. Dennoch können die Thunder als einer der Gewinner aus diesem Trade hervorgehen, da sie gegenüber den Clippers ein gewaltiges Druckmittel hatten und diese Trumpfkarte gnadenlos ausspielten.

Ohne den George-Trade wäre die Leonard-Verpflichtung für die Clippers wohl geplatzt, das wusste auch Thunder-GM Sam Presti. Er presste aus den Clippers das größte Pick-Paket in der NBA-Historie heraus und bekam in Danilo Gallinari und Sophomore Shai Gilgeous-Alexander noch zwei mehr als brauchbare Spieler.

Oklahoma City Thunder: Rebuild oder Reboot?

Für die nahe Zukunft hat OKC nun drei Möglichkeiten. Sie können das Team um den Kern Westbrook, Gallinari und Steven Adams aufbauen, die erhaltenen Assets anbieten, um selbst an Stars zu kommen oder einen kompletten Rebuild starten, indem sie Westbrook traden. Letzteres dürfte allerdings schwer zu meistern sein, da der bald 31-Jährige in den kommenden vier Jahren noch 171 Millionen bekommt.

So könnte es in der kommenden Spielzeit wieder die Westbrook-Show geben. So wie es schon 2016 der Fall war, als mit Kevin Durant ein anderer Superstar die Thunder verließ. Gerüchten zufolge soll es zwischen Westbrook und George Differenzen gegeben haben, auch wenn PG-13 dies via Twitter sofort dementierte.

Trotzdem sind die Thunder ein Gewinner dieses Trades. OKC bekommt satte fünf Picks, vier davon komplett ungeschützt, wobei vor allem die Auswahlrechte ab 2024 für die Thunder interessant werden könnten. Wer weiß schon, wie lange sich die Clippers an der Spitze halten werden. George wäre dann 34, Leonard 33 Jahre alt. Auch die Heat-Picks könnten noch wertvoll werden, auch wenn der Coup mit Jimmy Butler ein Abstürzen Miamis etwas unwahrscheinlicher gemacht hat.

Diese Picks können aber natürlich auch schon bald in weiteren Deals verhökert werden, sollte OKC der Meinung sein, mit der Speerspitze Westbrook einen weiteren Push in Richtung Titel wagen zu wollen. Ein möglicher Kandidat für einen Trade wäre zum Beispiel Bradley Beal, wenn Washington bei einem überragenden Angebot doch einknickt.