David Krämer könnte wie sechs andere Deutsche in der kommenden Saison in der NBA spielen. Der Shooting Guard, der zuletzt für ratiopharm Ulm in der BBL auflief, empfahl sich für einen Vertrag bei den Phoenix Suns in der Summer League. Im Interview mit SPOX spricht der 22-Jährige über seinen bewegten Sommer, über sein Dinner mit Deandre Ayton und das Erdbeben in Las Vegas.
Außerdem verrät der deutsche Nationalspieler, was ihm bei seinem Debüt in der Summer League für immer in Erinnerung bleiben wird und welche Chancen er sich für die WM in China ausrechnet.
Herr Krämer, zunächst noch einmal Glückwunsch zu Ihrem Vertrag bei den Phoenix Suns. Was haben Sie denn da genau unterschrieben?
David Krämer: Dankeschön, aber dazu kann ich erstmal nicht viel sagen. Es ist ein Exhibition-10-Vertrag. Sie müssen verstehen, es gibt viele Klauseln und ich will nichts Falsches sagen, womit ich mir oder dem Team schade. Wenn man mehr darüber wissen will, steht im Internet einiges davon.
Das wird für Sie wahrscheinlich heißen, dass Sie zum Auftakt des Training Camps Ihre Chance dort bekommen werden?
Krämer: Ja, ich habe einen Vertrag für das Training Camp. Der Vertrag ist grundsätzlich für ein Jahr ausgelegt, aber es gibt da drin jede Menge Klauseln.
Ein Exhibition-10-Contract ist im Prinzip ein Vertrag über ein Jahr zum Minimum, welches in der Saison 2019/20 für Rookies 898.000 Dollar beträgt. Garantiert ist dabei, dass der Spieler am Training Camp teilnehmen kann. Sollten die Suns Krämer danach entlassen, kann der Entlassene vom G-League-Team, in dem Fall die Northern Arizona Suns, 50.000 Dollar bekommen. Bleibt Krämer die vollen 60 Tage im Kader, bekommt er als Bonus weitere 50.000 Dollar.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Suns Krämer dann einen Two-Way-Contract anbieten. Dies müsste vor Beginn der Regular Season geschehen. Wie ein solcher Two-Way-Contract genau funktioniert, könnt Ihr hier nachlesen.
Diese Art von Vertrag wurde eingeführt, dass der Pool von Spielern für die G-League größer wird und viele Spieler nicht sofort ins Ausland wechseln.
Wie war das Feedback von den Verantwortlichen aus Phoenix in den letzten Wochen, wo sehen Sie sich persönlich? Wo wird Ihre Nische dort sein?
Krämer: Ehrlich gesagt habe ich nur mit den Leuten aus der Summer League gesprochen. Spezifisches haben wir noch nicht besprochen bzw. was der Plan ist. Sie scheinen aber mit dem, was ich gespielt habe, zufrieden gewesen zu sein, da ich den Vertrag bekommen habe. Ich nehme an, dass ich dieselbe Rolle haben werde wie vor ein paar Wochen in Las Vegas in der Summer League. Jedoch habe ich mit keinem spezifisch darüber gesprochen. Ich glaube, ich werde das in den nächsten Wochen alles machen.
Dass Sie gut werfen können, wissen wir in Deutschland und das sah auch in der Summer League gut aus. Ich hatte das Gefühl, dass Sie in Las Vegas völlig unbekümmert waren und Ihren Stiefel einfach runtergespielt haben. Täuscht der Eindruck?
Krämer: Basketball ist Sport und ich liebe den Sport. Ich versuche ein Spieler zu sein, der wenige Schwächen hat. Klar, wenn ich nicht gut werfen kann, dann kann ich nicht gut spielen. Dann kann ich auch nichts machen. Natürlich will ich auch mit dem Ball agieren und Pick'n'Roll spielen, gut passen und verteidigen. Das gehört alles dazu. Ich möchte das komplette Paket anbieten. Das habe ich in Ulm die ganze Zeit trainiert. In Ulm hatte ich die Rolle als Werfer und hier im Sommer habe ich die ganze Zeit an meinem ganzen Spiel gearbeitet und trainiert. Ich hoffe, dass ich jetzt in Phoenix die Chance habe, mit den ganzen Trainern zu arbeiten, um meine Fähigkeiten auszubauen und zu erweitern. Ich freue mich auf die Aufgabe.
Ist es nicht manchmal undankbar, sich in der Summer League zu empfehlen? Es ist schließlich bekannt, dass dort viele um Ihre letzte Chance spielen, auf ihre eigenen Statistiken bedacht sind. Zudem ist man so kurz zusammen, dass es fast unmöglich ist, als Team zu funktionieren.
Krämer: Es kann sein, dass das viele sagen, aber trotzdem war die Summer League eine super Erfahrung. Es ist ein komplett anderes Spiel, aber ich habe es einfach auf mich zukommen lassen. Ich war mit Deandre Ayton in Las Vegas essen und der hat mir erklärt, dass es das wichtigste als Spieler und vor allem als Werfer ist, nicht zu viel zu machen. Er hat gesagt: "Mach dein Ding richtig, kenne deinen Platz." Das haben mir mein Agent, meine Mitspieler und meine Trainer auch gesagt. Ich habe mich darauf fokussiert und geschaut, dass ich nichts überdrehe. Ich wollte einfach Basketball spielen und zwar so, wie es richtig ist. Am Ende des Tages geht es genau darum. Darum, dass du dein Ding machst, dass du solide bist und das war mein Ziel. Ich wollte nicht den Ball nehmen und sagen: "Okay, ich dribble jetzt 20 Mal durch die Beine und nehme einen Fadeaway." Ich habe meine Rolle stattdessen angenommen und mein Team besser gemacht.
Sie sprechen Ayton an, der im vergangenen Jahr der Top-Pick war und einer der Eckpfeiler bei den Suns ist. Das ist doch ein Ritterschlag, wenn sich so einer Ihnen annimmt, oder?
Krämer: Natürlich, wir sind aber auch in derselben Agentur. Es war richtig cool von ihm, dass er mich zum Essen eingeladen hat und mir ein paar Tipps geben konnte. Er war aber nicht der Einzige. Vor der Summer League hatte ich in Santa Barbara trainiert und dort habe ich mich auch kurz mit Kyle Korver und Josh Richardson ausgetauscht. Geholfen haben mir aber auch meine Trainer und mein Agent. Die sind schon so lange in diesem Business und jede Information, die ich bekommen kann, nutze ich und schätze sie sehr. Das sind Leute aus der besten Liga der Welt und ich könnte einer der Spieler sein, der sagt, ich habe einen Vertrag und das war es. Aber so ist es bei mir nicht, ich bin noch lange nicht da, wo ich sein will. Es liegt viel Arbeit vor mir, aber ich freue mich sehr.
Die Summer League war schon ein erster Vorgeschmack auf die "Glitzerwelt" NBA. Ihr Spiel war ja direkt nach dem Debüt von Zion Williamson angesetzt. In der Halle war bestimmt die Hölle los - abgesehen davon, dass wenig später in Las Vegas die Erde bebte.
Krämer: Natürlich war es unglaublich. Ich bin in die Halle gekommen und die war komplett ausverkauft. Dann spielt da Zion gegen R.J. Barrett und ich sehe direkt vor mir LeBron James, Rich Paul und Anthony Davis, die in der ersten Reihe sitzen. Das war aufregend und da war ich schon nervös, ein richtiger Wow-Moment eben. Es war ärgerlich, dass dann das Erdbeben passiert ist und das Spiel abgebrochen werden musste.
Wie haben Sie das Erdbeben überhaupt wahrgenommen? Wurde Ihnen ein wenig mulmig, wie stark war es? R.J. Barrett meinte, er hat es gar nicht mitbekommen, während die Kommentatoren in der Halle deutlich verängstigt wirkten.
Krämer: Es kam darauf an, wo genau man zu dem Zeitpunkt war. Wir waren vor dem Spiel in der Kabine unten und haben es mitbekommen. Dort hat man es definitiv gespürt, mein Kopf hat sich gedreht. Man reißt sich erst zusammen, aber man denkt sich: "Okay, das bin ich nicht, das ist etwas anderes." Dann hat sich alles ein bisschen seitlich bewegt. Ich musste mich festhalten, da es verwirrend war.
gettyWie war die allgemeine Atmosphäre in den Katakomben direkt danach? Es wusste schließlich niemand, wie schlimm es wirklich ist, oder?
Krämer: Ehrlich gesagt haben wir in der Kabine gelacht, da wir mitten in der Besprechung waren. Nachdem wir mit der Besprechung fertig waren, dachten wir, es wird kein Spiel geben. Dann kam aber die Verwaltung der NBA und sagte, dass das Spiel zunächst um eine Stunde verschoben wird. Dann wurde doch beschlossen, dass es unterbrochen oder in einer anderen Halle gespielt wird. Im Endeffekt gab es kein Spiel. Wir waren ziemlich frustriert, weil wir uns die ganze Woche im Training hart auf das Spiel vorbereitet hatten. Das ganze Team hatte hart trainiert, um sich zu beweisen. Dass wir dann mit Denver die Einzigen waren, die nicht spielen konnten, war sehr bitter. Dennoch war es letztlich wichtiger, dass wir alle sicher nach Hause gekommen sind.
Ihr Debüt gaben Sie immerhin zwei Tage später. Welche Erinnerungen werden Sie daran mitnehmen?
Krämer: Definitiv Vince Carter. Es war das erste Spiel, das ich gespielt habe und das wurde dann ausgerechnet von Carter kommentiert. Ich habe darüber mit meinem Bruder gesprochen und wir haben es enorm gefeiert, weil wir von klein auf immer die Highlights von ihm angeschaut haben. Als ich erfahren habe, dass er mein erstes Spiel kommentiert, habe ich mich unglaublich gefreut.
Dafür haben Sie die weiteren Spiele durchaus genutzt. Haben Sie sich persönlich bereits einen Plan B zurechtgelegt, sollte es dann eventuell doch nicht klappen? Sie haben im Sommer bereits klargemacht, dass Sie nicht nach Ulm zurückkehren werden.
Krämer: Genau, ja. Ich habe über die Zeit in Ulm nur Positives zu sagen. Ich habe unglaubliche Erfahrungen gemacht. Es hat von den Fans her, von den Spielern und Trainern und eigentlich allem super gepasst. Ich war auch sehr froh, Ulm vertreten zu können. Dennoch wusste ich für mich persönlich nach fünf Jahren, dass ich nicht mehr "David - der Nachwuchsspieler" sein will. Ich wollte einen Schritt aus Deutschland wagen. Falls ich zurückkomme, möchte ich sagen, dass ich mich etabliert habe und nicht mehr der Nachwuchsspieler bin. Einen richtigen Plan B habe ich nicht vor Augen. Mein Ziel ist die NBA. Wenn es dann zu Plan B kommt, werde ich mich damit beschäftigen. Jetzt verfolge ich aber meinen Plan A. Das ist mein Ziel.
In Ulm konnte man oft, zum Beispiel in Auszeiten, beobachten, dass Coach Thorsten Leibenath Sie hart rangenommen hat. Ist dies nur ein Blickwinkel aus der Ferne oder war der Coach tatsächlich mit Ihnen immer besonders kritisch?
Krämer: Ich kann nur Positives über Coach Leibenath sagen. Natürlich hatten wir unsere Höhen und Tiefen, aber ich glaube, dass das in jedem Sport so ist. Ich bin dankbar, dass er so streng mit mir war. Vielleicht wäre ich nicht dieser Spieler, der ich jetzt bin. Ich schaue, dass ich das Positive darin sehe und nicht das Negative. Es gehört einfach dazu, auch mal streng zu sein. Es ist nicht immer alles rosa-rot. Der Coach hätte auch sagen können, er redet darüber nicht mit mir, dass es ihm egal ist. Ich kann mich nur für die fünf Jahre bedanken. Es war alles super.
Zum Abschluss. Die Kader-Nominierung für die WM in China steht an. Rechnen Sie sich Chancen aus, dass Ihr Name auf der Präsentation zu sehen sein wird?
Krämer: Ich rechne nicht damit und habe auch nicht dafür geplant. Ich denke, Coach Hendrik Rödl macht einen super Job mit der Mannschaft. Meiner Meinung nach haben wir einen tollen Kader mit Joe Voigtmann, der jetzt bei ZSKA Moskau spielt. Ich hoffe, Dennis Schröder und Maxi Kleber sind dabei. Dann freue ich mich sehr auf meinen Ex-Kollegen Ismet Akpinar. Ich hoffe, der ist auch dabei. Er hätte es auch verdient. Ich persönlich mache mir da nicht Großes vor. Wenn ich da nicht eingeladen bin, ist es gut so. Ich werde Deutschland auf jeden Fall verfolgen. Ich hoffe, dass ich bei der nächsten EM oder WM, die kommen wird, dabei sein und Deutschland vertreten kann.