Traditionell werden die General Manager der 30 Teams vor einer neuen NBA-Saison gebeten, einen Fragenkatalog auszufüllen. "Wer wird MVP?", "Wer wird am meisten unterschätzt?", "Welches Team gewinnt den Titel?" Anonym geben die Verantwortlichen ihre Einschätzungen ab, oft ist dies ein Fingerzeig darauf, worauf in der anstehenden Spielzeit geachtet werden muss.
Gut ein Drittel der GMs nannte vor dieser Saison Nickeil Alexander-Walker als den größten Steal im Draft, zu diesem Zeitpunkt keine polarisierende Antwort. Der 17. Pick begeisterte viele Fans in der Summer League in Las Vegas mit durchschnittlich 24 Punkten sowie 6 Assists und war nach Brandon Clarke (Memphis Grizzlies) der beste Spieler im Turnier.
Während Zion Williamson verletzt zuschauen musste, machte der flinke Guard viel Werbung für seine eigene Person und durfte sich so schnell Hoffnungen auf einen Platz in der Rotation machen.
Nickeil Alexander-Walker: Zu oft ein schwarzes Loch
Das bestätigte auch die Preseason, Alexander-Walker überzeugte Coach Alvin Gentry als Mikrowelle von der Bank (und vielleicht auch als Sänger), der auf dem College meist auch noch den Spielmacher gab und somit im Stande sein sollte, seine Mitspieler einzusetzen. Nur: Der Start in die Regular Season verlief dann mehr als holprig.
Ausgerechnet in seiner Heimat Toronto gab NAW sein NBA-Debüt, seinen ersten Wurf gab er gleich nach sechs Sekunden ab - ein Pullup-Dreier in das Gesicht von Serge Ibaka, der sein Ziel deutlich verfehlte. Alexander-Walker spielte insgesamt 11 Minuten, in denen er nur einen von zehn Würfen für 3 Punkte (dazu 2 Assists) versenken konnte.
Es sollte eine wiederkehrende Story in den folgenden Spielen werden. Gentry ließ NAW mal mehr, mal weniger spielen, zwischenzeitlich kam der 21-Jährige sogar nur in der Garbage Time zum Einsatz. Was sich jedoch nicht änderte, war die Spielweise des Kanadiers. Auf 36 Minuten hochgerechnet nahmen nur zwei Rookies, Ja Morant und Coby White, mehr Würfe als der Pelicans-Guard (17,9 FGA), auch seine Usage Rate von 24 Prozent ist für einen Frischling, der kein Lottery Pick war, enorm hoch.
NAW: Er kann nicht scheitern
Vor allem für einen, der wie NAW in den ersten zehn Spielen gerade einmal 29 Prozent aus dem Feld trifft. Viel zu oft waren die Würfe überhastet, zu früh in der Shotclock, einfach nicht gut. Die Pelicans verloren in dieser Zeit fleißig ihre Spiele, auch wenn dies natürlich nicht primär mit seinen Leistungen zusammen hing.
Aber selbst in dieser schweren Phase bekam NAW von Gentry öffentlich Rückendeckung. "Dieser Junge kann in der NBA nicht scheitern", sagte der Coach den kanadischen Medien vor dem zweiten Duell der Pelicans mit den Raptors. "Seine Arbeitsmoral ist einzigartig und er lässt sich von nichts aus dem Gleichgewicht bringen."
Vielleicht wollte Alexander-Walker auch einfach zu schnell zu viel. Anders als auf dem College bei Virginia Tech muss NAW nicht mehr so viel Verantwortung übernehmen, noch ist er auf der Suche nach der richtigen Balance.
Alexander-Walker eifert Shai Gilgeous-Alexander nach
"Nickeil kann viel besser werden", ist sich Alexander-Walkers Onkel, der Vater von Gilgeous-Alexander und Jugend-Coach der beiden Cousins, sicher. "Er braucht einfach nur ein bisschen Zeit, ihr müsst mir da vertrauen."
Man mag ihm nicht widersprechen, auch Filius Shai machte in Oklahoma in seinem zweiten Jahr einen riesigen Sprung. Die beiden Cousins sind beide ungefähr in dem gleichen Alter, sind beide ähnlich groß, haben ähnliche Anlagen.
Zuletzt spülte auch das enorme Verletzungspech der Pelicans (bis zu 9 verletzte Spieler) Alexander-Walker wieder in die feste Rotation und der Rookie lieferte das, was New Orleans ohne Brandon Ingram, Zion Williamson, Jahlil Okafor, Lonzo Ball etc. brauchte - Scoring.
Alexander-Walker nutzt Verletzungsmisere in New Orleans
In den vergangenen beiden Spielen netzte der Notnagel zusammengerechnet elf Dreier und wirkte gleichzeitig nicht mehr so überdreht wie noch zu Beginn der Saison. Im offenen und kreativen Gentry-System sollte er ohnehin aufblühen. Tempo, schnelle Entscheidungsfindung, Spielmacher-Qualitäten und ein guter Wurf sind gefordert - all das vereint Alexander-Walker mehr oder weniger.
Der Wurf dürfte aber letztlich über Alexander-Walkers Zukunft entscheiden. Kann er diesen konstant versenken und die Balance in seinem Spiel finden, dürfte aus dem 17. Pick ein guter NBA-Spieler werden, der auf beiden Guard-Positionen spielen kann. In der immer kleiner werdenden NBA ist das ein großer Vorteil und ein Anzeichen, dass den Pelicans vielleicht doch an Position 17 der größte Steal in diesem Draft gelungen ist.