Durchatmen war angesagt bei den Chicago Bulls, die nun bei einer Bilanz von 7-14 stehen. Nach zuletzt nur zwei Siegen aus den vergangenen neun Spielen wurde der Auswärtstrip bei den Sacramento Kings einigermaßen versöhnlich mit einem Erfolgserlebnis abgeschlossen.
Und fast noch wichtiger: Sorgenkind Lauri Markkanen verbuchte endlich mal wieder ein gutes Spiel (20 Punkte, 7 Rebounds), es war überhaupt erst das dritte Spiel mit mindestens 20 Punkten in dieser Saison. Blickt man auf das Potenzial des Finnen eigentlich viel zu wenig. "Er findet langsam seinen Rhythmus", befand Teamkollege Wendell Carter Jr.
Nicht wenige hatten vor dieser Saison einen Sprung des Finnen erwartet, Nationaltrainer Henrik Dettmann erklärte im SPOX-Interview sogar, dass es ihn nicht überraschen würde, wenn Markkanen schon in dieser Spielzeit zum All-Star ernannt werden würde. Trotz seinen 20 Punkten in Sacramento wird dies aber mit großer Sicherheit nicht eintreten, stattdessen machte der 22-Jährige gefühlt einen Schritt zurück.
Auch die Statistiken untermauern dies. Markkanen nimmt so wenige Würfe wie noch nie in seiner Karriere und versenkt auch nur 35,7 Prozent davon. Von der Dreierlinie netzt er zudem nur knapp 30 Prozent bei 5,6 Versuchen pro Spiel. Doch woran kann dies festgemacht werden? Der Big Man ist im Gegensatz zur vergangenen Saison komplett fit und dennoch kann er die PS nicht auf die Straße bringen.
Lauri Markkanen: Seine Statistiken in der NBA
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3P% | Rebounds |
17/18 | 68 | 29,7 | 15,2 | 43,4 | 36,2 | 7,5 |
18/19 | 52 | 32,3 | 18,7 | 43,0 | 36,1 | 9,0 |
19/20 | 21 | 29,4 | 13,6 | 35,7 | 29,7 | 7,0 |
Lauri Markkanen wird in der Bulls-Offense kaum eingesetzt
"Wir wissen, wie gut er ist", beteuerte auch Teamkollege Zach LaVine, der selbst wegen seiner Wurfauswahl und schwachen Defense mehrfach von Coach Jim Boylen angezählt wurde. "Wir müssen Lauri helfen, dass er diese Phase überwindet. Bislang haben wir das nicht gut gemacht."
Und genau hier kommt LaVine ins Spiel, der zusammen mit Point Guard Tomas Satoransky die Verantwortung in der Offense besitzt. Diese hat sich trotz des Tschechen im Vergleich zum Vorjahr kaum verbessert. Die Bulls stellen weiterhin die drittschlechteste Offensive der Liga, das Offensiv-Rating ist sogar noch einmal ein Stück schlechter geworden (103,4 zu 104,5 in 2018/19).
Markkanen, der von den Bulls gemeinsam mit LaVine als Franchise-Star beworben wird, hat dabei aber meist nur eine Nebenrolle. Zu oft parkt der Finne am Perimeter, zu oft ohne überhaupt den Ball zu berühren. Im Moment berührt Markkanen gerade einmal 45 Mal pro Spiel den Spalding. Zum Vergleich: Selbst Moritz Wagner, ein Backup bei den Washington Wizards, bekommt mehr Touches (47,5).
Markkanen als überqualifizierter Rollenspieler
Vergangene Saison berührte Markkanen dagegen noch 66 Mal pro Spiel den Ball. Grundsätzlich heißt das wenig, wenn der Finne nun den Spalding in guten Situationen bekommen würde, das ist aber nicht der Fall. Markkanens große Stärke, der Wurf aus der Bewegung nach einem gestellten Block, ist kaum mehr zu sehen, obwohl gegnerische Bigs dies nur schwer verteidigen können.
Stattdessen ist Markkanen ein überqualifizierter Rollenspieler, der allerdings damit Probleme hat, weil er so keinen Rhythmus bekommt. Fast 50 Prozent seiner Würfe sind inzwischen Dreier, der höchste Wert seiner Karriere.
"Ich will aggressiv sein, den Korb attackieren und an die Freiwurflinie kommen", erklärte Markkanen konträr zu dem, was auf dem Feld passiert. "Ich versuche, Rebounds zu holen, um sofort umzuschalten und zu schauen, ob ich leichte Punkte machen kann."
Markkanen: Spiel in Sacramento macht Hoffnung
Leicht fiel Markkanen aber auch das bisher nicht. Von 51 Korblegern versenkte der Power Forward gerade einmal 20, das sind 39 Prozent und ein unterirdischer Wert für einen Big Man. Gegen die Kings traf der Finne immerhin zwei seiner drei Versuche in der Zone, wobei endlich mal wieder der aggressive Zug zum Korb zu sehen war.
"Ich will nicht eindimensional sein und mich nur auf meinen Dreier verlassen, wie es zuletzt der Fall war", erklärte Markkanen nach dem Sacramento-Spiel. "Ich suche noch meinen Platz, aber ich bin glücklich, dass ich heute einige Male zum Korb gekommen bin." Vor allem zum Ende des Spiels war dies der Fall, als die Bulls drauf und dran waren, mal wieder eine hohe Führung zu verspielen. Zweimal zog er in direkter Korbnähe das Foul, beide Male netzte er die Freiwürfe.
Neue Bulls-Offense funktioniert noch nicht
Viele Bulls-Fans würden sich wünschen, dass dies häufiger geschieht und das Guard-lastige Spiel Chicagos ein bisschen mehr Balance bekommt. Die Bulls nehmen inzwischen zehn Dreier mehr als in der Vorsaison, treffen diese aber nur zu 34,6 Prozent (Platz 23). Es ist moderner geworden, die Mitteldistanz ist inzwischen verwaist.
Und trotzdem funktioniert die Offense nicht, weil kein Team in direkter Ringnähe so schlecht trifft wie die Bulls. Das hat einerseits personelle Gründe, da außer Rookie Daniel Gafford kein Big ein guter Finisher am Ring ist, aber auch systematische Faktoren spielen mit hinein. Viel zu oft ist die Zone zugestellt, natürlich auch, weil Chicago nicht genügend Schützen im Kader hat.
"Wir werden an unserem Spielstil festhalten", beteuerte der in der Schusslinie stehende Coach Boylen dennoch. "Ich glaube, dass wir an den richtigen Dingen arbeiten. Wir hatten einige tolle individuelle Momente, waren aber auch oft nicht konstant."
Bulls-Coach Jim Boylen steht weiter in der Kritik
Diese Ansicht dürfte Boylen aber exklusiv haben. Fakt ist, dass die Bulls noch keinen einzigen Sieg gegen ein Team mit einer positiven Bilanz eingefahren haben. Die Siege gab es gegen Memphis, Detroit (2x), Atlanta, New York und eben Sacramento. Nur aufgrund der schwachen Konkurrenz hinter den Top-Teams im Osten liegen die Bulls nur 1,5 Siege hinter Platz acht.
All das befriedigt die unruhige Bulls-Fangemeinde nur wenig, der Unmut über Boylen ist nach den ersten 21 Spielen nicht kleiner geworden. Seine oft schroffe Art kommt nicht wirklich an, auch bedingt bei den Spielern. Wie es scheint, hat der Coach aber weiterhin die Rückendeckung der Verantwortlichen, das wiederholte auch Boylen mehrfach. "Ich wurde nie mehr unterstützt seit ich hier bin als im Moment", sagte der Coach erst kürzlich. "Wir reden jeden Tag miteinander und liegen auf der gleichen Wellenlänge."
Ob das wirklich so ist, lässt sich nur schwer beantworten. Das Front Office um Gar Forman und John Paxson hat zur Situation in dieser Saison noch keine Stellung bezogen, auch wenn Paxson nach der Pleite bei den Golden State Warriors andeutete, dass dies bald passieren könnte.
Vermutlich wollen die Oberen auch noch ein wenig abwarten, schließlich dürfte der Dezember die Richtung für die Bulls weisen, wohin es mit dieser Saison geht. Von den nächsten zwölf Spielen sind neun gegen Teams mit negativer Blianz, bessere Chancen für Markkanen und Co. wird es nicht geben, um das angeschlagene Selbstvertrauen aufzupolstern.