NBA - Russell Westbrook, Kevin Durant und James Harden bei den OKC Thunder: Die Dynastie, die niemals war

Philipp Jakob
09. Januar 202013:00
Russell Westbrook, Kevin Durant und James Harden prägten die erste Ära der Oklahoma City Thunder.getty
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Zu Beginn der vergangenen Dekade schienen die Oklahoma City Thunder prädestiniert für die nächste große Dynastie. Doch ein umstrittener Trade, der Bruch mit Kevin Durant und viel Pech verhinderten den ganz großen Wurf. SPOX rekonstruiert den Werdegang der OKC Thunder - und wie Russell Westbrook zur Legende wurde.

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Die Generalprobe kurz vor Weihnachten verlief schon mal recht ordentlich. Wenige Minuten vor dem Tip-Off der Partie zwischen den Thunder und Clippers gab es stehende Ovationen und warmen Applaus aus dem weiten Rund der Chesapeake Energy Arena, dazu ein kleiner Einspieler auf der Videoleinwand mit Bildern von Paul George, um sein Engagement in der Community und für die Franchise zu würdigen.

Normalerweise gehen die Thunder sehr vorsichtig mit Video-Tributes um - es gab sie lange Zeit gar nicht, um genau zu sein. Selbst Kevin Durant ging nach seinem Wechsel zu den Warriors 2016 leer aus, während andere Teams ihren ehemaligen Spielern Video-Tributes nur so hinterherschmeißen. Die offizielle Begründung damals: Das sei eine "Team-Richtlinie".

In nur zwei Jahren in Oklahoma City und trotz einer Trade-Forderung im vergangenen Sommer zu den Clippers hat es George aber offenbar geschafft, sich eine Ausnahme zu erspielen. Vielleicht diente PG-13 aber auch einfach nur als Testlauf, bevor in der kommenden Nacht womöglich das "echte" Tribut-Debüt ansteht: Bei der Rückkehr von Russell Westbrook an alte Wirkungsstätte.

OKC Thunder: Draft-Volltreffer legen den Grundstein

Insgesamt verbrachte der ehemalige Fan-Liebling elf Jahre bei den Thunder. Er war bis zum Sommer 2019 der einzige Spieler, der seit dem Umzug der Franchise nach Oklahoma City 2008 alle Höhen und Tiefen mitgemacht hatte. Mit seinem Trade zu den Rockets begann in OKC eine neue Ära - nachdem die alte immer unvollendet blieb.

In den frühen 2010ern sagten nicht gerade wenige Experten den Thunder eine langanhaltende Dynastie voraus. Wenige Jahre nach dem umstrittenen Umzug nach Oklahoma schienen die Thunder mit drei zukünftigen Superstars im Team bestens gerüstet, um den Spurs im Westen und LeBrons Heat im Osten Einhalt zu gebieten.

Es waren gleich mehrere Volltreffer von General Manager Sam Presti im Draft, die die Thunder in diese komfortable Ausgangssituation katapultierten. Durant (2. Pick 2017), Westbrook (4. Pick 2008) und James Harden (3. Pick 2009) sowie auch Serge Ibaka (24. Pick 2008) oder Reggie Jackson (24. Pick 2011) gingen allesamt auf das Konto des von den neuen Eigentümern installierten GMs.

Die wichtigsten Daten zu den Thunder/SuperSonics

Erste Saison1967/68 (als SuperSonics)
Bilanz2304 Siege - 1949 Niederlagen
Playoff-Teilnahmen31
Championships1 (1979)
Die meisten PunkteRussell Westbrook (18.859)
Die meisten ReboundsJack Sikma (7729)
Die meisten AssistsGary Payton (7384)

Thunder am Anfang der Dekade: Mehrere Titel im Visier?

Die Belohnung für die teilweise mit Risiko verbundenen Entscheidungen folgte in Form eines Trips in die Western Conference Finals 2011 (1-4 gegen den späteren Champion aus Dallas) und ein Jahr später mit dem Erreichen der Finals, in denen die Thunder LeBron und den Heat einen großen Kampf boten, letztlich aber eine enge Serie deutlich verloren (1-4).

Das junge Team um KD (damals 23 Jahre alt), Westbrook (ebenfalls 23) und Co. war zu diesem Zeitpunkt einfach noch zu grün hinter den Ohren. Doch der Grundstein war gelegt. Mit mehr Erfahrung, mehr gemeinsamen Spielen und mehr Playoff-Runs sollte auch mehr möglich sein. Die Basketball-verrückte Region mit knapp 1,4 Millionen Einwohnern stellte sich mental schon auf die ein oder andere Parade ein.

Bis wenige Monate später die vermeintliche Dynastie ihren ersten kräftigen Schlag in die Magengrube einstecken musste. Presti fädelte den schon damals nicht ganz unumstrittenen Trade ein, der Harden, den amtierenden Sixth Man of the Year, aus finanziellen Gründen nach Houston verfrachtete.

"Du musst die Entscheidung treffen, bei der du das Gefühl hast, dass es das Beste für die Franchise ist", versuchte Presti den Deal zu rechtfertigen. Harden wollte ein Star-Gehalt, OKC zu hohe Luxussteuer vermeiden. Am Ende scheiterte ein Deal wegen 4,5 Millionen Dollar, weil die Thunder schlichtweg nicht bereit waren, das Maximum zu bezahlen (sie boten 55,5 Mio., das Maximum wären 60 gewesen).

Rückblickend ein schwerer Fehler, schließlich stieg der Cap immer weiter an und OKC wäre innerhalb weniger Jahre kein Luxussteuer-Team mehr gewesen.

Russell Westbrook, Kevin Durant und James Harden prägten die erste Ära der Oklahoma City Thunder.getty

Kevin Durant in OKC: Vom Messias zur persona non grata

Trotz des Verlustes des späteren MVP, das Championship-Fenster der Thunder war damit nicht automatisch geschlossen. Ein weiterer Trip in die Finals blieb der neuen Big Three um Durant, Westbrook und Ibaka aber verwehrt. Immer wieder machte das Verletzungspech den Thunder einen Strich durch die Rechnung, 2014 dann die Spurs und 2016 die Warriors jeweils in den West-Finals.

Im Sommer 2016 folgte schließlich die zweite große Zäsur in der noch jungen Historie der OKC Thunder. In Person von KD kehrte das (neben Nick Collison) letzte Überbleibsel alter Sonics-Tage und einer der besten Spieler der kompletten Liga dem Team, ja der gesamten Stadt den Rücken.

Sein Wechsel zu den Warriors, um dort an der Seite von Stephen Curry, Klay Thompson und Draymond Green ein Superteam aufzubauen und zwei Titel einzuheimsen, machte den ehemaligen Messias in Oklahoma City zur Persona non grata - wahrscheinlich verzichteten die Thunder auch deshalb auf ein Video-Tribute.

Russell Westbrook hält den OKC Thunder die Treue

Bei seiner ersten Rückkehr hagelte es Buh-Rufe, während der Partie leistete sich KD immer wieder Nickligkeiten mit den ehemaligen Teamkollegen. Die angeblichen Unstimmigkeiten zwischen Durant und Westbrook (Stichwort: Cupcake) hafteten die Thunder-Fans fast ausschließlich dem abtrünnigen Durant an.

Westbrook dagegen war derjenige, der den Thunder immer die Treue hielt. Mehr noch: Russ hielt das Team in seiner MVP-Saison 2016/17 nach Durants Abgang im wahrsten Sinne des Wortes im Alleingang in der sportlichen Relevanz. Im anschließenden Sommer verlängerte er sogar seinen Vertrag.

Wenig überraschend avancierte Westbrook spätestens damit zu einer Legende in Oklahoma City. Die Fanbase verehrte den Point Guard für dessen Loyalität, seinen unermüdlichen Einsatz und nicht zuletzt auch für seinen spektakulären Spielstil. Presti belohnte ihn mit einem weiteren Superstar-Trade. Dieses Mal lotste er PG-13 nach OKC. Der erhoffte große Wurf blieb allerdings aus, das Endresultat ist bekannt.

Nachdem sich OKC nach dem Abgang von KD erfolgreich einem weitreichenden Umbruch verweigert und alles auf die Karte Westbrook gesetzt hatte, blieb GM Presti im Sommer 2019 keine andere Wahl mehr. Mit dem 31-Jährigen verließ der letzte Eckpfeiler des 2012er Finals-Teams die Stadt, übel nahm ihm das dort niemand.

Russell Westbrook über OKC: "Immer etwas ganz Besonderes"

"Ich habe einen großen Teil meiner Karriere [in OKC] verbracht, habe eine Menge Leute getroffen. Es ist eine gute Organisation, großartige Leute", sagte Westbrook nun kurz vor dem Duell der Rockets und Thunder. "Dieser Ort wird immer etwas ganz Besonderes für mich sein." Auch ohne die endgültige Krönung.

Das What-If um den Harden-Trade und die Zukunft der Thunder ist eine der faszinierendsten Fragen der jüngeren NBA-Geschichte. Oklahoma City hatte zu einem Zeitpunkt vielleicht drei der zehn besten Spieler der Dekade in seinen Reihen. Doch die vermeintliche Dynastie wurde nie wirklich realisiert.

Seine Rückkehr werde definitiv emotional, betonte Westbrook, der eine "lange Liste" mit schönen Erinnerungen an seine Zeit in OKC habe. Andersherum gilt das wohl auch für die Thunder-Fans. "Russell bedeutet den Menschen in Oklahoma viel mehr als ich und selbst ich habe Standing Ovations bekommen", sagte George angesprochen auf das Spiel seines Ex-Teams. "Ich erwarte pausenlosen Jubel für ihn."

Und auch ein Video-Tribute hat sich Westbrook zweifellos verdient.