Die Karriere des Christopher Wesson Bosh begann im Jahr 2003 bei den Toronto Raptors. Die Kanadier sicherten sich die Dienste des schlaksigen 2,11-Meter-Mannes mit dem vierten Pick in einem der talentiertesten Jahrgänge aller Zeiten.
Vor ihm gingen LeBron James an erster und Carmelo Anthony an dritter Position über die Ladentheke (unterbrochen von Darko Milicic), an fünfter Stelle musste Riley mit einem gewissen Dwyane Wade Vorlieb nehmen. Der Heat-Präsident hatte damals schon ein Auge auf Bosh geworfen, sieben Jahre später sollte er ihn endlich nach Miami locken.
In diesen sieben Jahren schaffte es der Boshasaurus im Raptors-Trikot fünfmal ins All-Star Team, 2007 wurde er zudem ins All-NBA Second-Team gewählt. Doch die Postseason stand für Toronto und Bosh in dieser Ära nur zweimal auf dem Programm. Jeweils war nach der ersten Runde Schluss, als Franchise-Star schaffte er es nicht, sein Team auf die nächste Stufe zu hieven.
Getrieben vom Wunsch nach tiefen Playoff-Runs und Titeln am Fließband schloss sich Bosh in der Free Agency 2010 mit seinen guten Kumpels LeBron und Wade zusammen. Gemeinsam ging es an den South Beach, wo nicht nur zwei, nicht nur drei, nicht nur vier ... und so weiter.
Einst Lachnummer, dann der beste Photobomber der Liga
Die aus LeBrons "Decision" oder auch der übertriebenen Willkommensfeier der Heat für ihre drei neuen Stars entstandene, generelle Abneigung gegenüber dem Team machte auch gegenüber Bosh nicht Halt.
Seine Persönlichkeit und seine teils alberne Art machten ihn außerhalb von Heat-Fankreisen zur Lachnummer. Viele hielten ihn für einen soften Big Man, der nur auf der Erfolgswelle von LeBron und Wade reiten wollte. Dass Bosh nach der Finals-Niederlage 2011 gegen die Dallas Mavericks in den Katakomben vor laufenden Kameras in Tränen ausbrach, verstärkte dieses Vorurteil bei vielen nur noch.
"Es hatte den Anschein, dass sich über alles, was ich gemacht habe, lustig gemacht wurde", sagte Bosh einmal gegenüber ESPN. Aus der Bahn bringen ließ er sich dadurch aber nicht, der Fokus blieb immer auf das große Ziel gerichtet: die Championship.
"Er hat einen unglaublichen Job gemacht, mit seinem Spiel darauf zu antworten", lobte Wade seinen Teamkollegen. "Er hat gesagt: 'Hey, das bin nun mal ich. Entweder du hasst mich oder du liebst mich, aber das ist, wer ich schon immer war.'"
Als sich in Miami der Erfolg einstellte, verschwand im Laufe der Jahre auch die Abneigung gegenüber Bosh. In Zeiten von immergleichen Sportler-Phrasen war seine Persönlichkeit eine nette Abwechslung. Plötzlich wurde er gefeiert als bester Photobomber der Liga - und er überzeugte mit seinen Leistungen auf dem Parkett.
Chris Bosh: Die ungeliebte Position
Von den drei großen Stars im Teamgefüge der Heat war es Bosh, der mit seinem Wechsel nach Florida am meisten opferte. Statt beispielsweise in Toronto die Rolle als klare Nummer-1-Option zu genießen, ordnete er sich in Miami des großen Ganzen zuliebe LeBron und Wade unter.
Entsprechend sank seine offensive Produktion im Vergleich zu Raptors-Zeiten, doch an seiner Bedeutung für den Teamerfolg der Heat änderte dies nichts. Mit seiner Wurfstärke aus der Mitteldistanz und vor allem von Downtown (immerhin 34,3 Prozent Dreierquote mit den Heat) verschaffte er seinen Co-Stars Platz für Drives in die Zone.
Am anderen Ende des Courts agierte er als intelligenter Ringbeschützer und starker Pick'n'Roll-Verteidiger auch gegen kleinere Guards. Vor allem, als Bosh den Wechsel von Power Forward auf Center in den Finals 2012 akzeptierte, machte das die Heat zu dem Powerhouse, als das sie in die Geschichte eingehen sollten.
Miami Heat dank Bosh: Small-Ball in Reinform
Dabei wollte Bosh Zeit seiner Karriere eigentlich nie auf der Fünf auflaufen. In Toronto wehrte er sich noch erfolgreich gegen entsprechende Vorschläge von Seiten des Coaching-Stabs, doch bei den Heat riss er sich zusammen.
"Das waren die Finals", erinnerte sich Bosh. "Wenn ich mich beschwert hätte, dass ich in den Finals starten darf, wäre mein jüngeres Ich ziemlich sauer gewesen. Der 18-jährige Chris hätte gesagt: 'Ist das dein Ernst?!'"
Bosh als Center ermöglichte den Heat ein Lineup mit mehreren Shootern um LeBron und Wade, Small-Ball in Reinform. "Ohne ihn gewinne ich nicht die Championships in Miami", betonte LeBron einmal den Stellenwert des Big Man. "Er ist die Definition von Professionalität. Es ging niemals um ihn, sondern immer um das Team."
Chris Bosh: Eine unvollendete Karriere
Auch nachdem der King dem South Beach 2014 wieder den Rücken kehrte, verlängerte Bosh seinen Vertrag bei den Heat, trotz lukrativer Angebote der Konkurrenz, beispielsweise aus Houston. Ohne LeBron stieg der Punkteschnitt des Centers wieder ein wenig an, die NBA entwickelte sich damals in eine Richtung, die nahezu perfekt auf Boshs Fähigkeiten zugeschnitten war.
Er war der Prototyp des heutigen Small-Ball-Centers, mit seinem Dreier und solider Defense wie geschaffen für das Ende der 2010er-Dekade und darüber hinaus. Sein Einfluss auf das Spiel, sein Erfolg mit den Miami Heat, insgesamt 11 All-Star-Nominierungen und eine olympische Goldmedaille mit Team USA machten ihn in seiner 13-jährigen Laufbahn zum Hall of Famer, auch wenn er es 2021 erst im zweiten Anlauf schaffte.
Doch in gewisser Weise bleibt die Karriere von Chris Bosh für immer unvollendet. Im Februar 2016 war er noch lange nicht fertig. Wie viele All-Star-Teilnahmen, wie viele Punkte, wie viele Photobombs wären wohl noch hinzugekommen, hätte seine Gesundheit mitgespielt? Wahrscheinlich eine Menge. Doch er hatte es eben nicht in der Hand.