Der beste Schütze seiner Zeit
Hier sollte man sich auch nicht von den vergleichsweise schwachen Quoten aus dem Feld täuschen lassen. Der Liga-Schnitt betrug damals lediglich rund 45 Prozent aus dem Feld, Jones lag mit Ausnahme einer Spielzeit immer darüber.
Der Shooting Guard war der designierte Vollstrecker in der bestens geölten Maschine der Celtics. Russell holte die Rebounds und leitete zumeist mit einem schnellen Pass den Fastbreak über Cousy ein. Jones schaltete ebenfalls schnell um und besetzte die Ecken. Dazu war er auch im Halbfeld eine stetige Gefahr, vor allem nach den zahlreichen Offensiv-Rebounds von Russell.
Hier profitierte Jones einerseits von der herausragenden Übersicht seines Centers, andererseits bewegte sich der Guard so geschickt, dass er immer wieder seine Gegenspieler abschütteln konnte. "Du kannst nicht rumstehen", erklärte Jones seine Strategie. "Wenn jemand den Ball wirft, muss der Verteidiger schauen, wohin der Rebound geht. Wenn ich sehe, dass wir den Rebound haben, wechsele ich die Position."
Jones führte die Celtics so in gleich drei Saisons im Scoring an, dreimal reichte es für das All-NBA Second Team, immer hinter West und Oscar Robertson. "Er besitzt nicht ganz die Klasse von West oder Robertson, die einfach mehr Dinge können", befand auch Auerbach, der aber hinzufügte: "Als Schützen kann ihm aber keiner das Wasser reichen."
In diesen Jahren brauchten die Celtics auch diesen Jones, der gleichzeitig immer wieder betonte, dass er nicht der Fixpunkt der Offensive sein wollte. Als er 1965 über eine komplette Saison 2.000 Punkte erzielte, gab er bescheiden zu Protokoll: "Jeder in diesem Team könnte 2.000 Punkte machen, wenn man es von ihnen verlangen würde. Die anderen opfern viel, damit ich diese 2.000 Punkte scoren kann." Verantwortung übernahm Jones aber meist in engen Spielen.
Sam Jones: Der Lakers-Killer
Und genau diese Qualität brauchten die Celtics von Jones, welcher über seine Karriere achtmal einen Gamewinner traf. Auch in den Playoffs hatte der Guard seine Momente. In Spiel 7 der Division Finals gegen Wilts Warriors traf Jones über die ausgestreckten Arme von Chamberlain den Wurf zum Serien-Sieg, in den folgenden Finals machte er 5 der 10 Celtics-Punkte in der Verlängerung von Spiel 7 gegen die Lakers, die Boston einen weiteren Titel brachten.
In der Folge wurde Jones zu einer der Konstanten der Celtics, in seiner Hochzeit legte er durchschnittlich 28,6 Punkte in den Playoffs auf. Neben Russell wurde Jones mit der Zeit zum Fixstern, auch weil alternde Celtics-Stars wie Cousy ihre Karrieren beendeten.
Jones blieb dagegen bis 1969, dem letzten Hurra der Dynastie. Russell war inzwischen Spieler-Coach, das Team langsam in die Jahre gekommen. Trotzdem reichte es für die Finals, wo mal wieder Wilt, zusammen mit West und Elgin Baylor wartete.
Viele Experten favorisierten die jüngeren Lakers und nach drei Spielen hatten die Kalifornier tatsächlich eine 2-1-Serienführung. Spiel 4 wurde so zu einem Must-Win-Spiel für Boston, um nicht mit einem 1-3 nach L.A. zu reisen. Es wurde ein hart umkämpftes Spiel, beide Seiten waren fahrig, es gab über 50 Turnover und kein Team traf über 40 Prozent aus dem Feld.
Sam Jones: Seine Statistiken in der NBA
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | Assists |
57/58 | 56 | 10,6 | 4,6 | 42,9 | 0,7 |
58/59 | 71 | 20,6 | 10,7 | 43,4 | 1,4 |
59/60 | 74 | 20,4 | 11,9 | 45,4 | 1,7 |
60/61 | 78 | 26,0 | 15,0 | 44,9 | 2,8 |
61/62 | 78 | 30,6 | 18,4 | 46,4 | 3,0 |
62/63 | 76 | 30,6 | 19,7 | 47,6 | 3,2 |
63/64 | 76 | 31,3 | 19,4 | 45,0 | 2,7 |
64/65 | 80 | 36,1 | 25,9 | 45,2 | 2,8 |
65/66 | 67 | 32,2 | 23,5 | 46,9 | 3,2 |
66/67 | 72 | 32,3 | 22,1 | 45,4 | 3,0 |
67/68 | 73 | 33,0 | 21,3 | 46,1 | 3,0 |
68/69 | 70 | 26,0 | 16,3 | 45,0 | 2,6 |
Zehn Titel mit Bill Russell
Bei den Lakers hatte West die heiße Hand, der Shooting Guard witterte nach zahlreichen Niederlagen gegen die Celtics seine große Chance. 40 Punkte erzielte The Logo, während Chamberlain (3/8 FG, 2/11 FT) und Baylor (2/14 FG) offensiv fast nichts auf die Reihe brachten. Trotzdem führten die Lakers wenige Sekunden vor dem Ende mit 88:87, doch Baylor gab den Ball noch einmal her, weil er mit dem Fuß im Aus stand.
Aus Celtics-Sicht war klar, wer nun den Ball bekommen sollte. Es wurde ein Play für Jones gelaufen, die Lakers reagierten jedoch und so stand Wilt dem kleinen Guard gegenüber. Jones musste mit dem falschen Fuß hochspringen, um den Wurf loszubekommen, doch es war egal. Der Ball sprang an die Vorderseite des Rings, nach oben und dann tatsächlich durch die Reuse. Die Celtics und Jones hatten es mal wieder geschafft.
Statt die Serie zu beenden, mussten die Lakers mit 2-2 zurückfliegen, am Ende triumphierten wieder die Celtics - in Spiel 7 in Los Angeles und auch dank 24 Punkten von Jones. Es sollte der letzte Streich von Russells Celtics sein, der Center beendete im Anschluss seine Spieler-Karriere und auch Jones tat es seinem Anführer gleich.
"Der ultimative Winner"
Danach verließ Jones Boston, wie auch Russell, umgehend, auch ein Grund, warum Jones selbst bei Celtics-Fans in Vergessenheit geriet. Laut eigener Aussage im Jahr 2010 kehrte der Shooting Guard nur noch zweimal zurück, betonte aber auch, dass weiterhin grünes Blut durch seine Adern fließe. Ins Rampenlicht drängte er jedoch wie schon während seiner aktiven Karriere nie.
Die Celtics zogen immerhin seine 24 zurück, Jones wurde zudem in die Jubiläumsteams der NBA zum 25., 50. und 75. Geburtstag der Liga aufgenommen, gleiches galt für die Hall of Fame. Und doch sprechen heute nur noch die wenigsten über Russells Sidekick. Der fasste Jones' unterschätzte Qualitäten in seinem Buch "Second Wind" treffend zusammen.
"Wenn der Druck stieg, wollte Sam den Ball. Das ist für mich die Eigenschaft eines Champions. (...) In Los Angeles nannten sie Jerry West Mr. Clutch - und das war er tatsächlich. In einem siebten Spiel einer Finals-Serie würde ich aber immer Sam Jones über alle Spieler, die je ein Feld betreten haben, auswählen."
Ein größeres Kompliment kann man vom ultimativen Winner, dem Herr der Ringe der NBA, nicht bekommen.