NBA - Michael Jordan und die Rivalität mit den New York Knicks: Feinde bis aufs Blut - und doch fast vereint

Robert Arndt
17. April 202011:14
SPOX
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Michael Jordan und die Chicago Bulls trafen in den Playoffs mehrfach auf die New York Knicks um Star-Coach Pat Riley. His Airness verlor zwar gegen die Knicks nie eine Serie, trotzdem entwickelten sich in den Neunzigern packende Serien, zahlreiche Geschichten und große Momente. Später hätte sich MJ auch beinahe den Knicks noch angeschlossen. Teil fünf der Jordan-Woche auf SPOX.

Es war alles angerichtet für die New York Knicks. 1993 sollte das Jahr der Knickerbockers werden. In der Regular Season hatte das Team von Coach Pat Riley die Chicago Bulls, den amtierenden Back-to-back-Champion um Michael Jordan, erstmals hinter sich gelassen und ganz Amerika fieberte auf ein mögliches Matchup zwischen den beiden in den Conference Finals hin.

Amerika sollte es bekommen. Bulls gegen Knicks. Auf der einen Seite Chicago um Jordan, das aufregende, spektakuläre Offensiv-Team, welchem die Sympathien nur so zuflogen. Auf der anderen Seite New York, diese hart arbeitende Mannschaft bestehend aus Patrick Ewing, einigen harten Arbeitern und Underdogs.

Es war ein Duell der Gegensätze, ein Clash von Philosophien. Für die Medien war es ein gefundenes Fressen, auch weil alle Beteiligten fleißig Öl ins Feuer gossen. "Sie sind ein Team mit vielen schlechten Angewohnheiten, eine Ansammlung von persönlichem Versagen", ließ Bulls-Coach Phil Jackson, früher selbst Teil legendärer Knicks-Teams, vor dem Start der Serie verlauten und auch Jordan zeigte wenig Respekt für die Arbeiter aus dem Big Apple. "Ich sehe viele Schwächen bei den Knicks, sie sind extrem verwundbar", so das vernichtende Urteil des Shooting Guards.

Pat Riley macht die New York Knicks wieder relevant

Zu diesem Zeitpunkt kannten sich beide Teams bereits aus dem Effeff. 1989, 1991 und 1992 kam es bereits zum Aufeinandertreffen in den Playoffs, zu Beginn hatten die Bulls leichtes Spiel, nicht zuletzt 1991, als Chicago in der ersten Runde kurzen Prozess mit den Knicks machte und einen ungefährdeten Sweep einfuhr.

Es war frustrierend, vor allem für Ewing, der 1985 als Top-Pick mit vielen Lorbeeren in die Liga kam und die darbenden Knicks (letzter Titel: 1973) endlich wieder ins gelobte Land führen sollte. Doch vor allem 1991 enttäuschte der Center gegen die Bulls und legte nur 16 Punkte sowie 10 Rebounds bei 40 Prozent aus dem Feld auf.

Die Wende sollte mit der Ankunft von Riley eingeläutet werden. Die Showtime-Lakers um Magic Johnson, James Worthy und Kareem Abdul-Jabaar waren ein ikonisches Team und Riley, stets mit Armani-Anzug und perfekt gegeltem Haar, war der Architekt von der Bank.

Doch auch Riley wusste, dass man die Bulls nicht mit ihren eigenen Waffen schlagen konnte. So bastelte der damals vierfache NBA-Champion ein Team, welches ein wenig an die Pistons erinnerte.

Jordan: Auf die Pistons folgten die Knicks

Jordan und die Bulls sollten mit Härte bekämpft werden, dank des damaligen Regelbuchs der NBA war das auch in gewissem Maße möglich. Handchecking sollte erst 2004 abgeschafft werden, Zonenverteidigung war ohnehin verboten. Mann-gegen-Mann und Low-Post-Offense, das waren die Neunziger und die Knicks waren mit ihrer physischen Interpretation so etwas wie das Ebenbild dieser Ära, auch weil sie ähnlich wie Detroit gewillt waren, Grenzen zu überschreiten.

"Wir sind physisch, wir sind aggressiv, das sind Merkmale eines dominanten Teams", verteidigte Riley damals den wenig ästhetischen Stil seines Teams. Der Erfolg gab ihm recht, die Knicks gewannen fast 20 Spiele mehr in der Regular Season als im Jahr zuvor und schalteten in Runde eins auch die alternden Detroit Pistons aus.

Jordan und Co. waren dagegen locker gegen Miami in die nächste Runde spaziert. Die Ausbeute von His Airness? 46, 33 und 56 Punkte! Mit den Knicks wartete allerdings ein anderes Kaliber und die New Yorker schockten die Bulls gleich einmal mit einem 93:86-Auswärtssieg im berüchtigten Chicago Stadium, der damals wohl lautesten Halle in der kompletten NBA. Es sollte der letzte Auswärtssieg der Knicks in der Jordan-Ära gewesen sein, sie wussten es nur noch nicht ...

1992: Jordan bringt die Bulls ins Ziel

Die Bulls schlugen in Spiel 2 zurück, doch Jordan hatte seine Probleme mit dem physischen John Starks, einem nicht gedrafteten Guard, der unter Riley plötzlich eine größere Rolle spielte. Auch Scottie Pippen bekam Starks zu spüren, der Forward wurde am Ende von Spiel 4 rüde gefoult, was vor allem Jackson auf die Palme brachte.

Die Knicks hatten Pippen als Schwachpunkt der Bulls ausgemacht, lange Zeit galt er als soft, nicht zuletzt weil er wenige Jahre zuvor ein Playoff-Spiel gegen Detroit wegen einer Migräne verpasste.

Die Serie schwang trotz allem hin und her, am Ende musste Spiel 7 entscheiden, die Bulls hatten jedoch Heimvorteil und eben den GOAT in ihren Reihen. 42 Punkte schenkte MJ den Knicks ein und Knicks-Forward Gerald Wilkens stöhnte anschließend: "Er war heute Superman. Er hatte schlichtweg mehr Energie und Kraft als alle anderen."

Die Bulls holten anschließend den Titel und es sollte fast ein Jahr dauern, bis die Knicks ihre Chance auf Revanche bekommen würden.

John Starks und Jordans Spielsucht

Zum Start der Conference Finals war der MSG ein Tollhaus, ganz New York glaubte an die Sensation. Warum auch nicht? Diesmal hatten sie den Heimvorteil und mussten nicht in Chicago gewinnen. Und zunächst erledigten sie auch ihre Hausaufgaben, beide Heimspiele wurden gewonnen, Jordan traf jeweils nur 37 Prozent aus dem Feld. Das Momentum schien bei den Knicks zu liegen, nicht zuletzt weil Starks die Knicks in Spiel 2 mit seinem berühmten Dunk über MJ auf die Siegerstraße brachte.

Daran sollten die Bulls vier Tage zu knabbern haben, während Jackson mal wieder mit den Refs haderte. "Basketball ist doch kein Wrestling. Ich hoffe nicht, dass sie mit ihrer Spielweise in unserer Halle davonkommen", ätzte Jackson.

Doch auch New Yorks Presse legte in der freien Zeit Störfeuer. Ausgerechnet die seriöse New York Times berichtete nun, dass Jordan in der Nacht vor Spiel 2 in Atlantic City gesichtet worden war, wo er um hohe Geldbeträge gespielt haben soll. Bei den Bulls wunderte dies kaum jemanden, ein anonymer Mitspieler scherzte, dass die Story war, dass Jordan bereits um 2.30 Uhr daheim gewesen sei.

Provoziere niemals Michael Jordan!

Jordan hingegen war wütend und dementierte es heftig, auch wenn er zugab, dass er erst um 1 Uhr im Bett lag. Aus Trotz boykottierte Jordan in der Folge alle Medien, sehr zum Ärger von Commissioner David Stern. Jordan war gleichzeitig auf Stern sauer, da dieser seiner Meinung nach sein Privatleben nicht ausreichend schützte.

Im folgenden Spiel schien Jordan dann von der Rolle, der Guard versenkte nur drei seiner 18 Würfe, dank zahlreicher Freiwürfe kam er letztlich noch auf 22 Zähler und servierte 11 Assists. Die Bulls gewannen trotzdem und waren wieder in der Serie. Starks legte sich in der Schlussphase auch mit Jordan an und wurde ejectet, es sollte den Wendepunkt der Serie darstellen.

Der Knicks-Hitzkopf hatte eine goldene Regel gebrochen: Provoziere niemals Michael Jordan! Und Starks musste dafür bezahlen. In Spiel 4 machte Jordan gegen das beste Defensiv-Team der Liga 54 Punkte (6/9 Dreier), fast alle seine Zähler erzielte er gegen Starks.

Das Charles-Smith-Spiel

"Er hat mir heute den Hintern versohlt", musste schließlich auch das Großmaul kleinlaut zugeben. Dass die Knicks eigentlich weiterhin das bessere Blatt hatten, fühlte nun niemand mehr - und trotzdem waren die Knicks auch in Spiel 5 ganz nah dran. Jordan wurde bei 29 Punkten gehalten, doch neben insgesamt 15 vergebenen Freiwürfen kam es in der Schlussminute zu der Szene, die wohl jeder Knicks-Fan gerne aus seinem Gedächtnis streichen würde. Bei einem Punkt Rückstand war Forward Charles Smith plötzlich frei unter dem Korb und hatte die Chance, die entscheidenden Punkte zu besorgen.

Allerdings wurde Smith dabei gleich viermal in Serie abgeräumt und zwar von Horace Grant, Jordan und letztlich zweimal Pippen. Die Bulls warfen den Spalding nach vorne, B.J. Armstrong machte per Layup mit der Sirene alles klar. Jordan sprang vor Freude in die Luft und rannte anschließend jubelnd in die Katakomben. Zwar war noch ein Spiel zu absolvieren, doch jeder spürte, dass diese Serie vorbei war. Zwei Tage später war es dann auch offiziell, die Bulls holten sich die Serie mit 4-2.

Jordan gewann alle Serien gegen die Knicks

Wenige Wochen später wurde der Threepeat perfekt gemacht und Jordan widmete sich dem Baseball. Die Knicks bezwangen im Folgejahr die MJ-losen Bulls mit 4-3, zum Titel reichte es aber nicht. Die Riley-Truppe hatte es in ihrer Prime verpasst, sich zu krönen, stärker als 1992 und 1993 war kein Knicks-Team mehr.

1996 sollte es noch eine letzte Chance geben, um Jordan bei seinem Comeback zu ärgern, doch die 72-10-Bulls blieben eiskalt und gewannen trotz einiger enger Spiele locker mit 4-1. In jener Saison gelang Jordan auch sein berühmtes Double-Nickel-Spiel, als er 55 Punkte erzielte. Riley war da schon Vergangenheit, im Sommer zuvor hatte der Coach stattdessen lieber in Miami unterschrieben.

New York hatte aber auch ohne Riley große Pläne. Jordan wurde 1996 Free Agent und in Manhattan plante man tatsächlich den Coup, His Airness aus Chicago loszueisen. Jordans Verhältnis zu GM Jerry Krause hatte sich weiter verschlechtert, nur ein großer Zahltag sollte Jordan halten können, auch weil er in all seinen Bulls-Jahren nie mehr als 4 Millionen Dollar an Gehalt einstrich.

Knicks wollten Jordan nach New York locken

Zum Vergleich: Ewing kassierte damals 18 Millionen, entsprechend wollte Jordan auch bezahlt werden. Die Knicks schaufelten also Cap Space frei, rund 12 Millionen, was aber natürlich viel zu wenig war. MSG-Präsident Dave Checketts sollte später dem Chicago Tribune folgendes erklären: "Wir sagten, dass sie unseren kompletten finanziellen Spielraum haben können."

Im Gespräch waren aber 25 Millionen, was durch Kabel-TV-Anbieter ITT ermöglicht werden sollte. Jordans Agent David Falk handelte folgenden Deal aus: Jordan sollte 12 Millionen von den Knicks bekommen und gleichzeitig für eine Botschafter-Tätigkeit von ITT-Tochter Sheraton weitere 13 Millionen einstreichen.

Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Regelwerk der NBA gewesen, doch Stern hätte darüber hinweggesehen, da Jordan für ihn über allem stand und dies der NBA ungeahnte Möglichkeiten gegeben hätte. Der beste Spieler im größten Markt der USA? Es war Sterns feuchter Traum.

Michael Jordan: Seine Playoff-Statistiken gegen die Knicks

PlayoffsSpielePunkteFG%3P%ReboundsAssists
1989635,755,030,79,58,3
1991329,052,550,04,76,0
1992731,349,120,05,74,3
1993632,240,040,06,27,0
1997536,044,231,84,84,4

Jordan und die Knicks: Einseitig, aber stets spannend

Falk gab den Bulls noch eine letzte Chance und informierte Besitzer Jerry Reinsdorf, dass Chicago eine Stunde bleiben würde, um das Angebot der Knicks zu übertrumpfen. War es ein Bluff? Die Bulls wollten es nicht darauf ankommen lassen, schließlich sagte Jordan bereits in der Vergangenheit, dass er mit Ewing einen weiteren Titel gewinnen könnte.

Chicago bekam kalte Füße und schließlich einigten sich Jordan und die Bulls auf einen Vertrag über die damalige Rekordsumme von 30 Millionen Dollar.

Es sollte sich für Jordan auszahlen, schließlich folgten noch zwei weitere Titel mit Chicago, ein weiteres Duell mit den Knicks blieb aus. Über seine Karriere gewann Jordan alle fünf Serien gegen New York, dennoch war es aus Fan-Sicht eine fantastische Rivalität. Jordan, das Mekka des Basketballs, David gegen Goliath, markige Sprüche und Gladiatoren-Kämpfe auf dem Feld. Jordan gegen die Knicks hatte alles, was man sich als Fan wünschen durfte, auch wenn die Knicks Jordan letztlich nie besiegten.