Zu Beginn des Jahrhunderts mischten die Sacramento Kings ordentlich die Liga auf. Mittendrin: Peja Stojakovic. Der Serbe ist einer der besten Schützen aller Zeiten und wird doch oftmals unterschätzt. Vielleicht auch, weil im wohl größten Moment seiner Karriere seine wichtigste Waffe versagte.
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"Wenn Peja den Ball fliegen lässt, sieht es jedes Mal so aus, als ob er reingeht. Er ist mit weitem Abstand der beste Shooter der Liga." Gibt es ein größeres Lob für einen Scharfschützen in der NBA, und dann auch noch aus dem Mund von Hall of Famer und Celtics-Legende Larry Bird? Wohl kaum.
Vor allem ist der damalige Pacers-Teampräsident im Frühjahr 2004 mit dieser Meinung über Peja Stojakovic nicht alleine. Der langjährige Kings-Kommentator Jerry Reynolds soll den Dreier des Europäers in Anbetracht dessen Effizienz einmal als "serbischen Freiwurf" bezeichnet haben. Und selbst Ray Allen, ebenfalls Anwärter auf den Titel als bester Shooters der damaligen Zeit, muss sich 2004 eingestehen, dass Stojakovic wohl einen kleinen Vorteil in diesem Duell hat.
Als der heute 43-Jährige 2011 seine aktive Karriere beendete, rangierte er auf Rang zehn der All-Time-Dreierschützen. Seine 1.706 Triples in 804 Spielen reichen heute immerhin noch zu Platz 20. Bei der Freiwurfquote belegt der den fünften Rang All-Time (89,5 Prozent).
Und doch wird Stojakovic in den Annalen der NBA leicht übergangen, von vielen unterschätzt. Vielleicht auch, weil im wohl größten Moment seiner Karriere seine wichtigste Waffe versagte.
Peja Stojakovic: Zwischen Kobe und Nash
Predrag "Peja" Stojakovic erblickt am 9. Juni 1977 in Pozega im damaligen Jugoslawien das Licht der Welt. Mit dem Beginn der Jugoslawienkriege Anfang der 1990er Jahre fühlt sich die Familie mit serbischen Wurzeln in der kroatischen Stadt nicht mehr sicher und flieht nach Belgrad.
Schon lange vor dem Bürgerkrieg träumt der junge Peja von einer Karriere als Profi-Sportler, eigentlich jedoch als Fußballer. Erst ein Wachstumsschub in Teenager-Jahren lässt seinen Fokus mehr und mehr zum orangefarbenen Leder wandern. In Belgrad entdecken Scouts von Roter Stern sein Talent, schon mit 15 Jahren schafft er den Sprung in die erste Mannschaft.
Nur ein Jahr später kehrt er Belgrad den Rücken und zieht weiter nach Griechenland, wo eine deutlich stabilere politische Situation und ein Angebot von PAOK Thessaloniki warten - und der endgültige Durchbruch auf internationalem Level.
Schnell werden die Scouts aus Amerika auf den langen Small Forward aufmerksam, den sich schließlich die Kings im Draft 1996 an Position 14 schnappen. Direkt hinter Kobe Bryant, einen Spot vor Steve Nash. PAOK ist jedoch nicht gewillt, den bis 1998 laufenden Vertrag mit Stojakovic aufzulösen. Die Kings müssen zum Gespött der Konkurrenz warten.
imago imagesHeld in Griechenland - Bankspieler in der NBA
Der Entwicklung des Serben schaden weitere Jahre in Griechenland jedoch nicht. Statt als Rookie auf einer NBA-Bank zu schmoren, ballert er sich zum Lokalhelden in Thessaloniki. In der Halbfinal-Serie um die griechische Meisterschaft 1998 beendet Stojakovic mit einem Dreier in letzter Sekunde die Vorherrschaft von Olympiakos, die zuvor fünf Titel in Folge gewannen. Zwar scheitert PAOK im Finale, der Forward holt dennoch in seiner letzten Saison in Griechenland die MVP-Trophäe.
Einen Platz als Starter bei den Kings garantieren ihn diese Dekorierungen jedoch nicht. Als Stojakovic nach dem Ende des Lockouts 1998 den Sprung in die NBA wagt, ist er in den USA doch nur der Rookie, der sich seine Minuten erarbeiten muss.
Unter Coach Rick Adelman kommt er in seiner ersten Spielzeit in der Association immerhin auf 21,4 Minuten, mit 8,4 Punkten bei 37,8 Prozent aus dem Feld ist seine Ausbeute aber enttäuschend. Das nagt am Selbstvertrauen, Peja denkt sogar darüber nach, das NBA-Abenteuer abzubrechen.
"Vlade Divac hat mir gesagt, dass meine Zeit kommen wird", erinnert sich Stojakovic später bei ESPN. "Ich habe einfach abgewartet. Ich habe die Entscheidung getroffen, noch drei Jahre zu bleiben. Wenn mein Vertrag ausläuft und ich nicht glücklich bin, dann gehe ich."
Sacramento Kings und die "Greatest Show on Court"
Divac, der zeitgleich mit seinem Landsmann in Sacramento eintrifft und die Mentor-Rolle für den damals 21-Jährigen übernimmt, soll Recht behalten. In seinem dritten Jahr in der NBA schafft der Scharfschütze seinen Durchbruch. Mit 20,4 Zählern pro Partie verdoppelt er fast seinen Schnitt im Vergleich zur Vorsaison, eine Dreierquote von 40 Prozent verschafft ihm Platz zwei im Voting zum Most Improved Player.
In den folgenden Jahren geht der Stern von Stojakovic weiter auf, gleichzeitig schicken die Kings sich an, die NBA zu erobern. Mit Chris Webber, dem Serben-Duo, Doug Christie, Jason Williams und ab 2001 Mike Bibby, zaubern die Kings die "Greatest Show on Court" aufs Parkett.
Der selbstlose, spektakuläre und schnelle Basketball trifft einen Nerv bei den Fans im Norden Kaliforniens, Stojakovic passt mit seiner Spielweise perfekt. Sein gefährlicher Distanzwurf verschafft den Big Men Webber und Divac einerseits Platz unter dem Korb, andererseits profitiert Peja von den Passing-Fähigkeiten des Duos.
Stojakovics Jumper: Hässlich aber effizient
Denn auch Off-Ball darf man den 2,08 Meter großen Forward nie aus den Augen lassen. Seine Backdoor-Cuts sind gefürchtet, Screens seiner Teamkollegen nutzt er exzellent, um sich in eine gute Position zu bringen und nach dem Pass direkt abzudrücken.
Sein Jumper ist zwar nicht aus dem Lehrbuch - oder um es mit Divac zu sagen: "hässlich" - doch Stojakovic trifft. Und wie. Über seine komplette Karriere versenkt er 40,1 Prozent seiner Dreier, zweimal gewinnt er den Three-Point-Contest.
Mit der Ankunft von Webber, Divac, Stojakovic und White Chocolate 1998 beginnt ein neues Zeitalter bei den Kings. "Ich glaube nicht, dass irgendeiner von uns dachte, dass wir so schnell so gut werden", gibt Stojakovic rückblickend bei News10 zu.
2001 schafft es das Team erstmals aus der ersten Playoff-Runde, nur um von den ShaKobe-Lakers mit 0-4 in der zweiten Runde nach Hause geschickt zu werden. Ein Jahr später sinnt dafür ganz Sacramento auf Rache.
Peja Stojakovic und ein verhängnisvoller Airball
In der Zwischenzeit hat Stojakovic sein Spiel auf ein weiteres Level gehoben. Im Sommer 2001 holt er mit Jugoslawien den Europameistertitel und den MVP-Award des Turniers, zurück in den USA reift er zum All-Star und die Kings holen 61 Siege - bis heute Franchise-Rekord.
Auch in den Playoffs scheint der Kings-Zug zu rollen: 3-1 gegen die Jazz in der ersten Runde, 4-1 gegen die Mavs in der zweiten Runde, in den Western Conference Finals warten wieder die Lakers. Nur: Stojakovic muss zusehen. Gegen Dallas verletzt sich der Forward am Knöchel, er verpasst nicht nur die letzten beiden Spiele gegen die Mavs, sondern auch die ersten vier der West-Finals.
Als er beim Stand von 2-2 in der Serie gegen den verhassten Rivalen aus der Stadt der Engel aufs Parkett zurückkehrt, ist Stojakovic weit entfernt von seinem eigentlichen Niveau. Dennoch will er unbedingt spielen.
Die Kings entscheiden Spiel 5 für sich, Spiel 6 geht wiederum an die Lakers. Nun haben Stojakovic und Co. in eigener Halle die Chance, erstmals seit der Existenz der Franchise in Sacramento, den Einzug in die Finals perfekt zu machen.
Die Partie geht hin und her, mal erspielen sich die Lakers einen marginalen Vorsprung, mal die Kings. Es bleibt jedoch bis zum Schluss enorm spannend. Gut 15 Sekunden vor Schluss liegen die Hausherren mit 1 Punkt hinten, als Hedo Türkoglu am linken Flügel den Ball bekommt. Mit einem schnellen Schritt geht er Richtung Korb und zieht die Hilfe der Lakers-Defense auf sich. Auf einmal steht Stojakovic in der linken Ecke vollkommen blank, er bekommt den Spalding serviert, drückt ab ... Airball!
Stojakovic nach Lakers-Pleite: "Mache mir selbst Vorwürfe"
Der Wurf des Serben ist viel zu lang und fällt direkt in die Hände von Shaquille O'Neal. Die Kings-Fans können es kaum fassen, ob des schier unfassbaren Fehlwurfs des sonst so sicheren Schützen. Zwar rettet sich Sac-Town noch in die Overtime, doch 25 Sekunden vor dem Ende vergibt Christie einen Dreier zur möglichen Führung kläglich. Kurz darauf feiern die Lakers den erneuten Einzug in die Finals.
Es passt zum katastrophalen Shooting-Auftritt der Kings, die gerade einmal 16 ihrer 30 Freiwürfe und 2 von 20 Triples treffen. Und Stojakovic? Der steht am Ende des Abends bei 8 Punkten bei 3/12 aus dem Feld und 0/6 von Downtown. Statt gefeierter Held ist er der Sündenbock.
"Manchmal mache ich mir selbst Vorwürfe", sagt Stojakovic später zu Grantland. "Viele Jungs denken über die Serie nach und fragen sich, was wir hätten besser machen können. Ich persönlich denke noch an diesen vergebenen Wurf. Vielleicht hätte das einen Unterschied gemacht."
Kings mit Stojakovic: Eins der besten Teams ohne Titel?
Vielleicht auch nicht, schließlich hätten die Lakers ohnehin noch zehn Sekunden für einen eigenen Angriff übrig gehabt. Nichtsdestotrotz verfolgt ihn die vergebene Chance, womöglich die Finals einzutüten, selbst im Heimaturlaub in Europa, wo ihm die Fans in Spiel 7 mitten in der Nacht eigentlich zujubeln wollten, nun aber bitter enttäuscht sind.
Stojakovic lässt sich aber nicht unterkriegen. Neues Selbstvertrauen holte er sich im Sommer mit dem Nationalteam, mit dem er auch bei der Weltmeisterschaft 2002 in Indianapolis die Goldmedaille gewinnt. Anschließend legen die Kings mit einer weiteren 59-Siege-Saison nach, scheitern aber in der zweiten Runde an den Mavs.
Höher hinaus geht es auch in den folgenden Jahren mit den Kings nicht mehr. Das Team geht als eines der besten in die Historie ein, das nie einen Titel gewinnen konnte. Und das, obwohl die individuell besten Jahre von Stojakovic noch folgen sollen.
Peja Stojakovic fordert Trade von den Kings
Zu Beginn der Saison 2003/04 fällt Webber aufgrund einer schweren Knieverletzung lange Zeit aus - Stojakovic springt in die Bresche. Mit 24,2 Punkten und 6,3 Rebounds legt er Karrierebestwerte auf, dazu kommt eine Dreierquote von 43,3 Prozent. Das beschert ihm Platz vier im MVP-Voting und eine Nominierung ins All-NBA Second Team.
In den Playoffs kann er dieses Niveau jedoch nicht halten, es folgt das erneute Aus in der zweiten Runde. Anschließend geht Webber mit seinem eigenen Team hart ins Gericht, viele fassen dies als Kritik an Stojakovic auf. So offenbar auch der Serbe, der im Sommer öffentlich einen Trade fordert.
Einerseits angeblich aufgrund des angekratzten Verhältnisses mit Webber, andererseits ist er wohl sauer, dass Sacramento Divac zu den Lakers ziehen ließ. Statt Stojakovic muss im Laufe der folgenden Saison jedoch Webber seine Sachen packen. Nun ist der Forward der unumstrittene Go-to-Guy, er plagt sich aber selbst mit Verletzungen herum. Dieses Mal ist in den Playoffs bereits nach der ersten Runde Schluss.
Nur wenige Monate später gilt das gleiche für die Kings-Karriere von Stojakovic. Für den Forward geht es per Trade zu den Indiana Pacers, im Sommer 2006 unterschreibt er schließlich in New Orleans. Dort spielt er als weiterhin hochklassiger Shooter eine starke Rolle in der erfolgreichsten Phase in der jungen Franchise-Geschichte.
Die Karrierestatistiken von Peja Stojakovic
Team | Saisons | G / MIN | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
Kings | 8 | 518 / 34,2 | 18,3 | 5,0 | 2,0 | 46,1 | 39,8 |
Hornets | 5 | 219 / 33,2 | 14,3 | 4,0 | 1,3 | 41,8 | 40,4 |
Pacers | 1 | 40 / 36,4 | 19,55 | 6,3 | 1,7 | 46,1 | 40,4 |
Mavs | 1 | 25 / 20,2 | 8,6 | 2,6 | 0,9 | 42,9 | 40,0 |
Raptors | 1 | 2 / 11,0 | 10,0 | 1,5 | 0,5 | 70,0 | 66,7 |
Peja Stojakovic: Späte Rache an den Lakers
An der Seite von Chris Paul, David West und Tyson Chandler holt er mit den Hornets 2007/08 56 Siege (Franchise-Rekord) und stellt einen NBA-Rekord auf als einziger Spieler, der in einer Partie die ersten 20 Punkte für sein Team erzielt. Doch Playoff-Erfolg bleibt Stojakovic weiter verwehrt. Vorerst zumindest. Im November 2010 ist das Kapital NOLA nach einem Trade zu den Raptors beendet, nach nur zwei Einsätzen wird er entlassen.
Glück für Stojakovic und Glück für die Mavericks. Dallas sichert sich die Dienste des damals 33-Jährigen für den Saisonendspurt, der dankt es in den Playoffs mit seinem unvergessenen Auftritt in Spiel 4 der zweiten Runde gegen die Lakers. Mit 6 Triples (bei 6 Versuchen) und 21 Punkten versenkt er den alten Rivalen aus Kings-Zeiten und verhilft den Mavs zum Sweep. Zwar spielt er in den Finals keine große Rolle mehr, doch der Ring ist ihm sicher.
Wenige Monate später verkündet Stojakovic sein Karriereende, nach mehreren Investments in verschiedene Unternehmen ist er mittlerweile wieder zurück bei den Kings: als Assistant GM von Divac. Nachdem Stojakovic gemeinsam mit Divac, Dirk Nowitzki und anderen den Weg für nachfolgende Basketball-Generationen aus Europa ebnete und sich in die Geschichtsbücher der NBA ballerte, soll das Duo die Kings nach 14 Jahren Playoff-Abstinenz nun wieder in eine goldene Ära führen. So wie zu Beginn des Jahrhunderts schon einmal.