Casey Smith arbeitet seit 2004 für die Dallas Mavericks und ist dort mittlerweile als Director of Player Health & Performance tätig. SPOX sprach mit Smith über seinen Trash-Talk mit Dirk Nowitzki und die Erfahrungen an der Seite des deutschen Superstars.
Dieses Interview erschien ursprünglich im Juni 2020.
Außerdem erzählte Smith, der seit etlichen Jahren auch für Team USA arbeitet, welcher Dream-Team-Spieler ihn besonders beeindruckte, welche Indikatoren für die Gesundheit eines Spielers besonders wichtig sind und warum man sich über das Gewicht von Luka Doncic keine allzu großen Sorgen machen sollte.
Mr. Smith, wir hatten uns verabredet, um vor allem über die Karriere von Dirk Nowitzki zu sprechen. Nun sind in den letzten Wochen ziemlich viele Dinge passiert. Wie ist die Lage bei Ihnen in Dallas?
Casey Smith: Uns geht es gut. Hier wird immer noch jeden Tag protestiert, teilweise mehrfach am Tag, aber es läuft überwiegend friedlich ab. Vorvergangenes Wochenende war es etwas heikel, aber es scheint sich jetzt etwas beruhigt zu haben. Ich denke, wir müssen abwarten. Das war in letzter Zeit wirklich nicht einfach hier.
Einige Spieler der Mavericks haben sich an den Protesten beteiligt. Wie stehen die Mavs dazu?
Smith: Die Organisation ermutigt die Spieler, ihren eigenen Dialog zu führen. Sie versucht nicht, die Spieler in irgendeine Richtung zu lenken, sie sollen ihre Stimme so nutzen und sich so einsetzen, wie sie es für richtig halten. Es gibt da überhaupt keine Beschränkungen seitens der Franchise.
Während in etlichen Städten in den USA demonstriert wird, hat die NBA in den vergangenen Tagen ihr Konzept für den Restart vorgestellt. Kann man sich momentan überhaupt damit auseinandersetzen?
Smith: Das ist die Herausforderung. Wir haben jetzt die Daten, aber Basketball steht momentan definitiv nicht an erster Stelle der Prioritäten. Es ist angesichts der Lage schwer, Pläne aufzustellen, aber das müssen wir jetzt hinbekommen. Das sagen wir auch den Spielern: Wir halten momentan nur freiwillige Workouts ab. Wenn ihr vorbeikommen wollt und nicht trainieren, sondern nur reden wollt, ist das auch völlig in Ordnung. Es kann momentan nicht nur um Basketball gehen.
nbata.comNun soll es in knapp zwei Monaten in Disney World losgehen. Ist das genug Zeit, um die Spieler nach der langen Pause fitzubekommen?
Smith: Jeder in meiner Position würde dazu sagen: Je mehr Zeit, desto besser. Wir würden auch gerne mehr Zeit in Anspruch nehmen. Zwei Monate sind jedoch plausibel. Die wichtigste Frage lautet, das war ja auch beim Fußball so, wann wir wieder das Mannschaftstraining aufnehmen können. Individuelle Einheiten sind wichtig, aber wir wissen, dass die Spieler vor allem diese größeren Trainings brauchen, um wieder in Game Shape zu kommen. Mit dem nun kolportierten Zeitrahmen sollte das aber möglich sein.
In welchem Zustand sind die Spieler momentan?
Smith: Wir konnten erst vor kurzem die Halle öffnen. Wir haben jetzt die meisten von unseren Spielern zumindest mal sehen können, aber es gibt auch immer noch vier Spieler, die gar nicht in der Stadt sind. Das wird sich jetzt nach und nach ändern. Aber wir haben im Großen und Ganzen schon einen guten Eindruck. Alle haben über die letzten Wochen gespürt, dass es bald wieder losgehen könnte, deswegen ging auch das Aktivitätsniveau bei den meisten langsam wieder hoch. Bis es so weit ist, werden wir alle wieder in einem guten Zustand haben.
Gerade in Bezug auf Luka Doncic wird seit Jahren recht viel spekuliert, weil viele denken, dass er ein bisschen zu schwer ist. Sie haben zu diesem Thema den wohl besten Eindruck: Ist er zu schwer?
Smith: Viele dieser Leute wären überrascht, wenn sie neben ihm stehen würden. Luka ist ein großer Junge. Er wird nie ein schmaler Spieler sein wie Stephen Curry. Luka hat schwere Muskeln und schwere Knochen. Es gibt in der NBA so viele eher schmale Spieler, dass jemand mit einem anderen Körpertypus umso mehr auffällt. Aber das muss überhaupt nichts Schlechtes sein. LeBron James sieht auch anders aus als andere NBA-Spieler, weil er viel trainiert, aber weil er auch anders gebaut ist. Kristaps Porzingis wiederum wird nie ein klassischer Brecher sein. Auch das ist aber in Ordnung. Es gibt verschieden Körpertypen und Luka zeigt ja bereits, dass er sich gut in der Liga zurechtfindet.
Dann lassen Sie uns ein wenig über Dirk sprechen. Läuft der Trash-Talk mit ihm eigentlich auch nach der Karriere noch weiter?
Smith: (lacht) Jeder, der Dirk kennt, wird wissen, dass das nie endet. Wann immer man mit ihm spricht, gibt es Trash-Talk. Er will immer noch ständig alle davon zu überzeugen, wie großartig er ist.
Vor zwei Jahren gratulierten Sie ihm via Twitter zum Geburtstag mit einem Bild, auf dem er die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete ...
Smith: Er ist eben alt. Sein Geburtstag steht nun ja auch wieder kurz bevor (Nowitzki wird am 19. Juni 42, d. Red.). Die Planungen laufen schon an. Wir machen uns aber auch gerne über seine Zeit beim Militär lustig. Er hatte ja sein eines Jahr Wehrdienst und erzählt oft: Ich bin ein Veteran, ihr müsst mich respektieren! Wir müssen ihn daran erinnern, dass er am Wochenende Basketball gespielt hat und nicht etwa in der Wüste stationiert war. Dazu erinnern wir ihn oft daran, dass er nicht an der Universität war. Es ist gut, dass es für dich mit Basketball geklappt hat, und so weiter. (lacht)
Nowitzki war aber stets in der Lage zu kontern?
Smith: Meistens hat Dirk sogar angefangen und wir mussten uns überlegen, was zurückkommt.
Sie kamen im Jahr 2004 nach Dallas. Damals war Dirk bereits Franchise Player des Teams. Wie lief Ihr erstes Treffen?
Smith: Wir hatten gerade das gesamte medizinische Team ausgetauscht. Ich fing im Juli an, betreute die Summer League und so weiter, und Dirk kam erst Ende August oder Anfang September zurück. Damals machten sich alle Sorgen um seine Gesundheit, insbesondere seine Knöchel und seine Knie, weil er in den vorigen Jahren ein paar Probleme gehabt hatte. Deswegen drängten mich alle, mit ihm zu arbeiten. Es half mir, dass ich Dirk vorher schon ein bisschen kannte. Ich war mit Steve Nash befreundet und hatte zuvor ja für die Phoenix Suns gearbeitet. Nash war zwar zu dem Zeitpunkt kein Suns-Spieler, aber er verbrachte den Sommer in Arizona und trainierte im Sommer mit uns, weil seine Eltern dort lebten. Steve hat mir dann auch mit Dirk und generell in Dallas geholfen.
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Eindruck von Dirk?
Smith: Zunächst erlebte ich ihn ja als einen unserer Konkurrenten in der Western Conference. Er sprach nicht viel, als er jung war, wirkte eher schüchtern, und wir dachten immer: Wir können uns nicht von diesem stillen Typen fertigmachen lassen! Als ich mit ihm arbeitete und seine Mentalität kennenlernte, wurde es ein anderer Eindruck. Bei jedem Spieler, egal wie talentiert er ist, wächst mein Respekt ungemein, wenn ich seine Einstellung zur Arbeit sehe. Das kann ein Hall-of-Famer wie Dirk Nowitzki sein, aber auch jemand wie J.J. Barea, der sich vor allem dadurch eine lange professionelle Karriere ermöglicht hat. Bei unserem aktuellen Team zähle ich auch Dwight Powell oder Maxi Kleber dazu, Jungs, die einfach kompromisslos dafür arbeiten, ihren Traum zu verwirklichen.
Welcher Moment ließ Sie realisieren, dass Nowitzki eine spezielle Arbeitseinstellung hatte?
Smith: Das war im ersten Training Camp. Das ist normalerweise sehr schwer, nach dem Spiel wollen die Spieler nur noch stretchen, aber Dirk wollte immer nach dem Training noch weitermachen, eine Stunde oder länger. Manchmal im Kraftraum, manchmal auch in Zusammenarbeit mit Holger (Geschwindner, d. Red.) oder anderen Coaches. Es hat ihm einfach nie gereicht.
gettyWenn Sie einen Spieler zum ersten Mal sehen, wie schätzen Sie dessen physischen Zustand ein?
Smith: Mein erster Blick gilt der bisherigen Krankheitsakte. Frühere Verletzungen sind der zuverlässigste Indikator dafür, ob und welche Verletzungen ein Spieler in seiner weiteren Karriere haben wird. Es geht auch darum, herauszufinden, wie sich diese Verletzungen ereignet haben. Und dann ist es so, dass wir ja lange zusammenarbeiten und deswegen jeden Tag ein paar Sachen ausprobieren. Spieler sollen nicht denken, dass sie in einem Labor sind, daher gibt es nicht einfach sechs Stunden durchgängig Tests, sondern ich sehe mir sie über einen längeren Zeitraum aus unterschiedlichen Perspektiven an. Das ist auch wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Wenn die Spieler mich kennen und ich sie kenne, bekomme ich ein kompletteres Bild als durch einen Tag voller Tests.
Lässt sich denn wirklich einigermaßen zuverlässig vorhersagen, wie lange ein Spieler beispielsweise auf hohem Niveau spielen kann, wenn er so und so viel trainiert und auf sich achtet?
Smith: Es gibt biomechanische und anatomische Indikatoren, die einen Einfluss auf Verletzungen haben. Gegen manche davon kann man gezielt trainieren, gegen andere nicht, eine Fehlstellung der Hüfte etwa bekommt man nicht durch Übungen weg. Aber es ist keine perfekte Wissenschaft. Wir haben Spieler mit tollen Knien gesehen, die sich trotzdem verletzt haben, und es gibt auch Spieler mit komischer Mechanik, die ewig spielen. Also sind nur gewisse Vorhersagen möglich.
In der jüngeren Vergangenheit war Stephen Curry ein Spieler, bei dem man nach den ersten paar Jahren dachte, die Knöchel würden niemals halten, dann fand er auf einmal eine Möglichkeit, sich zu stabilisieren.
Smith: Bei Dirk war es durchaus ähnlich. Als ich hier anfing, hieß es auch immer nur, er hat miese Knöchel. Er hat keine miesen Knöchel. Er hatte Dinge, an denen er arbeiten musste, aber das haben wir getan und deshalb waren die Knöchel für ihn ab einem gewissen Punkt keine Problemzone mehr. Als ich ihn kennenlernte, identifizierten wir seine Hüfte und sein unteres Abdomen als Bereiche, in denen er stärker werden musste, um stabiler zu werden. Dadurch nahmen wir Stress von seinen Knöcheln und er hat das bis zum Ende seiner Karriere durchgezogen.
Sie hatten Holger Geschwindner schon kurz angesprochen. Dirks Mentor hat sich mit teils sehr eigenen Methoden um sein Spiel und seine Gesundheit gekümmert. Wie sah Ihr Austausch mit Geschwindner über die Jahre aus?
Smith: Holger und ich hatten von Anfang an in vielen Dingen die gleiche Ansicht, was die Biomechanik und solche Dinge angeht. Holger ist manchmal etwas forsch in seiner Kommunikation, da kommt der verrückte Professor raus, aber seine Methoden haben mich schon immer überzeugt. Sie hatten offensichtlich auch einen sehr positiven Einfluss auf Dirk. Aber ich fand ihn überhaupt nicht verrückt, mir hat der Austausch immer gut gefallen. Ich habe viel von ihm gelernt und ich hoffe, das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sein Ruf kommt oft einfach daher, dass er Physiker ist und die Dinge aus einer anderen Perspektive sieht. Das ist aber sehr wertvoll. Wir haben einiges davon in unsere Arbeit mit aufgenommen und auch Dirk hat einige Übungen an andere Spieler weitergegeben.
Abgesehen von Ihrer Arbeit für die Mavs sind Sie auch schon lange für Team USA tätig, unter anderem waren Sie bei Olympia 2008 dabei. An was erinnern Sie sich besonders?
Smith: Team USA steckte in der Krise. 2002 und 2006 wurde die WM nicht gewonnen, 2004 gab es auch bei Olympia eine Enttäuschung. Deswegen sollte es 2008 wieder anders laufen. Zu den großartigen jungen Spielern wie LeBron oder Carmelo Anthony kamen die Elder Statesmen wie Kobe Bryant und Jason Kidd dazu. Es war unglaublich zu sehen, wie sich die Intensität und die Aufopferungsbereitschaft gewandelt hat, als diese Spieler dazu stießen und sich diese Aufgabe setzten, Gold zu holen. Jeder denkt ja automatisch, dass die USA so talentiert sind, aber als Teil davon konnte ich sehen, wie viel Arbeit hinter dieser Medaille steckte. Es war eben kein Selbstläufer.
Das Team war gespickt mit Superstars. Gab es einen Spieler, der Sie besonders beeindruckt hat?
Smith: Mit den jüngeren Spielern wie LeBron oder Dwyane Wade hatte ich 2006 bereits bei der WM in Japan zusammengearbeitet, 2007 stießen Kidd und Kobe dazu. Für mich war es tatsächlich Kidd, der am meisten Eindruck hinterließ. Was für ein Gefühl er für das Spiel hatte! Er spielte mit so vielen tollen Spielern zusammen und wusste ganz genau, wie er jeden von ihnen noch ein Stückchen besser machen konnte. LeBron ist unglaublich, und er ist sogar noch unglaublicher, wenn Kidd neben ihm spielt. Wir hatten Spiele, in denen Jason kaum einen Wurf nahm und trotzdem das ganze Geschehen kontrollierte. Das war ein Maestro für ein Orchester - und es war das talentierteste Orchester.
Waren die US-Superstars in ihrer Herangehensweise vergleichbar mit Dirk?
Smith: Ja, sehr. Auch Kobe und LeBron beispielsweise haben ständig nach neuen Trainingsmethoden gefragt und wollten wissen, was andere Spieler taten. Kobe und LeBron haben auch ständig nach Dirk gefragt, wie er bestimmte Dinge anging, und sie sprachen miteinander. Jemand wie LeBron, wie Kobe, wie Kidd, wie Dirk hat nicht diese lange Karriere, wenn er nicht diese Hingabe zeigt für seinen Körper, sein Spiel und seine Gesundheit. Und sie waren sich darin alle sehr ähnlich. Dirk wiederum wollte alles über Kobe wissen, wie er morgens trainierte, und so weiter. Auch Kevin Durant war für ihn ein Spieler, der ihn mit seiner Kombination aus Länge und Guard-Skills faszinierte. Wir sprachen auch oft über Russell Westbrook, der diese unglaubliche Intensität an den Tag legte und dabei ein ganz anderer Spieler war. Dirk sagte immer: "Ich könnte niemals so spielen." Aber er hat ihm äußerst gerne zugesehen.
Kommen wir zurück zu den Mavs. Am Ende Ihres zweiten Jahres in Dallas erreichte das Team zum ersten Mal die Finals. An was erinnern Sie sich in Bezug auf die 06er Saison?
Smith: Leider vor allem an die Finals und an eine sehr angespannte Situation, nachdem zwei Spiele verloren gingen. Die Streitereien mit den Schiedsrichtern, die Auseinandersetzungen mit den Medien - das war einfach verkrampft, viel mehr als sonst in den Playoffs. Die Postseason ist immer wichtig und mit Druck verbunden, aber im Normalfall konzentriert man sich auf den Team-Spirit; doch damals überwog die Anspannung.
Dallas führte damals mit 2-0, verlor dann aber die Fassung und die Serie gegen Miami mit 2-4. Denken Sie, dass auch Nowitzki damals noch ein bisschen die Cleverness fehlte, die er später hatte?
Smith: Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, es hätte auch anders laufen können. Aber grundsätzlich glaube ich, dass die allermeisten großen Athleten irgendwo auf ihrem Weg scheitern müssen. Sie haben ja sicher auch "The Last Dance" gesehen. Es gibt häufig dieses Scheitern, bevor jemand das Maximum erreichen kann. Bei Michael Jordan waren es die Bad Boy Pistons, bei LeBron, Stephen Curry und Co. gab es aber ebenfalls solche Fälle. Das macht einen ganz Großen aus, an so einer Enttäuschung zu wachsen. Ich glaube, dass Dirk ohne diese Niederlage 2006 nicht zu diesem Spieler geworden wäre, so komisch das auch klingt.
Ein Jahr später folgte trotz des MVP-Awards eine noch größere Enttäuschung, als die Mavs in der ersten Runde gegen Golden State rausflogen.
Smith: Auch das war eine schwere Zeit. Alle stellten in Frage, warum wir auf eine bestimmte Weise gespielt haben, was basketballerisch entschieden wurde - es war chaotisch. Alle haben alles in Frage gestellt. Davon musste man sich erstmal erholen.
In den Jahren darauf folgten weitere Enttäuschungen und Dallas verabschiedete sich vorerst aus dem Kreis der Titel-Favoriten. Haben Sie im Lauf dieser Jahre eine Veränderung bei Dirk festgestellt?
Smith: Er ist vor allem widerstandsfähiger geworden. Er hatte diese Enttäuschungen erlebt und darunter gelitten, aber er hat auch gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen und die Ruhe zu bewahren. Man konnte es in den Finals 2011 ja sehen, als er am Ende von Spielen unglaublich war. Er hat sich nicht mehr um Schiedsrichter geschert oder andere Dinge, die er nicht kontrollieren konnte, sondern nur noch auf sich selbst.
gettyEin wichtiger Faktor 2011 war auch Tyson Chandler, der vor der Saison per Trade aus Charlotte geholt wurde. Stimmt es, dass der Wechsel damals dank Ihnen zustande kam?
Smith: Sozusagen. Wir waren damals mit Team USA in Istanbul. An dem Tag war eigentlich Pause, das heißt es gab nur morgens ein paar Stretch-Einheiten und dann hatten wir frei. Ich lag am Pool und ließ es mir gut gehen, als Mark Cuban mich anrief. Das macht er normalerweise nie. Wir schreiben viel, aber der Anruf hat mich überrascht. Ich ging also ran und er sagte, wir haben eine Chance auf Tyson. Er hatte einen Medizincheck bei einem anderen Team nicht bestanden und Mark wollte wissen, was ich davon halte. Ich sagte: "Die Probleme, die er hat, können wir verbessern." Außerdem sagte ich, dass er uns gut tun könnte. Da lag ich dann mal richtig! Das passiert auch nicht immer.
Chandler hatte in Dallas prompt eins seiner besten Jahre. Wie kann es denn angehen, dass so jemand durch den Medizincheck fällt?
Smith: Ich kann nicht beurteilen, warum es passiert ist, jedes Team hat andere Gewichtungen. Er hatte in den Jahren vorher viele Probleme, aber er kam mit der richtigen Einstellung zu uns und hat sich helfen lassen. Ich habe ihn aber nicht gesund gemacht, das kam schon von ihm selbst. Ich muss dazu sagen: Bei jedem Check hat man auch die Vertragslaufzeit im Hinterkopf. Ein Team, das einen Spieler für fünf Jahre verpflichten will, geht mit einer anderen Gewichtung an diesen Check als eins, bei dem es um nur die nächste Saison geht.
Auch während den Finals waren Sie dann gefragt, als Nowitzki seine Version des "Flu Games" hatte. Wie lief dieses Spiel damals aus Ihrer Perspektive ab?
Smith: Er hatte sich vorher schon nicht gut gefühlt. Es war ja eine Sinus-Infektion und die baut sich normalerweise über mehrere Tage auf. Wir hatten am Abend noch gesprochen und am Morgen des Spiels rief er mich an, weil es ihm noch schlechter ging. Wir haben ihn dann untersuchen lassen, er war ja auch nicht beim Shootaround, aber wir entschieden, erstmal kein Statement abzugeben. Er sagte: "Ich werde spielen. Es spielt keine Rolle. Wir müssen nicht darüber reden, dass ich krank bin, wenn ich spiele. Das würde nur Sinn ergeben, wenn ich nicht spiele." Deswegen haben wir uns daran gehalten. Als das Spiel dann los ging, konnte man natürlich eindeutig sehen, dass er sich nicht gut fühlte. Cuban war fuchsteufelswild und fragte, was denn hier los sei. Ich sagte ihm, dass Dirk hohes Fieber hatte und sich schon den ganzen Tag schrecklich fühlte. Da wurde er ganz kleinlaut und sagte nur: "Oh, okay." Aber das war einfach Dirk, er wollte unbedingt spielen. Das hätte er wohl nur dann nicht getan, wenn er keine Flüssigkeiten hätte bei sich behalten können.
"The Last Dance" hat noch einmal erklärt, dass es sich bei Jordan um eine Lebensmittelvergiftung handelte. Wäre Dirks Version dann nicht das bessere Flu Game?
Smith: (lacht) Eigentlich haben wir hier das gleiche Problem. "Sinus Infection Game" klingt ja ähnlich sperrig wie "Food Poisoning Game." Ich akzeptiere "Flu Game" für beide Spiele, obwohl beiden keine Grippe zugrunde lag.
Wenig später gewannen die Mavs dann ihren bisher einzigen Titel. Hat sich Dirk dadurch Ihrer Meinung nach verwandelt?
Smith: Jeder große Athlet wird am Ende an seinen Erfolgen gemessen, gerade im Basketball. Denken Sie an Karl Malone, Charles Barkley, Steve Nash - das sind alles großartige Spieler, die alle darin übereinstimmen, dass in ihrer Karriere nur die Meisterschaft fehlt. Ich denke, wenn das ausbleibt, dann fehlt in gewisser Weise die letzte Bestätigung. Das ist der Unterschied von Sport zu Kunst oder Musik. Wir können großartige Kunst um ihrer Selbst willen wertschätzen. Aber Sport ist ein Wettbewerb. Deswegen geht es am Ende immer darum, wer gewonnen und wer verloren hat. Das liegt in der Natur der Sache - ob es nun fair ist, weiß ich nicht, aber es ist unser Bezugsrahmen.
Nowitzki spielte danach noch bis 2019 weiter, hatte eine enorm lange Karriere. Dabei hatte er gerade nach 2004 nur wenige Verletzungen. Nach Ihrer Einschätzung: Wie viel davon ist Glück und wie groß ist der Anteil der erwähnten Arbeitseinstellung?
Smith: Ich glaube, die Arbeitseinstellung hat einen großen Einfluss auf das Glück. Er hat über die Jahre sehr gut darauf geachtet, sich gut zu ernähren, die richtigen Behandlungen zu machen, richtig zu schlafen ... das sind sehr wichtige begünstigende Faktoren, auch wenn sie nicht vor einer plötzlichen Unfall-Verletzung retten. Die meisten großartigen Spieler sind großartige Schläfer. Ein regelmäßiger Schlafrhythmus ist für die Gesundheit sehr wichtig.
Lässt sich gerade letzter Punkt auch jungen Spielern gut vermitteln?
Smith: Man kann es ihnen sagen, wie viele Vorteile regelmäßiger Schlaf hat. Aber junge Spieler bleiben natürlich junge Spieler. Und die meisten von uns müssen das einfach über die Jahre selbst lernen. Das ist daher immer ein interessanter Tanz mit den jungen Spielern, wenn es um den Schlaf geht. Aber viele sind auch empfänglich für unsere Tipps.
Welche sind das konkret?
Smith: Sie sollen alle Bildschirme rund eine Stunde bevor sie schlafen gehen abstellen. Oder, wenn das nicht geht, zumindest das Handy auf Nachtmodus schalten. Außerdem raten wir ihnen, den Raum etwas runterzukühlen, die Vorhänge zu schließen und etwas zu tun, um ein wenig abzuschalten, beispielsweise ein Buch lesen, meditieren oder Musik hören. Gerade der Punkt mit den Bildschirmen ist allerdings schwierig umsetzbar bei der jüngeren Generation.
Sie arbeiten nun seit 2000 mit NBA-Spielern. Sind jüngere Spieler heute etwas rezeptiver für solche Ratschläge oder ist das immer gleich geblieben?
Smith: Ich glaube, es wird erkannt, dass es zunehmend wichtig ist, Methoden zu erlernen, um den Fokus zu behalten. Vor allem Social Media sorgt dafür, dass die Spieler quasi rund um die Uhr berieselt werden können, das ist aber in dieser Form nicht gesund. Deswegen ist es umso wichtiger zu lernen, wie man den Bullshit rausfiltern kann. Das merken viele Spieler von sich aus, gerade jetzt, wo über die letzten Jahre auch vermehrt über mentale Gesundheit gesprochen wird. Aber dafür stehen wir ihnen auch weiterhin zur Verfügung.