NBA Above the Break: Das Jahr, um All-In zu gehen? Warum das Titelrennen offener ist als sonst

Ole Frerks
25. März 202108:06
Kann Kyle Lowry nach einem möglichen Trade den Unterschied im Titelrennen machen?getty
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Am Donnerstag um 20 Uhr deutscher Zeit heißt es "rien ne va plus" in der NBA. Bisher ist wenig passiert, trotzdem könnte die Trade Deadline in diesem Jahr eine besonders wichtige Rolle einnehmen. Es müssen nur die richtigen Teams aktiv werden ...

Trade Deadlines sind über die Jahre zu einem eigenständigen Phänomen, fast schon zu einer Wissenschaft geworden. Je mehr sich die Berichterstattung ins Internet verlagert hat und je mehr das Drumherum teilweise wichtiger wurde als das Spiel selbst, desto mehr Gerüchte wurden in den hysterischen Tagen vor jeder Deadline durch den Äther getrieben.

Jedes Jahr ist es eine Herausforderung, herauszufiltern, was echt ist und was nicht. Zumeist kommen 95 Prozent der kolportierten Deals nie zustande, im Spiel sind schließlich immer auch gezielte Falschinformationen. Häufig verläuft das Ganze ruhig, und dann gibt es auf einmal doch eine Deadline wie 2015, als auf den letzten Drücker 37 Spieler in elf Trades das Team wechselten.

"Real trades move in silence like lasagna", um den langjährigen ESPN-Reporter J.A. Adande zu zitieren - im Vorfeld ist daher selten absehbar, welche Art von Deadline es geben wird, und das ist auch in diesem Jahr der Fall. Involvierte Namen gibt es zuhauf, interessierte Teams ebenfalls, passiert ist bisher nicht viel. Dass echte Superstars das Team wechseln, gilt als sehr unwahrscheinlich.

Dennoch könnte die Deadline für einige wenige Teams in diesem Jahr tatsächlich den Unterschied zwischen Pre- und legitimen Contender machen - denn das Titelrennen wirkt zumindest potenziell wesentlich offener als in vielen Jahren zuvor. Covid, der komprimierte Spielplan, ein nur bedingt existenter Heimvorteil und die schon jetzt bestehenden Ausfälle machen es möglich.

Warum die Nets und Lakers verwundbar sind

In beiden Conferences gibt es zwar einen Topfavoriten: die Lakers im Westen, die Nets im Osten. Doch beide wirken nicht so unverwundbar wie etwa die Warriors im Jahr 2017. Beim Meister sind aktuell die beiden besten Spieler verletzt, Brooklyn dominiert zwar, die Defense ist aber immer noch anfällig und die drei Stars standen bisher kaum gemeinsam auf dem Court.

Bei LeBron James hat man sich über die Jahr(zehnt)e daran gewöhnt, dass er Verletzungen einfach abschüttelt und schnell ohne Einbußen zurückkehrt, nur ist er mittlerweile eben 36 Jahre alt. Anthony Davis ist zwar jünger, aber wesentlich fragiler - dass er mit Achillessehnenproblemen nun schon so lange ausfällt, lässt zumindest die Tür für Spekulationen offen.

Durant und Davis: Vorsicht ist geboten

Das Gleiche gilt bei Kevin Durant auf Seiten der Nets, der erst vor dieser Spielzeit von einem Achillessehnenriss zurückgekehrt ist und seither noch nicht mehr als sechs Spiele am Stück absolviert hat (insgesamt 19). Bei allen drei Stars ist oberste Vorsicht geboten, weshalb ihre Teams gut damit beraten sind, konservativ mit ihnen umzugehen.

Die Fitness zum Playoff-Start ist wichtiger als das Seeding, gerade bei so Star-lastigen und erfahrenen Teams wie den Lakers und Brooklyn. Wenn die Gesundheit garantiert ist, sind beide Teams die Big Dogs in ihrer Conference. Aber wenn nicht? Wenn KD nicht in der Lage ist, in den Playoffs 40 Minuten pro Spiel einer der Defensiv-Anker zu sein (um Brooklyns historische Offense sorgt sich niemand), wenn Davis oder LeBron in der Postseason nicht bei 100 Prozent sind?

Dann wird das Fenster für andere Teams noch etwas weiter aufgestoßen.

Was geht auf dem Buyout-Markt?

Es gibt einige Contender, die de facto schon All-in sind. Die Bucks etwa lösten vorige Woche ihren wohl letzten Chip ein, um P.J. Tucker zu holen. Die Clippers sind zwar dem Vernehmen nach an etlichen Spielern interessiert, haben mittlerweile aber noch weniger anzubieten als ihre Stadtrivalen, da in vorigen Star-Trades schon etliche Draft-Picks veräußert wurden.

Die Lakers erwägen nun zwar angeblich Trades ihrer Veteranen, aber insbesondere Dennis Schröder und Kentavious Caldwell-Pope erfüllen Rollen, die für die Titelverteidigung eigentlich zu wichtig sind. Schröders auslaufender Vertrag könnte ein Argument für einen Trade sein, wenn L.A. ihn nun doch nicht langfristig behalten will, aber es müsste im Gegenzug schon ein dynamischer Playmaker zurückkommen. Es ist nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich, dass sich so ein Deal finden lässt.

Diese Teams werden daher allem Anschein nach für einen überfüllten Buyout-Markt sorgen und dort auf Verstärkungen hoffen. Echte Impact-Player wechseln auf diesem Weg aber selten das Team. Die Hochkaräter in diesem Jahr dürften vermutlich Andre Drummond, LaMarcus Aldridge und J.J. Redick sein und bei allen drei steht in Frage, ob sie einem Titelanwärter wirklich noch großartig helfen.

Das wäre bei einigen Trade-Kandidaten anders. Kyle Lowry ist hier an erster Stelle zu nennen, dessen Status als potenzielles Zünglein an der Waage war hier schon vor Saisonstart Thema. Auch Norman Powell, Harrison Barnes, Lonzo Ball oder Aaron Gordon hätten das Zeug dazu, in der richtigen Situation einen Unterschied im Titelrennen zu machen. Sollte Indiana Malcolm Brogdon zur Debatte stellen, würde er auf der imaginären Liste ebenfalls ziemlich weit nach oben wandern.

Wie viel riskieren die Sixers und Heat?

Drei Teams sind besonders interessant, weil sie durchaus noch über die Assets verfügen, um einen größeren Trade zu stemmen und damit Boden auf Brooklyn und L.A. gutmachen könnten. An erster Stelle sind hier die Sixers zu nennen, die derzeit auch ohne MVP-Kandidat Joel Embiid den Osten anführen und womöglich nur einen Pick'n'Roll-fähigen Guard (Lowry!) davon entfernt sind, hinsichtlich des Finals-Potenzials auf eine Stufe mit den Nets zu kommen.

Im Werben um Lowry und um die Krone im Osten befinden sich auch die Heat, die an einem interessanten Punkt stehen. Miami hat in der Bubble selbst erlebt, wie schnell man den Schritt von einem guten zu einem echten Top-Team machen kann. Der kurz vor der Deadline akquirierte Jae Crowder spielte dabei eine signifikante Rolle.

Steht Tyler Herro bei den Heat zur Debatte?getty

Nun ist Crowder in Phoenix und die Heat sind gut, aber derzeit kein Titelkandidat - also stellt sich die Frage, ob sie das durch einen All-In-Move verändern können. Und ob sie dazu bereit sind, das junge Tafelsilber in Person von Tyler Herro oder Precious Achiuwa zu verscherbeln, um kurzfristig das Titelfenster des 31-jährigen Jimmy Butler zu maximieren.

Dem Vernehmen nach haben die Heat diese Entscheidung selbst noch nicht getroffen, aber wie gesagt: Was nach außen kommuniziert wird, ist nicht zwingend zutreffend.

Findet Denver seinen Wing?

Das dritte Team in dieser Runde ist Denver. Bisher konnten die Nuggets in dieser Saison nicht an die überragenden Playoffs anknüpfen und haben eher einen Schritt zurück gemacht, was vor allem an der Defense und dem Verlust von Jerami Grant liegt. So wie Nikola Jokic derzeit auftritt, ist der Weg aber nicht weit, um einen Sprung zu machen - und auch die Nuggets verfügen über die nötigen Assets.

Bei Denver ist es vor allem der Flügel, der Sorge macht, hier fehlt es ohne Grant an Defensivstärke, Länge und Athletik. Gordon, Barnes oder auch der in Golden State wohl auf dem Abstellgleis stehende Kelly Oubre Jr. könnten potenziell Abhilfe schaffen, ohne dass Denver dafür den Nukleus aus Jokic, Jamal Murray oder Michael Porter Jr. aufbrechen müsste.

Es gibt dahinter noch einige Teams aus der zweiten Reihe, darunter die Mavericks, Trail Blazers oder Celtics, die aktiv werden könnten und sollten. Insbesondere Boston ist derzeit aber so weit weg, dass ein Move eher zukunftsgewandt sein müsste. Für Philly, Miami oder Denver hingegen besteht konkret in diesem Jahr eine Chance, einen magischen Run hinzulegen.

Kommt ein neuer Rasheed Wallace?

Es ist im Laufe der Geschichte eher selten passiert, dass ein Midseason-Trade das Titelrennen entscheidend geprägt hat. Das Paradebeispiel ist Rasheed Wallaces Trade zu den Pistons im Jahr 2004, Crowder hatte wie erwähnt 2020 einen gewissen Einfluss, 2019 fügte sich Marc Gasol in kurzer Zeit perfekt bei den Raptors ein. Sowas ist insgesamt aber eher Ausnahme denn Regel.

Doch das muss gerade in dieser Saison keine Rolle spielen. Diese Spielzeit ist unvorhersehbar wie selten - und sie kann Chancen für Teams bieten, die üblicherweise eher in der hinteren Reihe stehen. Die Tür ist offen, jetzt müssen diese Teams nur hindurchschreiten, bevor sie wieder zufällt.