NBA - 5 Fragen zu den Dallas Mavericks: Der vielleicht wichtigste Sommer der Mavs-Historie

Ole Frerks
08. Juni 202108:55
Luka Doncic und Kristaps Porzingis müssen ihr Zusammenspiel noch optimieren.getty
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Die Dallas Mavericks haben sich trotz mehrmaliger Führung erneut in der ersten Playoff-Runde verabschiedet. Warum reichte es nicht zum Weiterkommen und wie kann das Team es schaffen, einen Contender rund um Luka Doncic zusammenzustellen? Die wichtigsten Fragen.

Warum konnte Dallas die Serie nicht zum Ende bringen?

Zwei Auswärtssiegen in L.A. ließen die Mavs in Spiel 3 eine 19-Punkte-Führung im ersten Viertel folgen - die Party im American Airlines Center war da schon in vollem Gange. Die Clippers schlugen jedoch zurück, glichen die Serie aus. Auch nach dem nächsten Auswärtserfolg und einer 3:2-Führung reichte es nicht, stattdessen gewannen die Clippers in Spiel 7 das erste und einzige Heimspiel dieser Serie.

Am Ende erwiesen sich die Worte von Clippers-Coach Tyronn Lue, für die dieser nach Spiel 2 noch ausgelacht wurde, als nahezu prophetisch: Dallas solle nun erstmal beweisen, dass das überragende Shooting der ersten beiden Spiele (17/36 in Spiel 1, 18/34 in Spiel 2) über eine ganze Serie haltbar sein könne. Tatsächlich kamen insbesondere die Rollenspieler vermehrt auf dem Boden der Tatsachen an, über die Serie waren es am Ende immer noch gute 38,8 Prozent aus der Distanz, aber keine astronomischen Quoten mehr.

Die Clippers hatten daran einen gewissen Anteil. Auf Luka Doncic hatten sie zwar keine richtig gute Antwort, sie schafften es aber mit zunehmendem Serienverlauf immer besser, dessen Supporting Cast kaltzustellen. Eine völlig absurde Usage-Rate von 40,7 Prozent über die Serie zeigt deutlich: Doncic musste zu viel machen. Und er hätte es beinahe geschafft.

Mit einigen wenigen Ausnahmen gewannen die Mavs die Minuten mit Doncic fast immer, brachen jedoch vollständig ein, sobald der Slowene auf die Bank ging. Es zeigte sich mit der Zeit dabei immer mehr, dass die Clippers mehr Spielraum für Adjustierungen hatten, der tiefere Kader prägte das taktische Duell (auf hohem Niveau) zwischen Lue und Mavs-Coach Rick Carlisle.

Lue stellte ab Spiel 3 auf Small-Ball um, wodurch die Serie kippte. Carlisle zog seinen Joker Boban Marjanovic und versuchte es mit Länge sowie Zonenverteidigung, das reichte immerhin für einen Sieg. Dass L.A. jedoch am Ende der Serie noch einen Luke Kennard oder den in Spiel 7 beeindruckenden Terance Mann als Game-Changer bringen konnte, war ein gravierender Unterschied. Sein Gegenüber hatte diese Optionen nicht und musste stattdessen weiter auf formschwache Akteure setzen.

Doncic und Kawhi Leonard begegneten sich auf Augenhöhe, das Duell der beiden Superstars war für den neutralen Zuschauer ein Genuss. Der Supporting Cast der Clippers war jedoch eine Klasse besser. Paul George startete schwach in die Serie, war ab Spiel 2 aber ein legitimer zweiter Star - so jemanden hatte Dallas nicht, auch wenn Tim Hardaway Jr. es versuchte, den Job von Kristaps Porzingis zu übernehmen.

Und auch bei den Rollenspielern gab es mit Jalen Brunson, Maxi Kleber oder Josh Richardson zu viele, die nah am Prädikat "Totalausfall" waren. Die Clippers waren am Ende das deutlich besser ausbalancierte Team und über die letzten fünf Spiele dominant, nachdem sie Ivica Zubac und Patrick Beverley fast komplett aus der Rotation strichen.

Mavericks vs. Clippers: Die Serie im Überblick

SpielHeimAuswärtsErgebnis
1ClippersMavericks103:113
2ClippersMavericks121:127
3MavericksClippers108:118
4MavericksClippers81:106
5ClippersMavericks100:105
6MavericksClippers97:104
7ClippersMavericks126:111

Wie ist die Saison der Mavs zu bewerten?

Unterm Strich steht für die Mavs ein Playoff-Sieg mehr zu Buche als in der Vorsaison, es ist jedoch dabei geblieben, dass Dallas seit dem Titelgewinn 2011 keine Serie mehr gewonnen hat. Auch wenn dabei einige unkontrollierbare Faktoren eine Rolle gespielt haben und man nun gegen einen legitimen Titelkandidaten verloren hat, ist das letztendlich enttäuschend.

Dallas will mit Doncic Meister werden, eher früher als später. Die Ambitionen sind da, diesem Anspruch konnten die Mavs in der Saison aber nicht gerecht werden, auch wenn sich Dallas nach dem Horrostart (8-13) berappelte und vor allem offensiv zu den besten Teams der Liga gehörte. Wie ein echter Contender sahen sie zu keinem Zeitpunkt aus.

Insbesondere das Front Office muss sich dafür an die eigene Nase fassen. Die Transaktionen der vergangenen Jahre brachten schlichtweg nicht den erhofften Erfolg, die vergangene Offseason kann dabei sogar als kleines Desaster gewertet werden. Es war bezeichnend, dass der große Preis des vergangenen Sommers Richardson gegen die Clippers ein Schattendasein fristete.

Richardson kam für Seth Curry und sollte die Mavs defensiv besser machen. Das gelang ihm nicht oft, und offensiv schwächte er sein Team eher. Auch die weiteren Deals fruchteten nicht, selbst wenn sie auf dem Papier oft sinnvoll erschienen. James Johnson wurde während der Saison weiterverschifft, seine "Nachfolger" Nicolo Melli und J.J. Redick spielten in der Postseason wenig oder gar nicht. Gleiches galt für die Rookies Josh Green und Tyrell Terry.

Blicken Mavs-Fans in einigen Jahren auf diese Spielzeit zurück, werden sie sich mit Wohlwollen an die unglaublichen Leistungen von Doncic gegen L.A. erinnern. Vielleicht überwiegt aber auch das Gefühl, dass die Organisation und das Team selbst mehrere Chancen verpasst haben, den nächsten Schritt zu gehen. Das hängt wohl auch davon ab, wie es nun weitergeht.

Was fehlt den Mavericks zum Contender?

Es gibt einen Indikator, den historisch nahezu alle Meister-Teams gemeinsam haben: Top-10-Werte sowohl offensiv als auch defensiv. Die Nets sind gerade zwar dabei, mit der vielleicht besten Offensive aller Zeiten und mittelmäßiger Defense gegen diesen Trend zu gehen, dieses Team ist allerdings die Definition eines Ausnahmefalls. An ihnen können sich die Mavs schwerlich messen.

Die Top-10-Werte also - Dallas schaffte dies offensiv zum zweiten Mal nacheinander, auch wenn die Mavs diesmal nicht die beste Offense der Liga ihr Eigen nannten wie vergangenes Jahr (Platz 9). Defensiv hingegen reichte es nur für Platz 20, obwohl man sich hier durch Richardson einen viel größeren Schritt nach vorne erhofft hatte.

Dallas hat einige individuell starke Verteidiger, vor allem Dorian Finney-Smith und Kleber sind hier zu nennen, auch wenn letzterer gegen Leonard keine gute Serie spielte. Sie sind aber eher Ausnahme denn Regel und die Anmerkung von George, dass Dallas keinen Ringbeschützer hat, traf durchaus einen wunden Punkt.

Porzingis ist dies zwar nominell, aber nach seinen diversen Verletzungen übt er defensiv bei weitem nicht mehr den Einschüchterungsfaktor früherer Tage aus. Oft wird er stattdessen sogar ziemlich bereitwillig attackiert, sowohl nach Switches als auch im Post kann er seinem Einhorn-Ruf oft nicht gerecht werden. Als wichtigster Verteidiger ist er nicht dazu in der Lage, eine Defense zu verankern.

Die Mavs haben zudem gewisse System-Limitierungen, die das Duell mit den Clippers gut offenlegte. Sie haben nicht das Personal dazu, um quasi ohne Einbußen zu switchen, ihre Center sind teilweise sehr an eine bestimmte Spielweise gebunden. Marjanovic etwa kann defensiv lediglich in einer Zonenverteidigung genutzt werden, die gegen starke Shooting-Teams wie L.A. aber auch nicht lange funktioniert. Auch Porzingis ist nicht mobil genug, um auf dem Flügel regelmäßig zu bestehen.

KP ist dabei nicht das einzige Problem, mit Hardaway, Brunson und beizeiten auch Doncic (auch wenn sich dieser gesteigert hat) sind mehrere der wichtigsten Offensiv-Akteure defensiv eingeschränkt. Porzingis spielt jedoch auf der wichtigsten Position in dieser Hinsicht. Und gewissermaßen lässt sich das auch über die Offense sagen.

Diese ist zwar wie erwähnt keine Schwachstelle, sondern eine Stärke, weil Dallas in Doncic einen der besten Shot-Creator der Liga sein Eigen nennt. Aber sie kann auch verdammt eindimensional daherkommen, da Porzingis auch hier die für ihn vorgesehene Position - die des zweiten Stars - nicht beständig ausfüllt.

Kann Porzingis der zweite Star eines Top-Teams sein?

Konzentriert man sich nur auf diese Serie, muss die Antwort ganz eindeutig "nein" lauten. Porzingis enttäuschte mit 13 Punkten im Schnitt und unter 30 Prozent von der Dreierlinie massiv, mehrere Spiele liefen an ihm vorbei, wenn er den Mavs nicht sogar aktiv schadete. Er hatte einige Erfolge als Baseline-Cutter, zeigte aber auch diese zu selten, um wirklich positiv ins Geschehen einzugreifen.

Das sah vergangenes Jahr noch anders aus, als KP über drei Spiele brandheiß von Downtown war und den Clippers durchaus wehtat, bevor er sich verletzte. Was wiederum ein Dauerthema ist und deshalb in die Beantwortung mit einfließen muss: Porzingis verpasst regelmäßig Spiele und ist nicht so belastbar, wie man es von einem Max-Contract-Spieler erwarten würde. Wozu noch die spielerischen Defizite kommen.

Porzingis ist ein Spieler, der fast komplett von anderen abhängig ist, da er sich nicht durch eigenes Ballhandling Würfe erarbeiten kann. Er muss gefüttert werden und kreiert seinerseits nicht wirklich Würfe für andere. Er ist kein guter Post-Spieler, auch nicht gegen kleinere Gegenspieler, weil es ihm an Kraft fehlt. Seine größte Waffe ist der Wurf von draußen, weshalb er mit 2,21 Meter Körperlänge einen Großteil des Spiels über an der Dreierlinie geparkt wird.

Das alles hat seinen Wert, und wenn KP von draußen heiß läuft, wirkt die Mavs-Offense bisweilen komplett unstoppable. Es ist aber nicht der Normalfall (Karriere: 36 Prozent Dreier). Und selbst wenn er noch etwas konstanter treffen würde: Das wäre die Beschreibung eines explosiven Spezialisten, keines Star-Spielers. Was ihm auch bewusst ist, ESPN zufolge ist Porzingis schon länger frustriert von seiner Rolle als Nebendarsteller.

George hat bei den Clippers in dieser Serie gezeigt, wie so ein zweiter Star aussehen kann: Er ist nicht der primäre Creator oder permanent der Fokus der Offense, aber er kann diese punktuell übernehmen und die Nummer eins immer wieder entlasten. George hatte großen Anteil daran, dass die Clippers die Minuten ohne Kawhi in dieser Serie mit +17 für sich entschieden.

Die Mavs wiederum absolvierten 281 Minuten mit Doncic (+7) und nur 55 ohne ihn - diese wurden mit -43 verloren. Hinzu kamen die Crunchtime-Minuten, in denen dem Slowenen oft die Puste ausging, weil über das gesamte Spiel jeder Wurf von ihm kreiert werden musste. Es ist schlichtweg nicht gesund, so stark von einem Spieler abhängig zu sein, egal, wie gut dieser ist.

Dallas braucht, und das hat diese Serie eindrucksvoll gezeigt, einen Spieler, der Würfe kreieren kann, wenn Doncic zu stark unter Druck gesetzt wird. Und dieser Star muss auch dazu in der Lage sein, die Offense mal einige Minuten am Leben zu halten, wenn Doncic sitzt. Porzingis hat bisher nicht gezeigt, dass er so jemand sein kann.

Kristaps Porzingis: Seine Statistiken in Dallas

SpielePunkteFG%3FG%Rebounds
19/20 - Regular Season5720,442,735,29,5
19/20 - Playoffs323,752,552,98,7
20/21 - Regular Season4320,147,637,68,9
20/21 - Playoffs713,147,229,65,4

Welche Optionen haben die Mavs in der Offseason?

Die oberste Priorität der Mavs im Sommer sollte also sein, so einen Spielertypen an die Seite von Doncic zu stellen. Es ist möglich, dass Porzingis in dem Zuge getradet wird, allerdings sorgen noch ausstehende 100 Millionen Dollar dafür, dass es momentan keinen reizvollen Gegenwert für ihn geben dürfte. Sein Deal gilt als Albatross, also einer, für den man draufzahlen muss, um ihn loszuwerden. Ein realistischerer Weg, das Team zu verstärken, ist die Free Agency.

Hier hat Dallas mit Hardaway Jr. einen faszinierenden eigenen Free Agent. Der Swingman war gegen die Clippers der zweitbeste Maverick, ist mangels eigener Creation und Konstanz aber nicht die ideale Lösung neben Doncic. Dallas würde den THJ der letzten Saisonwochen sicherlich gerne halten, ob man ihn aber nach seinen Vorstellungen bezahlen möchte, steht auf einem anderen Blatt.

Zumal Hardaway Jr. der Weg zu Cap Space sein könnte. Verzichten die Mavs auf ihn, Richardson (Spieler-Option) und Willie Cauley-Stein, hätten sie über 35 Mio. Dollar zur Verfügung, beziehungsweise ein Maximal-Gehalt. Richardson müsste dafür allerdings mitspielen: Bis zum 1. August hat der Swingman Zeit, um zu entscheiden, ob er die Free Agency testet oder ein Gehalt von 11,6 Mio. Dollar für die kommende Saison mitnimmt.

Josh Richardson muss im Sommer eine wichtige Entscheidung treffen.getty

Hinsichtlich Trades sind die Mavs limitiert, weil sie 2021 keinen eigenen Draft-Pick haben und bis 2027 keinen Erstrundenpick mehr traden dürfen. Die Free Agency ist daher umso wichtiger, zumal Doncic eine vorzeitige Vertragsverlängerung über 200 Mio. Dollar unterschreiben wird und Dallas dann ab 2022 keinen großen finanziellen Spielraum mehr haben wird.

Es gilt also, diesen Sommer perfekt zu nutzen. Echte Superstars sind (abgesehen von Kawhi) zwar wohl nicht auf dem Markt, aber auch ein DeMar DeRozan könnte beispielsweise vieles von dem abdecken, was die Mavs neben Doncic unbedingt brauchen. Vielleicht schaffen die Mavs es auch, Porzingis' Stärken mehr zu nutzen, aber selbst dann bräuchte es eine Art Zwischenstück für die Offense (und mehr defensive Kompetenz).

Es steht vieles auf der Kippe, abgesehen natürlich von Doncic und Carlisle, der von Mark Cuban das Vertrauen ausgesprochen bekam. "Es besteht die Chance, dass es sehr viel Wandel geben wird", sagte der Head Coach nach Spiel 7. "Aber wir wissen es nicht." Das liegt nun beim Front Office.