Es ist leider nicht überliefert, was Don Nelson von dem Film "Blue Chips" hält. Oder ob er ihn jemals gesehen hat. Diese Wahrscheinlichkeit ist wohl eher gering, der 1994 erschienene Hollywood-Streifen erhielt von den Kritikern ein "Rotten-Tomatoes"-Score von mageren 37 Prozent, er spielte bei einem Budget von 35 Millionen Dollar nur 26 Mio. wieder ein.
Kurzum, man muss die Story um einen College-Coach, der auf dem steinigen Weg zum Erfolg vor der Entscheidung steht, nach den Regeln zu spielen oder diese zu brechen, nicht zwingend gesehen haben. Und doch könnte die reine Existenz dieses Projektes ein Lächeln auf das Gesicht des damaligen Warriors-Coaches Nelson gezaubert haben.
Denn als in den Jahren vor der Veröffentlichung die Dreharbeiten anstanden, hatte es ganz offensichtlich zwischen Shaquille O'Neal, damals Magic-Center bei Tag und Schauspieler bei Nacht, und Anfernee "Penny" Hardaway, College-Star aus Memphis und Sidekick im Film, gefunkt. Letzterer soll Shaq mit seinem Spiel so sehr beeindruckt haben, dass dieser die Magic-Verantwortlichen überzeugte, vor dem Draft 1993 doch nochmal einen genaueren Blick auf den Guard zu werfen.
Gesagt, getan und Hardaway haute nicht nur den Big Diesel, sondern auch das Front Office der Magic aus den Socken. So sehr, dass Orlando die Idee eines potenziellen Monster-Frontcourts mit Shaq und dem eigentlichen Nr.1-Pick Chris Webber verwarf - ganz zur Freude von Nelson. Die Warriors schnappten zu und fädelten am Draftabend einen Trade für Webber im Tausch gegen den eigenen Nr.3-Pick (Hardaway) plus drei weitere zukünftige Erstrundenpicks ein.
Für die Dubs sollte dieser Deal das letzte Puzzlestück auf dem Weg zum echten Contender sein. Zu diesem Zeitpunkt konnte jedoch keiner ahnen, dass stattdessen ein Jahr später das Chaos die Franchise regieren würde.
Golden State Warriors: Erfolg mit fettem Makel
Der Big Man, mit der Fab Five zur nationalen Berühmtheit und zum sicheren Top-Pick aufgestiegen, schloss sich einem Team an, das in der Bay Area jede Menge Optimismus versprühen ließ. Erst zwei Jahre zuvor fand mit dem Trade von Mitch Richmond die legendäre RunTMC-Ära ihr Ende, doch nun gesellte sich endlich ein vielversprechender Big Man zum jungen, talentierten Kern.
Es konnte eigentlich nur bergauf gehen. Golden State ließ sich nicht einmal von den Verletzungen von Tim Hardaway und Sarunas Marciulionis, die beide aufgrund von Knieproblemen jeweils die komplette Saison 1993/94 verpassten, aus der Bahn werfen.
Angeführt vom aufstrebenden Sophomore und erstmaligen All-Star Latrell Sprewell sowie von der mit dem Rookie of the Year-Award gekrönten Saison von Webber (17,5 Punkte, 9,1 Rebounds und 2,2 Blocks pro Spiel) ballerten sich die Dubs zu 50 Siegen bei 32 Niederlagen. Zwar war in der ersten Playoff-Runde per Sweep gegen die Suns Schluss, doch die Zukunft schien den jungen Kriegern zu gehören - wenn es nicht schon die komplette Saison über im Hintergrund gebrodelt hätte.
NBA: Die Karrierestatistiken von Chris Webber
Team | Saisons | G / MIN | Punkte | Rebounds | Assists | FG% |
Warriors | 2 | 85 / 30,2 | 16,1 | 8,5 | 3,4 | 55,0 |
Bullets/Wizards | 4 | 212 / 38,9 | 20,9 | 9,7 | 4,4 | 50,1 |
Kings | 7 | 377 / 38,8 | 23,5 | 10,6 | 4,8 | 47,3 |
Sixers | 3 | 114 / 36,3 | 17,9 | 9,3 | 3,4 | 42,1 |
Pistons | 1 | 43 / 29,7 | 11,3 | 6,7 | 3,0 | 48,9 |
Chris Webber vs. Don Nelson: Zwei Welten
Insbesondere in Person von Webber und Coach Nelson knallten zwei grundverschiedene Persönlichkeiten aufeinander, die offensichtlich nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Auf der einen Seite der harte Hund aus der alten Coaching-Schule von Red Auerbach, der seine Spieler gerne mal verbal in die Mangel nahm.
Auf der anderen Seite der mit 20 Jahren jüngste Spieler der Liga, ein NBA-Küken, aber gleichzeitig ein Mega-Star zu College-Zeiten. Webber gefiel es nicht, dass er sich als 2,06-Meter-Mann im Small-Ball von Nelson mit den Center-Kanten der Liga herumschlagen musste. Auf seiner Lieblingsposition Power Forward kam er kaum zum Einsatz.
Die unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich des Spielstils brachten Reibereien mit sich. "Er wollte Magic Johnson sein. Wir wollten, dass er mehr ist wie Karl Malone", erinnerte sich Gregg Popovich, damals Assistant Coach unter Nelson, Jahre später gegenüber ESPN.
An einem kalten Mittwochabend im Februar 1994 brachte eine einzige Aktion schließlich das Fass zum Überlaufen. Ein Behind-the-Back-Pass von Webber missglückte, der Ball landete in den Zuschauerrängen. Nelson war außer sich ob der laxen Spielweise seines Youngsters - und das ließ er ihn wissen.
Der Warriors-Coach nahm eine Auszeit, brüllte Webber noch auf dem Court zusammen, der direkt zurückblaffte. Der Big Man musste für den Rest der Partie auf die Bank. Berichten zufolge blieb es nicht bei dieser einen verbalen Konfrontation, doch mit seiner harten Gangart stieß der Meister seinen Schüler nur immer weiter von sich und auch der Franchise weg.