Die Zahlen sind alarmierend. Im Oktober, rund um den Start der neuen NBA-Saison, musste nur ein Aktiver in das sogenannte Gesundheitsprotokoll der Liga. Im November stieg die Zahl derer, die entweder selbst positiv auf das Coronavirus getestet wurden oder in engem Kontakt mit einer solchen Person standen, auf 15 an. Und im Dezember? Laut ESPN liegt die Zahl allein in diesem Monat bei 52.
In der laufenden Saison kamen insgesamt 483 Spieler zum Einsatz, mehr als zehn Prozent aller NBA-Spieler waren also bereits aufgrund von COVID-Implikationen außer Gefecht, dazu mehrere Head Coaches. Aktuell sind es noch 40 Spieler, die sich im "Health and Safety Protocol" befinden.
Es gab und gibt Ausbrüche bei den Bulls, Nets, Hornets, Lakers und Kings, auch die neue Omikron-Variante wurde bereits nachgewiesen. Als es in Person von Stanley Johnson einen aufgrund der zahlreichen Ausfälle erst nachträglich verpflichteten Spieler der Bulls ebenfalls erwischte, wurde die groteske Situation auf die Spitze getrieben. Teilweise stand den Teams der halbe Kader nicht zur Verfügung, gespielt wurde im Fall der Nets trotzdem. Zwei Partien der Bulls wurden bislang verschoben.
Die NBA hatte zu Saisonbeginn auf so etwas wie Normalität gehofft: volle Arenen, weniger Tests, nur lax durchgesetzte Maskenregeln. Dafür bekommen die Verantwortlichen nun die Quittung. Die Liga hat sich die Corona-Ausbrüche selbst zuzuschreiben, sie hat den fairen sportlichen Wettbewerb fahrlässig aufs Spiel gesetzt - und damit gefährdet die beste Basketballliga der Welt ihr eigenes Produkt und die Gesundheit ihrer Spieler.
Corona-Sorgen in der NBA: Es gab Warnungen
Besonders überraschend kommt diese Entwicklung eigentlich nicht, selbst nicht für die Verantwortlichen. Laut CNBC soll selbst Commissioner Adam Silver im Oktober auf einer Konferenz vorhergesagt haben, dass auf die Liga im Laufe der Saison steigende Corona-Zahlen zukommen werden.
Ähnliche Warnungen soll es auch von manchen Team-Verantwortlichen und Gesundheitsexperten gegeben haben. Wie ESPN berichtet, hätten vereinzelte Verantwortliche vor Saisonstart ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die vorhandenen Corona-Regeln nicht ausreichen würden, um Ausbrüche zu verhindern. Allerdings wären härtere Restriktionen wohl auf Widerstand der Spieler gestoßen, so der damalige Versuch einer Erklärung.
Doch vor allem der Verzicht auf tägliche Tests ist kritisch zu sehen, im Gegensatz zur Vorsaison wurden geimpfte Spieler davon befreit. Mittlerweile sind etwa 97 Prozent der NBA-Akteure geimpft, regelmäßige Tests hat es deshalb wohl kaum gegeben. Das wiederum erschwerte es in den vergangenen Wochen, Impf-Durchbrüche rechtzeitig zu erkennen. Wenig geholfen hat zudem, dass zahlreiche Spieler auf der Reservebank ihre Masken nur unter dem Kinn trugen.
Das Resultat ist bekannt und bringt auch gesundheitliche Risiken mit sich. Dass auch für Vorzeige-Athleten wie NBA-Stars nicht mit dem Coronavirus zu spaßen ist, zeigt das Beispiel Joel Embiid. Der 27-Jährige gab an, nach seiner COVID-Infektion Angst um sein Leben gehabt zu haben. Sixers-Coach Doc Rivers erklärte, mehrere seiner zuvor positiv getesteten Spieler würden noch viele Wochen später Nachwirkungen spüren.
Nun hat die Liga das Corona-Protokoll wieder verschärft, wie es in übereinstimmenden Medienberichten heißt. Rund um die Weihnachtsfeiertage soll vermehrt getestet werden - an jedem Spieltag muss jeder Aktive und der gesamte Staff getestet werden, abgesehen von geboosterten Personen oder Genesenen - und auch striktere Maskenregeln finden wieder den Einzug in die Kabinen, Reisebusse und Trainingseinrichtungen. Weitere Restriktionen könnten wohl noch folgen.
NBA: Corona-Sorgen setzen dem US-Sport zu
Die neuerlichen Corona-Sorgen hat die NBA im Übrigen nicht exklusiv. Auch in der NHL mussten bereits mehrere Spiele verlegt werden, in der NFL wuchs die COVID-List allein seit Montag um 125 Namen an. Die Cleveland Browns werden am Wochenende in einem ganz entscheidenden Spiel im Playoff-Rennen wohl Ersatz-Ersatz-Quarterback Nick Mullens ins kalte Wasser werfen müssen, der erst knapp drei Tage vor der Partie aus dem Practice Squad hochgezogen wurde.
Auch bei den Football-Kollegen mussten sich geimpfte Spieler ähnlich wie in der NBA nicht regelmäßig testen lassen. Eine allgemeine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes gibt es erst wieder seit Donnerstag. Auch bei den Skandalen um gefälschte Impfpässe oder Packers-Quarterback Aaron Rodgers, der sich wissentlich über Corona-Regeln der Liga hinwegsetzte, war kein allzu hartes Durchgreifen der NFL zu beobachten.
Innerhalb der Spielergewerkschaft kursiert derzeit die Idee, die NFL für eine Woche pausieren zu lassen, das lässt die Liga, die am Freitag die Verschiebung von drei Partien bekanntgab, aber nicht mit sich machen. Eine Unterbrechung der NBA-Saison erscheint ebenso unwahrscheinlich - auch deshalb, weil im durchgetakteten Spielplan keine Luft für Nachholspiele ist. In der Vorsaison wurde dafür noch Raum gewährt, indem vorerst nur die Spiele der ersten Saisonhälfte festgezurrt wurden und vor der zweiten Saisonhälfte Anpassungen vorgenommen werden konnten. 2021/22 hat sich die NBA gegen diese Vorsichtsmaßnahme entschieden.
NBA: Sportlicher Wettkampf wird ad absurdum geführt
Doch genau so ein radikaler Schritt, beispielsweise vor den Christmas Games die Liga für eine Woche herunterzufahren, scheint die einzige Möglichkeit, um den sportlichen Wettkampf nicht komplett ad absurdum zu führen.
Die zuletzt brandheißen Bulls haben mehrere Spiele mit ihrem B-Team verloren, bevor zwei ihrer Partien verschoben wurden. Brooklyn siegt nur deshalb weiter, weil es mit Kevin Durant ein absolutes Monster aufs Feld schicken kann, das viel im Alleingang regelt.
Doch manch anderes Aushängeschild der Liga fehlt. Drei ehemalige MVPs befinden sich derzeit im Gesundheitsprotokoll, Giannis Antetokounmpo, James Harden und Russell Westbrook. Am Christmas Day, dem wichtigsten Feiertag des NBA-Kalenders und bedeutender Geldtreiber für die Liga, droht der Nets-Lakers-Showdown zu einem Duell von B-Teams im nationalen Fernsehen zu verkümmern. Das kann Silver und Co. nicht gefallen.