NBA: LaMelo Ball macht Michael Jordan und die Hornets glücklich: Magic Johnson 2.0 und der ganz große Zirkus

Gianluca Fraccalvieri
02. Dezember 202110:00
LaMelo Ball macht Michael Jordan glücklich.getty
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LaMelo Ball hat den Charlotte Hornets neues Leben eingehaucht und sie mit seinen Leistungen auf das Radar der gesamten Liga gebracht. Damit macht der Superstar Hornets-Besitzer Michael Jordan endlich glücklich und erinnert an einen jungen Magic Johnson.

Wo auch immer LaMelo Ball als Kind unterwegs war, sein Basketball durfte nie fehlen. Bei Freunden, in der Schule, beim Einkaufen - sein treuer Begleiter war stets dabei. Er umdribbelte Straßenlaternen, ließ Mülleimer mit seinen Fakes alt aussehen und narrte Hydranten mit seinen Crossovern. Dabei hatte er immer ein strahlendes, ansteckendes Grinsen auf dem Gesicht.

In den kommenden Jahren wurde dieses Lächeln immer mehr Leuten ein Begriff. LaVar Ball verwandelte die Familie in eine Seifenoper, LaMelo musste Autogramme am Fließband schreiben, bevor er überhaupt einen Führerschein hatte. Er dominierte in der High School, spielte professionellen Basketball in Litauen und Australien, seine Anzahl an Kritikern wuchs jedoch so stetig wie seine Instagram-Follower.

Er versenkte Würfe mit Ankündigung von der Mittellinie, widersetzte sich seinem Trainer in Litauen ("Wenn er sauer ist, dann ist es so. Scheiß drauf"), zettelte eine Massenschlägerei an und wurde von den Medien gerne als verzogener Emporkömmling dargestellt. Abgehoben, arrogant oder selbstverliebt waren nur einige der Charakteristika, die dem Teenager angedichtet wurden.

Wo auch immer Ball war, war der Zirkus nicht weit entfernt. Dank seines mitteilungsbedürftigen Vaters war er der schillerndste Spieler im Draft 2020, viele Teams fürchteten jedoch, sich die Finger zu verbrennen. Fehlende Defensive, schlechte Athletik, komische Wurfbewegung - viele Experten hätten ihn am liebsten schon vor dem Draft zum nächsten Bust erklärt.

Die Hornets ließen sich davon aber nicht beirren. Nach Jahren der Bedeutungslosigkeit war für das Team von Michael Jordan ein neuer Zirkus in der Stadt genau das richtige. Und was für einen Zirkus sie da bekommen haben.

LaMelo Ball dominierte auf der Highschool.getty

LaMelo Ball: Erinnerungen an Magic Johnson

Schon nach wenigen Spielen war der gesamten Liga klar, dass dieser damals 19-jährige Junge irgendwie anders war. Seine Leichtigkeit, mit der er als Kind Straßenlaternen verschnascht hatte, nahm er einfach mit in die beste Basketballliga der Welt. Er spielte Pässe in Passwege, die es eigentlich gar nicht gab. Er fand freie Mitspieler, bevor diese wussten, dass sie überhaupt frei waren. Er spielte Trick- und Behind-the-Back-Pässe als hätte er Augen im Hinterkopf. Und das mit einer augenscheinlichen Leichtigkeit, die einem jungen Magic Johnson glich.

"Er ist furchtlos und hat dieses elitäre Gefühl für das Spiel. Er hat es einfach. Das kann ich ihm auch nicht beibringen", schwärmte sein Coach James Borrego. Ball selbst glaubt gar an eine höhere Bestimmung. "Wie kann ich wissen, wie ich solche Sachen mache, von denen ich noch nie gehört habe und die ich noch nie gesehen haben?", fragte er im Gespräch mit The Ringer. Sein Fazit: "Ich muss einfach gesegnet sein."

Und mit dieser Gabe macht Ball auch seine Mitspieler besser. Mit seiner Körpergröße von 2,01 Metern gehört er zu den größten Point Guards der Liga, was für sein Spiel elementar ist. Sobald er sich einen seiner 7,7 Rebounds pro Spiel schnappt, geht sein Kopf automatisch nach oben und während er den Ball schnell und bedingungslos nach vorne trägt, findet sein Blick über die Köpfe des Gegners hinweg in einem Sekundenbruchteil die beste Anspielstation. Je ausgefallener der folgende Pass dann ist, desto mehr scheint sich Ball daran zu erfreuen. Werden da Erinnerungen wach?

Falls nicht, wagen wir mal einen Blick auf die nackten Zahlen. Nach einer beeindruckenden Rookie-Saison mit der verdienten Auszeichnung als bester NBA-Neuling hat der erst 20-Jährige im Sommer noch mal einen gewaltigen Sprung gemacht. Über die ersten 20 Spiele legte Ball 398 Punkte, 156 Rebounds, 150 Assists, 39 Steals und 8 Blocks auf. Der einzige andere Spieler, dem diese Zahlen über die ersten 20 Saisonspiele gelangen? Magic Johnson - in seinem zweiten Jahr in der Association.

LaMelo Ball macht die Charlotte Hornets besser

Ball ist eine Allround-Waffe, die jede Nacht ein Triple-Double auflegen kann. An manchen Abenden macht er von allem ein bisschen, an anderen von einer Sache ganz viel - je nachdem, was sein Team von ihm braucht. Seine Karrierebestwerte liegen bei 36 Punkten - aufgestellt in einem irren Duell mit den Bucks, in dem erst Giannis Antetokounmpo in den Schlusssekunden zum Spielverderber wurde -, 17 Rebounds und 14 Assists. Außer vielleicht Russell Westbrook ist kein anderer Guard in der Lage, solche Zahlen aufzulegen.

Dank seines Tempos in der Transition und seines guten Auges haben die Hornets die zweithöchste Pace des Liga und erzielen die meisten Punkte (114,9 im Schnitt). Dabei ist Ball alleine durch seine Präsenz auf dem Feld ein ganz wichtiger Faktor. Er kann Dreier von überall treffen, hat einen gefährlichen Zug zum Korb und ist immer für ein Lob-Anspiel auf den anfliegenden Miles Bridges gut. Dadurch bindet er oft mehr als einen Gegenspieler, was dem technisch versierten Kader der Hornets zugute kommt.

Von den festen Rotationspielern - Kelly Oubre Jr. nur eingeschränkt - hat jeder das Auge für den besser positionierten Mitspieler und versteht es auch, einen klugen Pass im richtigen Moment zu spielen. Folglich spielt Charlotte als Team die drittmeisten Assists der Liga (26,5) und passt dabei auch noch richtig gut auf den Wilson auf (Platz 6 in der Liga bei den Turnover).

Allerdings sind die Hornets offensiv extrem abhängig von ihrem Superstar in the making. Mit Ball auf dem Feld haben sie ein überragendes Offensive-Rating von 113,7, ohne ihn fällt dieses auf 102,2, wobei die Defense dabei ziemlich gleich (schlecht) bleibt.

LaMelo Balls Statistiken 2021/22

SpielePunkteReboundsAssistsStealsTurnoverFeldwurfquoteDreierquote
2420,07,78,31,93,341,839,1

LaMelo Ball: Eine Art Free Safety

Die Defensive ist und bleibt auch der große Baustein von Ball und dem gesamten Team. Die Hornets gehören in Sachen Punkte in Fastbreaks und Punkte nach gegnerischen Turnovern zu den besten Teams der Liga, dafür brauchen sie aber eben Stops. Ball bringt gute körperliche Veranlagungen mit, er ist aber dennoch als unterdurchschnittlicher Verteidiger bekannt.

Selbiges gilt für Gordon Hayward und Terry Rozier, zudem ist die Center-Rotation (Mason Plumlee, P.J. Washington, Nick Richards) eine der schwächsten der Liga, weshalb wenig Help-Defense von den Bigs zu erwarten ist. Daraus resultiert das fünftschlechteste Defensive-Rating (111,7). Dies hat wiederum zur Folge, dass die Hornets den Gegner regelmäßig aus der Halle schießen müssen, wollen sie eine Chance auf den Sieg haben. Das kann wie zuletzt gesehen gelingen, wenn die Offensive aber nicht läuft, gehen Spiele dadurch reihenweise verloren. Auch das gab es bereits.

Allerdings gibt es Hoffnung. Die Hornets sind eines der jüngsten Teams der Liga (24,3 Jahre im Schnitt) und bei vielen solcher Teams entwickelt sich erst die Offensive, bevor die Defensive nachzieht. Das haben wir so zum Beispiel bei den Hawks vergangene Spielzeit erlebt.

Und auch Ball hat schon Fortschritte gemacht. Er liegt in Steals (1,9) und Deflections (3,1) in den Top 15 der Liga und wirkt oft wie eine Art Free Safety, wie man es aus der NFL kennt. In der Zonenverteidigung der Hornets kann er die Passwege des Gegners oft erahnen und mit seinen langen Armen dazwischen springen. "Er ist darin einer der besten der Liga", bestätigte auch Washington.

In der direkte Mannverteidigung ist Ball dagegen oft ungeduldig und will den Steal erzwingen, was zu leichten Punkten für den Gegner führen kann. Das wird sich mit mehr Erfahrung wohl zunehmend legen und auch mit mehr Masse dürfte er sich im direkten Duell leichter tun.

LaMelo Ball macht Michael Jordan glücklich

Neben seiner unnachahmlichen Spielweise ist es aber vor allem eines, was Ball den Hornets bringt: Hoffnung. Nach Jahren der Bedeutungslosigkeit sind die Hornets auf einmal ein Team, das man auf dem Zettel haben muss. Sie haben mit Siegen über die Warriors und Nets für Furore gesorgt, das höllisch laute Spectrum Center ist endlich wieder ausverkauft und der immer etwas zu motivierte Hornets-Kommentator Eric Collins schreit sich nicht mehr nur für ein paar einsame Hornets-Fans die Stimme heiser.

Egal ob im Partneroutfit mit seinem Lambo oder im Gespräch mit den Referees - Ball ist ein Highlight in dieser Liga und er genießt die Aufmerksamkeit. Genau wie MJ die Aufmerksamkeit auf seine Franchise genießt. "Ich weiß, dass Michael glücklich ist", wird GM Mitch Kupchak von nba.com zitiert. "Ich glaube, ihm gefällt die Richtung, die wir eingeschlagen haben."

Für seinen jungen Hoffnungsträger zog er die schönen Worte einer NBA-Legende heran. "Jerry West sagt über bestimmte Spieler, dass ein bisschen Goldstaub auf sie herab gerieselt ist", führte Kupchak aus. "Und ich glaube, auf LaMelo trifft das zu."

Wenn er so weiter spielt und der Teamerfolg stimmt (aktuell 13-11), könnte Ball der erste und einzige Hornets-Spieler seit Kemba Walker werden, der zum All-Star gekürt wird. Sein breites Grinsen würde das wohl nur noch verstärken.