NBA - 5 Fragen zum Playoff-Aus der Chicago Bulls: Das Zittern um Zach LaVine und ein klarer Trade-Kandidat

Robert Arndt
09. Mai 202211:43
Zach LaVine wird am 1. Juli Free Agent.getty
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Die Chicago Bulls erreichten nach fünf Jahren mal wieder die Playoffs, dort setzte es gegen den Champion aber eine klare Niederlage. Kann der Aufwärtstrend in den kommenden Jahren fortgesetzt werden? Diese Frage könnte im Sommer mit zwei Personalien beantwortet werden.

1. Wie ist die Saison der Bulls einzuschätzen?

Am Ende bestätigten sich viele Prognosen aus dem Sommer. Die Bulls erreichten die Playoffs, waren dann aber gegen den amtierenden Champion aus Milwaukee chancenlos. Der Prozess machte dennoch Mut und es lässt sich argumentieren, dass Chicago sich besser schlug, als es die meisten Experten nach einer umstrittenen Offseason gedacht hätten.

Als die Bulls zu Beginn der Saison vollzählig waren, grüßten sie zeitweise von der Spitze der Eastern Conference und überraschten mit einem aggressiven Stil. Lonzo Ball und Alex Caruso sorgten am Perimeter für Chaos, in der Offense funktionierte die Doppelspitze bestehend aus DeMar DeRozan und Zach LaVine prächtig. Fans der Bulls träumten von den Finals, bevor Chicago von einer Verletzungsserie gestoppt wurde.

Ball riss sich den Meniskus und machte letztlich nur 35 Partien, Alex Caruso absolvierte lediglich sechs mehr als sein Backcourt-Partner. Dazu kamen die Knieprobleme von LaVine, der in der zweiten Saisonhälfte sichtlich limitiert war. Patrick Williams, auf den man als 3-and-D-Forward große Stücke in Chicago hält, verletzte sich bereits im fünften Saisonspiel und kam erst im Endspurt wieder zurück.

Es ist umso höher einzuschätzen, dass die Bulls dennoch die Postseason souverän erreichten, auch wenn die Bilanz gegen die besten Teams der Liga katastrophal war. DeRozan, dessen Verpflichtung von vielen angezweifelt wurde, strafte seine Kritiker Lügen und spielte mit 32 Jahren die vermutlich beste Saison seiner Karriere. Wer hätte das ahnen können?

Dazu kamen weitere kleinere Überraschungen. Rookie und Hometown Hero Ayo Dosunmu machte in Abwesenheit von Ball sowie Caruso auf sich aufmerksam, Rollenspieler wie Javonte Green oder Derrick Jones Jr. passten perfekt zum Stil von Coach Billy Donovan und halfen mit, dass Chicago im Gesamtpaket eine tolle Saison spielte. So bitter das Aus gegen die Bucks auch war, nach fünf Jahren Dürre gab es für Bulls-Fans endlich mal wieder guten Basketball im United Center zu sehen.

Bucks vs. Bulls: Die Serie im Überblick

SpielDatumHeimAuswärtsErgebnis
118. AprilMilwaukee BucksChicago Bulls93:86
221. AprilMilwaukee BucksChicago Bulls110:114
323. AprilChicago BullsMilwaukee Bucks81:111
424. AprilChicago BullsMilwaukee Bucks95:119
528. AprilMilwaukee BucksChicago Bulls116:100

2. Wäre ohne Verletzungen mehr drin gewesen?

An dieser Stelle muss man festhalten, dass zwar fast alle Teams mit Verletzungssorgen zu kämpfen hatten, die Bulls hatten aber über die komplette Spielzeit fast nie ihren kompletten Kader zur Verfügung. Das soll nicht heißen, dass Chicago in den Playoffs die Bucks geschlagen hätte, womöglich hätten die Bulls aber eine bessere Ausgangsposition gehabt.

Der Heimvorteil schien in der ersten Saisonhälfte realistisch und Chicago spielte in dieser Phase auch seinen besten Basketball. Gleichzeitig gewannen die Bulls auch in Bestbesetzung kaum ein Spiel gegen ein Top-Team aus dem Osten, der Comeback-Sieg in Boston im November stellt in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar.

Mit ein wenig Glück in Sachen Seeding wäre so für die Bulls die zweite Runde möglich gewesen, für mehr fehlt dann aber doch die Qualität. So gut Chicago in Bestbesetzung in der Defense war, so limitiert war Chicago im Angriff. Bei aller Brillanz von LaVine und DeRozan fehlten den Bulls echte Shooter abseits der Stars. Nur vier Spieler nahmen überhaupt durchschnittlich mehr als vier Dreier pro Spiel (Ball, LaVine, Coby White, Vucevic), gleich fünf Rotationsspieler versenkten ihre Triples unter Liga-Durchschnitt.

DeMar DeRozan und Zach LaVine sind die Stars der Chicago Bulls.getty

Das ist ein Manko, welches sich in einzelnen Spielen ausgleichen lässt, über eine Serie ist dies aber ein Makel, welchen Gegner für sich zu nutzen wissen, wenn man über sieben Spiele sich auf einen Kontrahenten einstellen kann. Teams wie Boston oder Milwaukee zeigen zwar, dass man auch mit kaltem Shooting Erfolg haben kann, sie sind in Sachen Verteidigung aber noch einmal eine Kaste höher als die Bulls einzuschätzen.

In dieser Hinsicht bewahrheiteten sich auch die Prognosen aus dem Sommer, dass die Bulls zwar gute Spieler in ihren Reihen haben, aber zu wenige davon Plusspieler an beiden Seiten des Feldes sind. So hatte dieses Team zwar eine sehr solide Basis, aber nicht das Potenzial für höhere Sphären wie andere.

3. Verlässt LaVine die Bulls als Free Agent?

Eine Sache sollte klar sein: Die Bulls werden LaVine am 1. Juli einen Maximalvertrag vorlegen. Aller Voraussicht werden dies 210 Millionen Dollar über fünf Jahre (andere Teams können nur 4 Jahre und 160 bieten), wenn der Guard nicht doch überraschend für eines der drei All-NBA-Teams ausgewählt wird. Aus Sicht der Bulls wäre das kein gutes Szenario, da dies bedeuten würde, dass LaVine sogar für 245 Millionen berechtigt wäre.

Nach dem Playoff-Aus machte es LaVine mehr als deutlich, dass er nicht weniger als die maximale Summe nehmen würde. "Du wirst dafür bezahlt, wie hoch dein Wert ist und ich sehe mich als einen der besten Spieler der Liga. Das habe ich in den vergangenen vier Jahren bewiesen." Der All-Star fügte zudem an, dass er auf jeden Fall Meetings mit anderen Teams haben werde.

Seit knapp einem Jahr wird LaVine nun von Klutch-Gründer Rich Paul vertreten, auch auf Rat von Warriors-Star Draymond Green. Ganz bestätigen konnte LaVine seine Durchbruch-Saison aus dem Vorjahr zwar nicht, seine Effizienz ist leicht rückgängig, dazu hält er seit der Ankunft von DeRozan den Ball seltener in der Hand.

Diese Dynamik ist ohnehin interessant, war DeRozan doch die große Story der Saison. Auch die Fans überschütteten den Forward mit MVP-Sprechchören, in der Crunchtime ist es meist er, der die wichtigen Würfe nimmt. LaVine fristete beinahe ein Schattendasein und plagte sich in der zweiten Saisonhälfte mit Knieproblemen herum. Das ist durchaus besorgniserregend, schließlich riss sich der Guard bereits vor einigen Jahren das Kreuzband und fiel fast eine komplette Saison aus.

Aus Bulls-Sicht ist es dennoch ein "No-Brainer", LaVine das Maximum zu bieten. Mit 27 Jahren ist LaVine noch vergleichsweise jung, um ihn mit einem Fünfjahresvertrag auszustatten. Im Prinzip wäre das die komplette Prime, wenn die Knieprobleme nicht länger anhalten.

Und auch LaVine deutete zumindest an, dass er zu einer Rückkehr in die Windy City tendiert. "Ich werde mir alles anhören, aber meine fünf Jahre hier waren toll." Es ist auch nicht so, dass die Alternativen besser wären. Kaum ein Team besitzt Cap Space, dazu werden die Bulls wieder um die Playoffs spielen. Das ist nicht zu unterschätzen, schließlich musste LaVine satte 478 Partien der Regular Season warten, bevor er erstmals einen (kleinen) Geschmack von der Postseason bekam.

4. In welchen Bereichen müssen die Bulls sich verbessern?

Sollte LaVine bei den Bulls bleiben, will die Franchise ihren Kern halten. "Ich hoffe auf Konstanz, weil die besten Teams schon länger beisammen sind", sagte GM Arturas Karnisovas bei seiner Abschluss-PK und verwies dabei auf Konkurrenten wie Milwaukee, Boston oder Miami, die alle vor den Bulls ins Ziel kamen.

Innerhalb eines Jahres haben die Bulls sich eine Identität verschafft, nachdem der Litauer in der Vorsaison nach einer weiteren schwachen Saison ankündigte, dass es "Mittelmaß" unter ihm nicht geben werde. Nun beenden die Bulls die Spielzeit knapp über Mittelmaß, die Gründe dafür haben wir bereits benannt.

Luft nach oben ist also noch, vor allem, wenn der Kader endlich mal über einen längeren Zeitraum komplett bleibt. Außer LaVine wird nur ein Rotationsspieler Free Agent - Forward Jones Jr. Und selbst mit einer LaVine-Extension hätten die Bulls noch einen gewissen finanziellen Spielraum, namentlich die Midlevel-Exception, mit welcher sie 2021 Caruso nach Chicago lockten. Dafür würde dem Team ein weiterer Forward gut zu Gesicht stehen, während auf der anderen Seite Coby White (ist qualifiziert für eine Verlängerung) im vollen Backcourt ein Trade-Kandidat ist.

Ein anderer Anwärter für eine Verlängerung ist Nikola Vucevic, der 22/23 noch 22 Millionen bekommt, bevor er Free Agent wird. Vier Jahre und 118 Millionen könnte der Montenegriner für eine vorzeitige Verlängerung bekommen, vermutlich werden die Bulls das dem 31-Jährigen nicht anbieten. Vielmehr ist auch der Center ein möglicher Trade-Kandidat, da er nur bedingt zum Team passt.

In der Theorie ist Vooch ein guter Dreierschütze, nur nahm der Big prozentuell so wenige Versuche wie seit vier Jahren nicht mehr und versenkte auch nur kühle 31,8 Prozent. Dazu ist er defensiv ein Schwachpunkt und es bleibt weiter fraglich, warum die Bulls für ihn Wendell Carter Jr. sowie zwei Picks (einer wurde Franz Wagner) nach Orlando schickten.

Sollten die Bulls also Pläne haben, einen dritten "Star" an Land zu ziehen, wäre ein Paket aus Vucevic, White und Williams der beste Weg dahin. Die Bulls halten zudem in diesem Draft ihren eigenen Pick und könnten so einen Deal versüßen. Die Folge wäre, dass diese Mannschaft dann sehr "top-heavy" wäre, aber dies ist nun einmal der Preis für eine potenzielle Big Three.

Die Free Agents der Chicago Bulls

Spieler (Alter)PositionGehalt 21/22Anmerkung
Zach LaVine (27)Guard19,5 Mio.-
Derrick Jones Jr. (25)Forward9,5 Mio.-
Troy Brown Jr. (22)Guard3,6 Mio.RFA
Tony Bradley (24)Center1,9 Mio.Spieler-Option
Matt Thomas (27)Guard1,7 Mio.-
Tristan Thompson (31)Center1,0 Mio.-

5. Können die Bulls in Zukunft ein Contender sein?

So positiv diese Saison auch war, das Fenster für einen möglichen Titel-Run in den kommenden Jahren erscheint sehr klein. An dieser Stelle reicht alleine der Blick auf die Konkurrenz, die Top 4 scheinen in dieser Hinsicht mit kleineren Fragezeichen hinter Philadelphia (James Harden?!) recht konstant. Dazu kommen weitere aufstrebende Mannschaften wie Toronto und vor allem Brooklyn.

Sie alle haben mehr Upside als die Bulls, die insbesondere auf einen Sprung von Williams hoffen oder wie bereits angesprochen einen weiteren Trade einfädeln müssen. Auch hier richtet sich der Blick auf Vucevic. Es ist einfach schwer, einen Contender rund um einen schwerfälligen Big Man aufzubauen. In Denver kennt man diese Problematik und die haben in Nikola Jokic einen Big Man, der um Klassen besser als Vucevic ist.

Würde man, rein hypothetisch gesprochen, Vucevic in irgendeiner Form mit Rudy Gobert tauschen können, sähe die Welt womöglich schon ein wenig anders aus. Die Vucevic-Entscheidung in Sachen Verlängerung im Sommer (oder eben nicht) dürfte ein erster Indikator dafür sein, inwieweit Vucevic auch ein Teil der Zukunft ist.

Die andere Frage ist dagegen, wie lange DeRozan noch auf diesem Level performen kann? Kritiker werden erneut auf seinen Abfall in den Playoffs hinweisen (nur 41 Prozent FG), gleichzeitig hatten die Bucks in Spiel 2 keine Antworten auf den Bulls-Star (41 Punkte, 16/31 FG), der den Champion aus der Mitteldistanz auseinander nahm.

Statistisch gesehen hatte DeRozan in San Antonio ähnlich effiziente Jahre, seit er nur noch als Forward aufläuft, sein Wert für eine Offense war dennoch nie größer. Wenn die Bulls tatsächlich weiter oben mitspielen wollen, wird der gebürtige Kalifornier das halten müssen. Auszuschließen ist es nicht.

Und selbst wenn dem so ist, fehlt Chicago weiter ein Superstar-Stopper. So gut Caruso und Ball auch sein mögen, gegen die Antetokounmpos, Tatums und Embiids im Osten fehlt es weiterhin an Lösungen. Und solange das so ist, werden die Bulls auch kein echter Contender sein.