NBA Finals - Erkenntnisse zum Celtics-Sieg in Spiel 1 gegen Warriors: Boston übersteht den Kulturschock

Ole Frerks
03. Juni 202210:23
Stephen Curry ärgert sich über die Pleite in Spiel 1 der Finals.getty
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Die Boston Celtics haben Spiel 1 der NBA Finals mit einem sensationellen Comeback im vierten Viertel für sich entschieden. Die Gäste demonstrieren dabei ihre größte Stärke, obwohl beim besten Spieler vermeintlich wenig geht. Die Warriors müssen sich vor allem über einen Bereich ärgern.

1. Boston Celtics überstehen den Kulturschock

Es ist ein großer Unterschied, ob man die Warriors verteidigen muss oder irgendein anderes Team. Das erste Viertel demonstrierte das sehr gut: Boston hatte vor allem gegen die limitierten Shooting-Teams Milwaukee und Miami viel Erfolg mit Drop Defense seiner Bigs, im ersten Viertel führte dies direkt zu einem Finals-Rekord.

Stephen Curry versenkte sechs Dreier, der Ball zirkulierte, die Bewegung war da - mehrfach verloren die Celtics den Überblick und ließen weit offene Abschlüsse zu. Es war der Kulturschock, den auch Dallas in der vorigen Serie erlitten hatte. Marcus Smart analysierte es während des Spiels treffend, als er zu seinem Team sagte: "Wir spielen hier nicht mehr gegen Miami!"

Aber Golden State spielt eben auch nicht mehr gegen Dallas. Die Celtics stellten ihre Defense entsprechend um und machten es Curry in der Folge deutlich schwerer, an Abschlüsse zu kommen. Gerade im vierten Viertel switchten sie immer mehr und nahmen den Dubs jeglichen Rhythmus.

Teilweise mit kleinen Lineups, teilweise auch mit Robert Williams, der nominell Andre Iguodala verteidigte und so in Wirklichkeit in Korbnähe alles erschweren konnte. Bostons Vielseitigkeit in der Defensive ist der größte Trumpf dieses Teams. In Spiel 1 war das immer wieder zu sehen, es wird nun spannend zu sehen, wie die Warriors ihrerseits reagieren.

"Das macht großen Spaß, seitdem ich hier bin. All die defensiven Coverages, die wir haben, die Art und Weise, wie wir während eines Spiels verschiedene Dinge machen können", sagte Derrick White, der einen großen Anteil an den Problemen der Warriors-Guards nach dem ersten Viertel hatte. "Wir haben so viele Spieler, die verschiedene Positionen verteidigen können. Das zeichnet uns aus."

2. Der Baby Bump ist real (und Shotmaking ist super)

Was sich zum Ende der Miami-Serie schon abzeichnete, bestätigte sich in Spiel 1: White hat sein offensives Selbstvertrauen wiedergefunden, vor allem ist der Wurf endlich zurück. Seit der Geburt seines Sohnes, aufgrund derer er Spiel zwei gegen Miami verpasste, trifft White auf einmal 43 Prozent seiner Dreier. Darauf hatte Boston lange gewartet, schließlich traf White zuvor seit seinem Trade unter Karriere-Niveau (31 Prozent).

In Spiel 1 war kein Zögern zu sehen, keine Passivität. White war darauf vorbereitet, dass die Warriors ihn nicht unbedingt von der Dreierlinie jagen würden, und bestrafte sie dafür: Fünf seiner acht Triples fanden das Netz, zwei davon inmitten des Turnarounds im vierten Viertel. Und er war nicht der einzige, der es regnen ließ, im Gegenteil.

21 Dreier versenkten die Celtics insgesamt. An einem Tag, an dem der beste Scorer nichts treffen konnte, verschaffte dieser Dreierregen den Celtics den Sieg, obwohl auch Golden State 19 Triples versenkte.

Draymond Green äußerte nach dem Spiel direkt Zweifel daran, dass White, Al Horford und Marcus Smart diese Shooting-Performance noch einmal wiederholen könnten - nicht unverständlich. Aber gerade bei White ist es auffällig, wie sehr sich seine gesamte Körpersprache in der Offensive verändert hat, wie aggressiv er auftritt.

Diese Komponente allein macht ihn schon unheimlich wertvoll, selbst wenn der Wurf nicht so überragend fällt wie in dieser Partie. Denn in allen anderen Facetten kann Boston ihn ohnehin gut gebrauchen: Er kann das Spiel beschleunigen und hat den Drive, er ist dazu ein herausragender Verteidiger und aufgrund seiner starken Screen-Navigation gerade gegen die kleinen Warriors-Guards Curry und Poole unverzichtbar.

Wenn dann noch der Wurf fällt, ist er ein Game-Changer. "Derrick White ist ein Baller", schwärmte Jaylen Brown. "Er ist einer dieser Spieler, die den Moment lieben und die sich jederzeit steigern können. Egal, was der Scouting Report sagt." Die Lektion: Babies machen, so underrated.

NBA Finals: Warriors vs. Celtics - Die Serie im Überblick (0-1)

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
13. Juni3 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics108:120
26. Juni2 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics-
39. Juni3 UhrBoston CelticsGolden State Warriors-
411. Juni3 UhrBoston CelticsGolden State Warriors-
5*14. Juni3 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics-
6*17. Juni3 UhrBoston CelticsGolden State Warriors-
7*20. Juni2 UhrGolden State WarriorsBoston Celtics-

*falls nötig

3. Jayson Tatum ist kein One-Trick-Pony

3/17 klingt erstmal nach einem fürchterlichen Spiel. Im Abschluss war Jayson Tatum auch tatsächlich schlecht, teilweise wirkte es sehr zögerlich, selbst wenn er weit offene Abschlüsse hatte. Dass ihn Andrew Wiggins auch gut verteidigte, kam erschwerend hinzu. Und trotzdem ... ein fürchterliches Spiel war das keineswegs.

Natürlich sollte er mehr Würfe treffen, aber alles andere war sehr gut. Die Defense auf der einen Seite, aber vor allem auch das Playmaking. Golden State übte großen Druck auf den Ballhandler Tatum aus, teilweise sogar mit einer Box-and-1-Defense, dieser las die Coverages aber immer wieder sehr gut und spielte die richtigen Pässe.

13 Assists (bei nur 2 Ballverlusten) sprechen eine klare Sprache, so viele hatte Tatum noch nie in einem Spiel. "Ich habe immer wieder mit ihm darüber gesprochen, wie man ein Spiel beeinflussen kann, wenn es offensiv nicht so gut läuft. Das hat er heute getan", lobte Head Coach Ime Udoka. "Ich liebe seinen Fortschritt in diesen Bereichen, dass er trotzdem weiter verteidigt und andere involviert, sich nicht nur darüber aufregt, dass der Wurf nicht fällt."

Tatum ist ein unterschätzter Passer, ein zunehmend kompletter Spieler. Dass seine Assistzahlen moderat sind (4,4 in der Regular Season), liegt oft nicht zuletzt daran, dass die Celtics-Rollenspieler seine Anspiele längst nicht immer so gut verwerten wie in diesem Spiel. 20 Catch-and-Shoot-Dreier haben die Celtics über die gesamte Saison noch nie in einem Spiel versenkt, in dieser Partie funktionierte es eben prächtig.

"Sein Playmaking ist immer besser geworden", sagte Horford, der schon mit dem Rookie Tatum zusammen spielte. "Heute war es einfach brillant. Er hat die Defense gelesen. Das zeigt einfach, wie er gewachsen ist."

Boston wird in der weiteren Serie mehr Punkte von ihm brauchen. Es ist jedoch ein überragendes Zeichen für die Celtics, dass sie sogar eine solche "Off-Night" ihres besten Spielers verkraften können.

4. Golden State lässt am Korb zu viel liegen

Die Warriors sahen nach dem Spiel keinen allzu großen Grund zur Panik und wiesen immer wieder darauf hin, dass die Celtics sehr viele Würfe getroffen hätten. Das hatten sie zwar wirklich, der eine oder andere Trend könnte die Dubs dennoch ein wenig ärgern. Denn "über 41, 42 Minuten dominiert", wie Draymond sagte, haben sie dieses Spiel keineswegs, dominiert haben sie lediglich das dritte Viertel.

Auch die Warriors hatten ein sehr gutes Shooting-Spiel, 19 Dreier haben sie in dieser Postseason erst zweimal übertroffen. Normalerweise sollte das reichen, doch dafür braucht es eine Balance, die in diesem Spiel nicht da war. Gegen die Mavericks dominierte Golden State phasenweise unterm Korb, davon war gegen die Celtics wenig zu sehen.

In Korbnähe trafen die Dubs nba.com/stats zufolge nicht einmal 50 Prozent ihrer Würfe (13/27), auch aus der Floater-Range gelang nicht viel. Die Länge und Athletik der Celtics schien ihnen zuzusetzen, gerade Robert Williams war ein massiver Störfaktor, wenn er nicht am Flügel verteidigen musste.

Vor allem Draymond Green hatte ein ganz schwaches Finishing-Spiel (2/12), aber er war nicht der einzige. Und es fiel den Warriors nach dem ersten Viertel sehr schwer, ihr Ball-Movement konstant aufzuziehen, die Celtics waren bis auf wenige Ausnahmen sehr gut darin, die vielen Off-Ball-Aktionen einzudämmen.

Golden State hatte 24 Assists, Boston 33 - normalerweise wird diese Kategorie von den Warriors dominiert. Das geht aber natürlich nur, wenn Würfe fallen - und das sah gegen den defensiven Druck der Celtics deutlich schwerer aus als noch gegen die Mavs, die vor allem in Sachen Rim-Protection einfach massive Defizite hatten.

Die Wurfverteilung der Warriors in Spiel 1 - am Korb muss mehr gehen!nba.com/stats

5. Jordan Poole muss die Balance finden

Apropos Defizite. Die Warriors-Bank zog gegen Boston klar den Kürzeren, obwohl es bei den Punkten sogar ausgeglichen war (32:28 BOS vor der Garbage Time). White und auch Payton Pritchard waren mitentscheidend für den Run der Celtics im letzten Viertel, während die Warriors-Reservisten allesamt ihre Minuten "verloren".

An den Leistungen von Andre Iguodala oder Otto Porter Jr. gab es dabei trotzdem nicht viel auszusetzen. Anders war es bei Jordan Poole: Der Youngster wirkte in seinem ersten Finals-Spiel sehr hektisch und viel zu sorglos mit dem Ball, die Warriors bekamen kaum mal eine vernünftige Offensiv-Possession hin, wenn er sie initiieren musste. Gefühlt sagte er jedes Mal seine eigene Nummer an und leistete sich dann einen Ballverlust.

Das ist natürlich ein Problem, denn eigentlich muss Poole mit starker Offense seine schwache Defense "wettmachen". In diesem Spiel war beides nicht gut. Defensiv wurde er konstant von den Celtics attackiert und konnte nicht wie teilweise gegen Dallas versteckt werden, gerade Brown genoss dieses Matchup.

Es muss dazu gesagt werden, dass auch Klay Thompson gegen Brown am Ende sehr schlecht aussah - aber bei Poole war es das ganze Spiel, immer wieder lief auch White recht mühelos an ihm vorbei. Er muss einen Weg finden, zumindest etwas Gegenwehr zu leisten. Sonst könnte es sein, dass seine Minuten in dieser Serie eher reduziert werden müssen.