NBA Finals - Der Neuaufbau der Golden State Warriors: Verkaufte Seele, Platzhalter und 350 Mio. Dollar

Robert Arndt
10. Juni 202207:31
Stephen Curry, Draymond Green und Klay Thompson stehen zum sechsten Mal in den NBA Finals.getty
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Die Golden State Warriors sind nach drei Jahren wieder in den Finals. GM Bob Myers gelang dabei ein schwieriger Spagat. Nun haben Stephen Curry und Co. erneut die Chance, über mehrere Jahre um einen weiteren Titel mitzuspielen, auch wenn einige Moves erst in den vergangenen Wochen und Monaten zu fruchten begannen.

Die Warriors sind nur drei Siege von einer weiteren Championship entfernt. Dieser Satz bleibt bemerkenswert, wenn man doch bedenkt, wie schnell vor nicht allzu langer Zeit ihre vermeintliche Dynastie zerfiel. Klay Thompson riss sich das Kreuzband, Kevin Durant riss sich die Achillessehne und unterschrieb am ersten Tag der Free Agency 2019 in Brooklyn.

Golden State war müde, zermürbt von 515 Saisonspielen über fünf Jahre (ohne Preseason). Das Team schien sein Ablaufdatum erreicht zu haben, auch wenn Stephen Curry (damals 31), Draymond Green (29) und Thompson (29) noch nicht zwingend am Ende ihrer Prime waren.

Drei Jahre später kämpfen sie wieder um einen Titel, neben dieser "Big Three" waren lediglich zwei Kaderspieler auch 2019 bei der Pleite gegen die Toronto Raptors mit dabei - Andre Iguodala und Kevon Looney. Alle außer Iggy wurden von den Warriors gedraftet und selbst entwickelt. Darauf ist man noch heute stolz und verweist gerne darauf, wie GM Bob Myers zuletzt in der Debatte, ob es nicht unfair sei, dass die Warriors mehr Geld ausgeben als alle anderen Teams.

Golden States Kader kostet in dieser Spielzeit rund 176 Millionen Dollar, da man Wiederholungstäter in Sachen Luxussteuer ist, zahlt man zusätzlich noch 170 Millionen oben drauf. Zum Vergleich: Die Clippers sind mit rund 250 Millionen Gesamtausgaben das zweitteuerste Team.

"Es sollte erlaubt sein, seine eigenen Spieler zu bezahlen", meinte Myers. "Viele der Jungs haben wir selbst gedraftet. Es ist nicht so, dass wir all diese Spieler von woanders geholt haben." Das ist durchaus richtig, blickt man aber auf die Moves der vergangenen drei Jahre, wird schnell klar, dass die Warriors sich nur so entwickeln konnten, weil die Besitzergruppe auch in Pandemiezeiten die Geldbörse geöffnet hielt.

Es gibt nicht umsonst folgendes Motto: "Ownership ist der größte Vorteil in der NBA." Während die Los Angeles Lakers nicht gewillt waren, für Alex Caruso obendrauf zu zahlen, tradeten die Warriors 2020 zum Beispiel für Kelly Oubre Jr., was sie alleine rund 80 Millionen Dollar kostete. Der Forward konnte nie überzeugen und doch ist er das beste Beispiel, warum Golden State wieder an der Spitze des Westens steht. Sie waren bereit, Risiken einzugehen, was auch immer es kosten möge.

Warriors: Durant-Abgang schmerzt - und leitet Umbruch ein

Alles begann an jenem Tag, als Durant seine Zelte in San Francisco abbrach und in Brooklyn unterschrieb. Viel wurde in den Wochen zuvor über KD spekuliert, in Golden State war man sich aber bereits recht sicher, dass der zweifache Finals-MVP nach drei Jahren weiterziehen würde.

Das Problem: Da Durant als Free Agent ging, war kein Ersatz in Sicht. 2019 war aber das Jahr, in dem der gute, alte Sign-and-Trade-Deal sein Revival feierte. Seit 2015 hatte es nur vier kleinere S&Ts gegeben, die Seite HoopsRumors erklärte sogar wenige Tage vor dem 1. Juli, warum solche Transaktionen kaum durchgeführt werden (und schrieben auch, dass die Warriors gar nicht dazu berechtigt wären).

Das war auch nicht falsch, dennoch waren die Warriors nach dem 1. Juli in der Lage, Andre Iguodala nach Memphis zu verfrachten, um tatsächlich für einen Sign-and-Trade mit Brooklyn berechtigt zu sein. Es war eine harte Entscheidung, wie Warriors-Coach Steve Kerr Zach Lowe (ESPN) vor einigen Tagen erzählte: "Ich war am Boden zerstört. Ich konnte nicht glauben, dass wir die Seele unseres Teams verlieren würden."

So war der Weg frei, um Platz für D'Angelo Russell zu schaffen. Der Point Guard war selbst Free Agent und wurde von den Warriors überzeugt, in einem doppelten Sign-and-Trade in die Bay Area zu kommen, statt wie eigentlich geplant nach Minnesota zu gehen. Die Nets hätten dem nicht zustimmen müssen, erhielten aber einen Erstrundenpick 2020 (Top-20-geschützt) für ihre Kooperation. Dieser Pick landete nie in Brooklyn, weil die Warriors im folgenden Jahr komplett auseinanderfielen. Stattdessen wird es nun 2025 ein Zweitrundenpick sein.

D'Angelo Russells Gastspiel bei den Golden State Warriors war nur von kurzer Dauer.getty

Warriors - D'Angelo Russell: Der Platzhalter

Glaubten die Warriors wirklich an Russell? Vermutlich nicht, wie auch Kerr andeutete: "Dieser Trade war ein gutes Beispiel, warum der Coach nicht der GM sein sollte. Wenn ich das Sagen gehabt hätte, hätten wir diesen Trade niemals gemacht." D-Lo war zwar im Jahr zuvor All-Star, passte aber so überhaupt nicht zum Stil der Dubs.

Viermal lief der Guard an der Seite von Curry auf, dreimal verloren die Warriors, bevor sich der Superstar die Hand brach. Als dieser am 5. März 2020 sein Comeback gegen Toronto gab, war Russell schon gar nicht mehr da. Die Entscheidung pro Golden State von Russell war wichtig für die Franchise, um den Salary Spot von Durant zu erhalten, den sie aus finanziellen Gründen anderweitig einfach verloren hätten, mehr aber auch nicht.

Am Ende bekamen alle, was sie wollten. Russell einen Maximal-Vertrag und danach doch noch die Chance, an der Seite von seinem Buddy Karl-Anthony Towns in Minnesota zu spielen. Und Golden State endlich den langen, athletischen Forward, der ihnen abhanden gekommen war ...

Andrew Wiggins: Das fehlende Teil

Über Jahre hatten die Warriors ein Team mit zahlreichen Flügelspielern um die 2 Meter. Klay, Shaun Livingston, Harrison Barnes, Iguodala - sie alle waren wie geschaffen für das Switch-freudige System der Dubs, doch nach der Finals-Enttäuschung 2019 war plötzlich keiner von ihnen mehr da.

Wings sind die Kings der NBA und entsprechend teuer, manchmal auch zu teuer. Wie im Fall von Andrew Wiggins, der seinen Maximal-Vertrag nie rechtfertigen konnte und das auch jetzt noch nicht tut, obwohl er in dieser Saison erstmals All-Star wurde. Sein Motor kann heiß oder kalt laufen, für die Warriors ging es aber weniger um seine Offense als um seine Verteidigung.

In einer kleineren offensiven Rolle kam diese vor allem in den Playoffs zur Geltung. Ob Ja Morant, Luka Doncic oder nun Jayson Tatum - Wiggins verteidigt den Superstar des Gegners und macht seine Sache mehr als ordentlich.

Das ist ein Plus und macht den D-Lo-Trade zu einem der einseitigen Trades der vergangenen Jahre. Nicht nur bekamen die Warriors ein neues Puzzleteil, sondern erhielten im Februar 2020 neben dem Kanadier auch noch den 2021er Erstrundenpick der Wolves (es wurde Nr.7-Pick Jonathan Kuminga) und konnten mit Jacob Evans sowie Omari Spellman Altlasten abstoßen, womit sie ausnahmsweise etwas Geld sparten. So umstritten der Trade damals war, so eindeutig sieht er heute auf dem Papier aus.

Warriors: Jordan Poole als Gesicht des Re-Toolings

Weniger Einfluss auf die Finals hat derzeit Jordan Poole, dennoch steht auch sein Name sinnbildlich für das Retooling der Warriors. Seine Geschichte als 28. Pick 2019 mit Umwegen über die G-League sollte inzwischen bekannt sein, er ist ein weiteres Gesicht für die Entwicklung eigener Spieler im Warriors-System.

Inzwischen wird der Guard als Mini-Curry gesehen und es ist teils frappierend, wie ähnlich sie auf dem Feld agieren. Auf ihn wartet spätestens 2023 ein großer Zahltag, es könnte das Warriors-Dilemma noch einmal vergrößern und es wird interessant zu sehen sein, wie teuer dieses Team tatsächlich sein darf.

Allgemein haben die Warriors - wie von Myers hervorgehoben - mehr als solide gedraftet. Eines der Probleme von Contendern ist es oft, dass durch niedrige Picks kaum frisches Blut ins Team gebracht werden kann. Auch Golden State musste das erfahren, hier und da landeten sie aber einen Treffer, mit Poole als großem Gewinn.

Kevon Looney (30. Pick 2015) ist noch zu nennen, andere wie Damian Jones (30. Pick 2016), Patrick McCaw (38. Pick 2016), Jacob Evans (28. Pick 2018) oder Alen Smailigic (39. Pick 2019) "floppten", auch wenn man in diesen Gefilden schon viel Glück haben muss.

Anders sieht das bisher mit James Wiseman aus, den die Warriors 2020 an Position zwei drafteten. Der Center hat noch gar keinen Einfluss genommen, es ist umso erstaunlicher, dass die Warriors das so gut verkrafteten, obwohl sie mit diesem Pick (bisher) nicht mal einen guten Rotationsspieler bekamen.

Wiseman sollte der Brückenspieler werden, derjenige, der die bestehende und die kommende Generation verbindet. Warriors-Besitzer Joe Lacob will auch nach Curry und Co. ein Contender sein, Wiseman war als dieses Gesicht angedacht, stattdessen sind es nun andere, wie allen voran Poole. Auch die im Vorjahr gedrafteten Kuminga und Moses Moody deuteten bereits mehr Potenzial an und machen Hoffnung, dass Golden State den Spagat aus Contender und Entwicklung tatsächlich meistern kann.

Warriors: Rückkehr zur eigenen Identität

Ihre Zeit wird kommen, nur noch nicht in diesem Jahr. In den Finals vertraut Kerr seinen Rookies noch nicht, stattdessen greift er lieber auf Veteranen zurück. Davon hat der Coach inzwischen wieder eine Menge dank einer klugen Offseason, in welcher die Franchise wieder "Warriors-Spieler" identifizieren konnte.

Kamen im Vorjahr eher athletische Flügel wie Kelly Oubre Jr. oder Kent Bazemore, lag der Fokus diesmal wieder mehr auf dem Basketball-IQ sowie der Anforderung, dass die Spieler Plays machen können. Iguodala, Nemanja Bjelica und auch Otto Porter Jr. passen einfach in das System, sie alle kamen für einen schmalen Taler und hatten wenig Anpassungsschwierigkeiten.

Solch kleine Moves waren entscheidend, sie mussten passen, weil der Spielraum so marginal war. Selbst in den KD-Jahren klappte das nicht so gut, auch wenn es zweimal zum Titel reichte (mit KD war der Spielraum für Fehler natürlich auch größer). Spieler wie Nick Young oder DeMarcus Cousins hatten eher große Namen, als dass sie wirklich ein Plus im System der Warriors waren.

In dieser Spielzeit passten dagegen die Moves und katapultieren die Warriors zurück in die Finals. "Strength in numbers" war das Motto der ersten Dynastie-Jahre und wurde gewissermaßen reaktiviert. Fast jeder der 15 Spieler im Kader trug etwas bei, getragen natürlich weiterhin von den Platzhirschen Curry, Green und mit größeren Abstrichen Thompson.

Die Warriors werden auch in den kommenden Jahren oben mitspielen, es warten aber auch Entscheidungen. Poole und Wiggins werden 2023 Free Agents, sie beide zu halten, könnte noch einmal teurer werden. Auch Green kann in diesem Jahr aussteigen, Thompsons Deal läuft eine Saison später aus, während Curry sogar bis 2026 gebunden ist.

Golden State Warriors: Die Gehaltsstruktur der kommenden Jahre

SpielerPositionAlter22/2323/2424/2525/26
Stephen CurryPoint Guard3448,151,955,859,6
Klay ThompsonGuard/Forward3240,643,2UFA-
Andrew WigginsForward2733,6UFA--
Draymond GreenForward3225,827,6*UFA-
James WisemanCenter219,612,1**RFA-
Jonathan KumingaForward205,76,0**7,6**RFA
Jordan PooleGuard233,9RFA--
Moses MoodeyGuard203,73,9**5,8**-

* Spieler-Option, ** Team-Option, Alle Angaben in Mio. US-Dollar